Aufnahme von "Alpenkönig und Menschenfeind"

SANDRA BORCHERS

Opernabend

"Der Alpenkönig und der Menschenfeind"

Leo Blechs Oper nach Ferdinand Raimunds Märchenstück. Mit Ronan Collett (Astragalus), Hrólfur Saemundsson (Rappelkopf), Irina Popova (Sabine) u.a. Christopher Ward leitet das Sinfonieorchester und den Opernchor Aachen. Aufgenommen am 9. Mai 2021 im Eurogress in Aachen.

Er war stolz darauf, letzter "Kaiserlicher Generalmusikdirektor" Berlins gewesen zu sein. Wer es mit Neuerungen auf die Spitze trieb - was im Berlin der 1920er Jahre vorkommen konnte! -, bekam sein "Mit mir nicht!" zu hören. Es hat also teilweise seine Richtigkeit, dass aus der Ära die Dirigentennamen Otto Klemperer, Erich Kleiber, Bruno Walter und Fritz Busch geblieben sind (und natürlich Wilhelm Furtwängler, eigenes Kapitel), doch nicht, oder kaum, Leo Blech.

1871 in Aachen in eine jüdische Kaufmannsfamilie hineingeboren, jung (und schon Opern komponierend, "Jugendsünden") mit Bayreuth und dem Wagnerianer Engelbert Humperdinck in Kontakt gekommen, profiliert sich der (nun evangelisch getaufte) Endzwanziger als Dirigent am Neuen Deutschen Theater in Prag - bei Angelo Neumann, dem großen Wagner-Popularisierer. Niveau des Orchesters, Ansehen des Theaters steigen zusehends. Und der "Erste Kapellmeister" ist zugleich Komponist: Leo Blechs Opern "Das war ich!" und "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" werden gar in Dresden (Nobeladresse Semperoper) aus der Taufe gehoben, finden rasch Verbreitung.

Aufnahme von "Alpenkönig und Menschenfeind"

SANDRA BORCHERS

Aachen - Prag - Berlin

Zeit für einen Karrieresprung: 1906 wirbt die Berliner Hofoper Blech ab, die heutige Staatsoper Unter den Linden; mit einer runderneuerten "Carmen" legt Blech ein blendendes Debüt hin. Richard Strauss, älterer Kollege in beiden Professionen, achtet darauf, dass sämtliche Berliner Premieren seiner Opern ausschließlich von Leo Blech geleitet werden. Blech steht für unbedingte Qualität. 1913 macht Kaiser Wilhelm II. den 42-Jährigen zum Königlich Preußischen Generalmusikdirektor auf Lebenszeit(!).

Leo Blech, Berlin 1910

NICOLA PERSCHEID/CC BY-SA 4.0

Im Berlin der 1920er Jahre geht es auch im Opernleben rund. Der "völkisch" orientierte Max von Schillings mischt an der Staatsoper mit, schürt Konflikte, worauf Blech seinen Hut nimmt und für kurze Zeit vagabundiert. Sein Nachfolger, Erich Kleiber, holt ihn wieder zurück, zwar nicht ins Amt, aber ans Dirigentenpult. Mehr als 2.600 Abende wird Blech 1937 an "seinem" Haus dirigiert haben, dem Jahr seiner "Pensionierung".

1933 erfolgt der Rauswurf nicht sofort

Es mag, wie Blech nach 1945 auch betonte, wirklich dem Einfluss des "allmächtigen" neuen Generalintendanten der Preußischen Staatstheater (und im Hintergrund der Konkurrenzsituation Göring versus Goebbels) zu danken gewesen sein, dass Blech im für Seinesgleichen alles wendenden Jahr 1933 nicht sofort den Hinauswurf erlebte. Da gehört noch geforscht!

Leo Blech und seine Frau verlassen Berlin zunächst in Richtung Riga (das dortige Opernhaus ist Wagner-notorisch); nach Einmarsch deutscher Truppen im Baltikum 1941 gelingt es beiden, der Verbringung ins Ghetto zuvorzukommen und nach Stockholm zu flüchten, wohin es Verbindungen gibt. Auch dort ist Blech schnell wieder der große, nun alte Mann des Musiklebens.

Renaissance von Blechs Musik?

Es ist ihm noch vergönnt, anno 1949 nach Berlin zurückzukehren und in Aufnahmen von RIAS Berlin in neuzeitlicher Tontechnik seine Interpretationskünste zu dokumentieren. Wie lebten die Orchester unter Leo Blechs Leitung auf, wie leuchtete und sprühte die Musik vor Lust und Wissen. Mit 1958 schließt die Chronik. Was Blech nicht mehr erlebt hat: eine Renaissance seiner ganz in der Tradition der Spätromantik stehenden, quasi via Humperdinck "wagnerianischen" Bühnenwerke. "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" nach dem Ferdinand-Raimund’schen Märchenstück aus Blechs Geburtsstadt Aachen möge der Startschuss sein.

Gestaltung