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Gehört
Das Ö1 Magazin im Jänner
Die stärksten Seiten von Ö1 gehören "gehört", dem monatlich erscheinenden Ö1 Magazin. Neben einer ausführlichen Übersicht über das komplette Radioprogramm des kommenden Monats finden Sie hier interessante Reportagen und Hintergrundberichte über das Programm und seine Gestalter und Gestalterinnen. Das Ö1 Magazin steht exklusiv Ö1 Club-Mitgliedern zur Verfügung.
2. Februar 2022, 08:53

ORF/DYNAMOWIEN
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Nur eine „tapfere Mehrsprachigkeit“, meint der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant, kann uns dabei helfen, die Vielfalt der Sprachen zu erhalten. Die UN-Dekade der indigenen Sprachen, die in diesem Jahr beginnt, soll aufrütteln und bewusst machen, wie dramatisch die Reduktion der weltweit gesprochenen Sprachen bereits fortgeschritten ist und welche kulturellen Verluste damit einher gehen. Von drohendem „Sprachentod“ zu reden, ist nicht übertrieben. Sprache ist das „bildende Organ des Gedankens“ (Wilhelm von Humboldt). Das in verschiedenen Sprachen ausgebildete Denken bestimmt das „In-der Welt-Sein“ und ermöglicht das „Mit-Denken“ anderer Menschen und Kulturen. Sprachen sind eben auch „Weltansichten“. Sie zu erhalten und zu entfalten, ist ein Gebot geistiger Ökologie in einem sehr umfassenden Sinn.
Mit einer inspirierenden Vielfalt an Themen, Stimmen und Sichtweisen das Bewusstsein dafür zu fördern, ist das Anliegen unseres Ö1 Jahresschwerpunkts „Sprachen.Vielfalt.Verstehen“ und der neuen Radiokolleg-Reihe „Wort.Schätze“. So wie die Biodiversität für die Natur, ist „Glossodiversität“ - gesellschaftliche Mehrsprachigkeit - für den menschlichen Geist unverzichtbar. Die gelebte Vielfalt der Kulturen kommt darin zum Ausdruck. Bedrohte Sprachen enthalten auch einzigartiges Wissen. Indigene Gesellschaften geben von Generation zu Generation Kenntnisse über Pflanzen weiter, die als natürliche Apotheke genützt werden können. Viele Verwendungszwecke von Arzneipflanzen sind nur in einem einzigen indigenen Volk und damit auch nur in einer Sprache bekannt. Da nach Schätzungen 30 Prozent aller Sprachen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verschwunden sein werden, sind damit wichtige medizinische Kenntnisse bedroht. Partizipative Forschungsprojekte und digitale Datenbanken können dabei helfen, gefährdetes Wissen rechtzeitig zu dokumentieren.
Archivierung und Musealisierung von Sprachen allein sind aber zu wenig. Vielfalt verstehen zu wollen und zu können, ist auch ein Zeichen des sprachlichen Optimismus und kultureller Solidarität, das Gehör verdient. Das ist eine globale, aber auch eine sehr europäische Aufgabe, wie der polyglotte Linguist Claude Hagège schreibt: „Als Bürger eines vielsprachigen Kontinents müssen die Europäer für die polyphone Botschaft der menschlichen Sprachen aufnahmebereit bleiben. Das Hinhören auf den anderen, der seine eigene Sprache spricht, ist die unabdingbare Voraussetzung, wenn man eine konkrete Solidarität schaffen will, die über bloße Propagandareden hinausgeht.“
Martin Bernhofer
Ö1 Programmchef
Information
- Erscheinungsweise: 13 x p.a.
- Direktversand an Ö1 Club-Mitglieder
- Auflage: 57.000 Stück
- Format: 208 x 289 mm
- Druck: 4-farbig
- Seitenanzahl: 60 Seiten
- Chefredaktion: Robert Heis