Günther Nenning, 1985

APA/HANS PETER KLEMENZ

Salzburger Nachtstudio

100 Jahre Günther Nenning

Am Vorabend des 100. Geburtstags von Günther Nenning ist es Zeit, seine Taten zu reflektieren und einen erkenntnisreichen Weg durch das Leben dieses vielfach wirkenden Journalisten, Herausgebers, Politikers und Autors zu finden.

Welche Zugänge gäbe es für ein Porträt des 1921 geborenen und 2006 gestorbenen Wanderers durch das österreichische 20. Jahrhundert, der die Kraft und die Gabe hatte, das Land zu verändern?

Parteigründer, Gelehrter, Aktionist

Eine Biografie der Bekenntnisse: jüdisch, links, sozialdemokratisch, feministisch, pazifistisch, fromm, am Ende ein Bekehrter. Seine Geschichten des Scheiterns: ein Parteigründer, der kein Mandat in der von ihm initiierten grünen Bewegung ergatterte, den Kampf um Mandate spielte er nicht mit. Der Gelehrte, der keine Universitätsposition – trotz des doppelten Doktorats, trotz einer enormen Publikationsliste – bekam. Ein Unpassender in den existierenden Institutionen. Seine Ehrentitel markieren die Welt außerhalb der Funktionen: Urvater, Seele, Botschafter, Aktionist.

Ausgeschlossen aus der SPÖ, die das 15 Jahre nach seinem Tod rückgängig macht, ebenso aus der Journalismus-Gewerkschaft. Die Beton-Mentalität der Regierenden ist ihm ein realer Albtraum geworden, er begegnet ihr mit strategischem Witz: Seine Initiativen gegen das Zubetonieren der Au sind erfolgreich. Ausschlüsse machen ihn erfinderisch: Er wird Gründer des Österreichischen Journalisten-Clubs.

Worte als einflussreiches und wirkungsvolles Mittel

Der humanistisch Gebildete begann, seine Worte schnell als einflussreiches und wirkungsvolles Mittel erkennend, schreibend die Welt zu gestalten: Im Neuen Forum gab er Themen Raum, die so wichtig waren, dass sie den Rahmen der tagespolitischen Möglichkeiten sprengten und folglich politisch unbrauchbar wurden. Aus den Worten wurden Aufrufe, Bewegungen zu Initiativen für Volksbegehren, er fand für seine Themen jeweils den eingängigen Slogan , wie „Sechs Monate sind genug“ für die Verkürzung des Wehrdienstes.

Proteste in den 1970er Jahren gegen den Vietnam-Krieg und 1978 gegen das AKW Zwentendorf spiegeln seine pazifistische Haltung, seinen Einsatz für Nachhaltigkeit in der Energiegewinnung. Seine Kraft, Menschen mit gemeinsamen Zielen zu einen, war etablierten Parteien und Bünden unwillkommen.

Matthias Walden, Rudi Dutschke, Daniel Cohn-Bendit, Kurt Sontheimer

Legendärer Club 2 von 1978: Matthias Walden, Rudi Dutschke, Daniel Cohn-Bendit, Kurt Sontheimer und Diskussionsleiter Günther Nenning zum Thema "1968 - Das Jahr des Aufstandes".

ORF

Er beherrschte er die politische Bühne souverän

Der mit den Medien tanzte; den „Club 2“ hat er nicht erfunden, aber in einer männlich-nonchalanten Manier zwischen Eleganz und Clownerie geleitet. Die Kasperlrolle nahm er ernst, die Bühne für den Hanswurst extemporierend-improvisierend aufbauend, sei es im Fernsehen, in der Kronen Zeitung, in den Hainburger Auen. Er wusste jede Fernsehdiskussion als Show, jedes Anliegen theatralisch zu inszenieren. Als Theatermacher im Tierkostüm beherrschte er die politische Bühne souverän. So souverän, dass er auch den Auftrag der Regierung, Kunst zu verpacken, annahm. Ergebnis: der Austrokoffer, dem sich Dichterinnen und Dichter nicht unterordnen wollten, viele versagten dem Wortgewaltigen ihre Gefolgschaft.

Eine Rekonstruktion der Karriereschritte und Erfolge

Sein Nachlass in der Wienbibliothek des Rathauses umfasst 81 Kisten, da findet sich eine Enzyklopädie der Medien, für die er schrieb; von der Arbeiter-Zeitung bis Bibel und Liturgie, der Krone fügte er nicht nur Kolumnen hinzu, sondern setzte ihr auch die „Krone der Dichtung“ auf. Die Liste der Briefdialoge reicht von Jandl bis Jelinek, von Holender bis Häupl. Frauen, Frauen, Frauen - rief er, aber nicht so laut, wie er Umweltschutz gerufen hatte. So weit vorwagen konnte er sich nicht.

Neben einer Rekonstruktion der Karriereschritte und Erfolge Nennings steht eine Analyse seiner Strategien und Tools und die Frage, inwieweit Nennings mediale Wirkung und Erscheinung heute wiederholbar wäre. Denn: Brauchen wir nicht jetzt erst recht einen Kämpfer für den Erhalt einer lebenswerten Welt?

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