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Matrix

Matrix-Jahresrückblick 2021

Das Jahr zwischen Professor KI und Online-Erpessung. Ein Rückblick der "matrix"-Redaktion auf Themen des Jahres, die uns auch 2022 beschäftigen werden.

Covid hat unsere körperlichen Kontakte reduziert, auch jene in der Medizin oder in der Schule. Behandlungen finden zunehmend aus der Ferne statt, die Telemedizin ist im Aufwind. Im Unterricht wiederum sucht man nach Bildungstechnologien, die den menschlichen Unterricht unterstützen können. Im März startete der Hype rund um die NFTs - eine Art digitaler Echtheitszertifikate. Sie machen plötzlich auch digital kopierbare Kunstwerke zu handelbaren Einzelstücken. Außerdem eskalierten im vergangenen Jahr die Diskussionen um unsere Abhängigkeit von Datenhändlern wie Facebook, die sich als soziales Medium ohne Verantwortung präsentieren.

Facebook-App auf Handy-Display

APA/AFP/ALASTAIR PIKE

Über die Regulierung von Inhalten im Netz

Der Problembereich Fake News und Verschwörungstheorien im Netz hat durch Pandemie und Impfdebatten eine völlig neue Dimension erreicht. Dementsprechend nimmt auch die Diskussion rund um staatliche Regulierungen von Social Media Plattformen weltweit Fahrt auf: Seit April dieses Jahres hat Österreich ein Gesetz gegen "Hass im Netz". Nach dem Sturm auf das Kapitol durch Trump-Anhänger lud der US-Kongress die Chefs von Google, Facebook und Twitter zu einer Anhörung vor.

Für Aufsehen sorgten im Herbst die Enthüllungen der Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen: Der Facebook-Konzern, der mittlerweile "Meta" heißt, würde genau wissen, welch gefährliche Auswirkungen seine Produkte auf Gesellschaft und Demokratie haben. Aber Profite seien ihm eben wichtiger. Das EU-Parlament ließ sich von Haugen schließlich bei einem wichtigen Gesetzesvorhaben beraten: Der "Digital Services Act" will die Plattformen stärker in die Verantwortung nehmen. Im Jänner stimmt das EU-Parlament darüber ab.

Künstliche Intelligenz als Lehrer/ in

Mit Corona wurden die Rufe nach Professor KI - also nach einem Unterricht mit Hilfe von künstlicher Intelligenz - immer lauter. Im Idealfall funktionieren Apps und andere digitale Lehrmittel wie ein Hauslehrer: Sie beobachten die Kinder beim Lernen, gehen auf ihre Stärken und Schwächen ein und schneidern ihnen das Unterrichtsprogramm sozusagen auf den Leib. Dass das nicht bedeuten kann, die Lehrenden abzuschaffen, sondern nur zu ergänzen, das hat die Pandemie eindrucksvoll gezeigt.

Für den Bildungsdirektor der OECD, Andreas Schleicher, kann eine KI-gestützte Lern-Analytik die Chancengerechtigkeit verbessern, weil sie Schüler ihr eigenes Lerntempo lässt. Aber dazu braucht es eine Art ständiger Lernüberwachung der Schüler/ innen, die manche kritisch sehen. Märt Aro vom „Norther EdTech Forum“ beschreibt den Vorteil dieses Szenarios anhand einer sehr erfolgreichen App für Kinder mit Dyslexie. „Im schlimmsten Fall brauchte das Kind drei 15Minuten-Einheiten pro Woche, und das über maximal drei Monate. Und alle konnten dann lesen, ohne dass ihnen eine Lehrerin besonders geholfen hätte.“

Was mit Hilfe von Machine Learning im Unterricht möglich ist, hat auch die Brennpunktschule David R. Buddy in New York gezeigt. Dort hatten die Kinder unterdurchschnittliche Mathematik-Kenntnisse. Die Pädagog/ innen suchten Hilfe bei der Organisation „School of One“. Diese unterstützte den Mathematik-Unterricht mit Machine Learning: Über Nacht wertete ein Computer die Rechenleistungen der Kinder aus und präsentierte ihnen am nächsten Morgen maßgeschneiderte Mathe-Lektionen. Das Ergebnis: Einige Zeit später übertrafen die Mathematik-Leistungen der Kinder den amerikanischen Durchschnitt um 50 Prozent.

Virtualisierung der Medizin

Auf Lily Chengs Bauchdecke klebt ein kleiner Sensor. Er sendet die Blutzuckerwerte der 41-jährigen Diabetespatientin auf ihren Wunsch hin regelmäßig an die Med Uni Graz. Dort kann das zuständige Ärzteteam die Daten einsehen und kontrollieren. Telefonisch oder via Onlinegespräch werden die Daten in Folge besprochen und gegebenenfalls Therapieänderungen vereinbart.

Lily Cheng ist mit dem telemedizinischen System sehr zufrieden. Sie hofft, es auch nach Corona weiter nutzen zu können. „Für einen chronischen Patienten ist das schon wirklich großer Vorteil, nicht nur in Corona-Zeiten, also wir hoffen ja sehr, dass das weiterhin aufrecht bleibt, auch wenn dann keine Epidemie mehr ist.“

Ebenfalls an der Med Uni Graz betrachtet der Biophysiker Gernot Plank auf seinem Computerbildschirm die digitale Abbildung eines Herzens - ein 3D-Modell, auf dem sich Herzschläge als elektrische Strahlen linienförmig ausbreiten. Es ist ein digitaler Zwilling, an dem Kardiolog/ innen Therapien und Eingriffe künftig im Vorfeld planen sollen. „Dadurch können sie die Eingriffsdauer verkürzen und die Eingriffsdauer ist im Wesentlichen der wichtigste Indikator für die Eingriffs-Komplikation: kürzere Eingriffsdauere, geringere Komplikationsrate“, so Plank. Das Hightech-Modell des Herzens wird derzeit als Prototyp getestet und soll helfen, die individuell beste Behandlung zu ermöglichen.

Digitale Erpressung durch Ransomware

Rund 220 Milliarden Euro hoch war der Schaden, den Ransomware-Gruppen im Vorjahr angerichtet haben, das ist doppelt so viel wie noch 2019. Ein ähnliches Bild zeichnet sich dieses Jahr ab. Die Anzahl an Ransomware-Angriffen ist zwar im Vergleich zum Vorjahr nicht dramatisch angestiegen, die Gruppen werden aber immer spezialisierter. Sie konzentrieren sich auf große, gewinnversprechende Ziele und stehlen Kundeninformationen, bevor sie die Daten des Opfers verschlüsseln. Damit erpressen sie nicht nur die ursprünglich ins Ziel genommenen Unternehmen, sondern auch deren Kundinnen und Kunden.

Kolportierte 250 Millionen US-Dollar Lösegeld forderten Kriminelle etwa am 9. November von der Mediamarkt-Saturn-Gruppe, nachdem deren Systeme mit der Ransomware „Hive“ infiziert worden waren. Auch der Möbelriese IKEA hatte am 27. November mit einem ähnlichen Problem zu kämpfen. Zwei der verheerendsten Angriffe des Jahres treffen die USA. Im Mai wird das Rohleitungsnetz des wichtigsten Pipeline-Betreibers „Colonial“ lahmgelegt. Sechs Tage lang fließt kein Öl, Tankstellen fehlt Treibstoff, die USA rufen den Notstand aus. Im Juni dringt die Gruppe „REvil“ beim IT-Dienstleister Kaseya ein und versteckt ihre Verschlüsselungssoftware in einem vermeintlichen Update, das 60 Kaseya-Kunden herunterladen und wiederum an ihre Kunden weiterverteilen. Schlussendlich sind 1.500 Firmen von der Ransomware betroffen.

NFT Digital Artwort

NFT Digital Artwort

APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD

NFT: das „Matrix-Wort“ des Jahres 2021

Spätestens seit März kennen wir eine neue Buchstabenkombination: NFT steht für Non-Fungible Tokens. Die Abkürzung wurde vom Collins Dictionary sogar zum Wort des Jahres 2021 gewählt. NFTs oder nicht-austauschbare Token repräsentieren virtuelle Sammlerstücke, die einmalig sind und anhand eines Zertifikats verkauft werden. Das können Kunstwerke sein, Musikstücke oder Gegenstände in Videospielen. Das System basiert wie Kryptowährungen auf der Blockchain-Technologie.

Große Aufmerksamkeit haben NFTs bekommen, als im März eine Sammlung von 5000 digitalen Bildern in Form solcher NFTs um rund 70 Millionen US-Dollar versteigert wurde. „Das Revolutionäre daran ist, dass ein digitales Kunstwerk als Unikat in den Markt gelangt und dadurch als Sammlerstück erworben werden kann“, sagt die Münchner Kunsthistorikerin Anette Doms. „Diese Entwicklung hat die Kunstwelt wachgerüttelt.“

Ob diese digitalen Unikate aber tatsächlich einen Wert haben, das ist gerade Thema einiger Auseinandersetzungen. So hat der australische Künstler Geoffrey Huntley alle verfügbaren NFTs heruntergeladen und zum Download gestellt. Er möchte damit zeigen, dass NFTs nicht mehr sind, als ein Link zu einem Bild - das man auch ohne zu bezahlen aus dem Netz kopieren kann.