Bhuddistische Mönche in Bhutan, tanzend

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Tao

Dem Himmel so nah

"Tao" über Buddhismus in Bhutan und das Recht auf Glück.

Eine Lichtung am Stadtrand der Hauptstadt Thimphu: Lauter Jubel ist zu hören. Es ist Sonntag, und viele Bhutaner/innen treffen sich zum Kuru, neben Bogenschießen der Nationalsport des Landes. Bei diesem Geschicklichkeitsspiel, das auf das 18. Jahrhundert zurückgeht, treten zwei Mannschaften gegeneinander an. Schwere Pfeile werden 30 Meter weit auf eine Zielscheibe geschleudert. Alle machen sich einen Spaß daraus, den Gegner bei Fehlwürfen mit Derwisch-ähnlichen Tänzen und Spottversen zu ärgern. Dabei fließt reichlich Alkohol. Auch Hochprozentiges. Das friedliebende Bergvolk Bhutans kann also auch anders, als immer nur nett zu sein.

… als wolle es sich vor der Welt verstecken …

Abgeschirmt von den höchsten Bergen des Himalayas liegt das kleine Bhutan - fast so, als wolle es sich vor der Welt verstecken: Eingeklemmt zwischen China und Indien, leben hier 770.000 Einwohner/innen entsprechend der buddhistischen Religion. Endlose Wälder, mächtige Gletscher und Flüsse, die das ganze Land, von der Größe der Schweiz, durchziehen - Bhutan schöpft aus seinen natürlichen Reichtümern, allerdings mit behutsamer staatlicher Lenkung. Denn das Himalaya-Königreich kann nicht auf wertvolle Bodenschätze zählen. Laut den Vereinten Nationen zählt Bhutan zu den am wenigsten "entwickelten" Ländern der Welt. Bhutan hat praktisch keine Industrie, 40 Prozent der Menschen leben von der Subsistenzwirtschaft.

Zufriedenheit als Maß aller Dinge

Trotzdem gilt Bhutan als Land des Glücks. Hier wird auch das "Bruttonationalglück", nicht nur das Bruttosozialprodukt gemessen. Denn das Recht auf Glück ist in der Verfassung verankert. Nicht die Parameter wie Wirtschaftswachstum oder Bruttoinlandsprodukt gelten als Maß aller Dinge, sondern die Zufriedenheit der Einwohner/innen. Seit Jahrhunderten ist der Buddhismus religiös und gesellschaftlich bestimmend für das kleine Königreich im Himalaya.

Der Vajrayana-Buddhismus ist in Bhutan Staatsreligion und Teil des indo-tibetischen Buddhismus. Übersetzt bedeutet Vajrayana "Diamantfahrzeug": er besonders harte und glänzende Edelstein steht für das Wesen Buddhas. Der Vajrayana-Buddhismus prägt den Alltag. Überall im Land trifft man auf seine Symbole - Tempel, Gebetsfahnen oder Mönche jeden Alters in roten Kutten. Vor dem Lockdown galt Bhutan für westliche Tourist/innen als Hort der Ruhe und nachhaltigen Lebensweise. Fernsehen und Internet wurden hier erst vor 20 Jahren eingeführt.

Geistiges Wohlbefinden statt Besitz

2008 wurde aus Bhutans absolutistischer Monarchie eine konstitutionelle. Es war keine Volksbewegung, die den König zum Abdanken zwang, sondern freiwilliger Machtverzicht. In Bhutan erklärt man diesen Systemwechsel mit dem Konzept des weisen und vorausschauenden Herrschers, der aus den revolutionären Umstürzen der europäischen Geschichte gelernt habe. Seitdem sind die Wähler/innen recht experimentierfreudig: In den drei bisherigen Wahlen wechselten sie stets von einer Partei zur nächsten. Es gibt Schulbildung für alle Bürger und eine funktionierende medizinische Versorgung - wenngleich auf niedrigem Niveau.

Nach landesweiten Umfragen sind die meisten Menschen in Bhutan zufrieden mit ihrem Leben. Das liegt zu einem guten Teil an der buddhistischen Religion. Sie lehrt, dass es Leid im Leben gibt, dass man sich aber nicht nur um die materiellen Dinge kümmern soll und mehr um sein geistiges Wohlbefinden. Auch deshalb sehen zahlreiche Bhutaner/innen die Stärke des Himalaya-Königreichs im Buddhismus, der tief in der Gesellschaft verwurzelt ist.

Text: Michael Marek und Anja Steinbuch, Reisejournalist/in