Berge und Wasser, Lichtspiele, Lofoten

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Ambiente

Die tanzenden Fische der Lofoten

Eine "Ambiente"-Reise von den Lofoten zum Nordkap.

"Im Winter kommen die Fische, und im Sommer kommen die Touristen", sagt Steinar Larsen zufrieden. Jedes Jahr im Jänner nämlich wandern große Kabeljau-Schwärme von der Barentssee nördlich von Norwegen zum Laichen zu den Lofoten - die nördlich des Polarkreises liegende Inselgruppe besteht aus circa 80 Inseln.

Der Jänner, der Monat mit den wenigsten Tourist/innen vor Ort, ist praktischerweise die beste Fischfangzeit. Steinar Larsen lebt im Fischerdorf mit dem wohl kürzesten Ortsnamen der Welt: Å heißt das Dorf. Dort hat Larsen Fischerei und Tourismus geschäftstüchtig verbinden können.

Rote Häuser an einem Fjord, Nordkalotte

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Taschengeld mit Kabeljau aufgefettet

In der alten Brygge, den ehemaligen Kaianlagen des 100-Einwohner/innen-Ortes, hat er in einem rot und weiß gestrichenen hölzernen ehemaligen Hafengebäude das Tørrfisk-Museum eingerichtet. Es ist das einzige Stockfischmuseum der Welt, sagt er nicht ohne Stolz - und klarerweise erfährt man in dem kleinen Museum allerhand Wissenswertes über die älteste Exportware Norwegens: wie man die Stockfische verarbeitet, welche Güteklassen es gibt und welche die wichtigsten Abnehmerländer sind.

Steinar Larsen ist wahrlich ein Fischexperte - schon als Schulkind hat er sich sein Taschengeld mit Kabeljau aufgefettet. Wie die meisten seiner (männlichen) Klassenkameraden ist er im Winter nach dem Unterricht zu den Fischer/innen am Kai gegangen und hat sich ein paar Kronen verdient, indem er den Fischen die Zungen aus den Mäulern geschnitten hat - zehn Kilogramm Zungen pro Stunde habe er damals geschafft, sagt er. Und: Diese Zungen seien eine Delikatesse. Den Fischen blieb er sein gesamtes Berufsleben lang treu.

Steinar Larsen

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Steinar Larsen

Dorf Å im hintersten Winkel

Bis 1993 arbeitete Steinar Larsen als Stockfisch-Händler in Å. Das Dorf Å liegt im hintersten Winkel der Lofoten - genauer gesagt auf der Insel Moskenesøya. Es ist der letzte Ort, den man auf der wunderschönen Insel auf dem Landweg erreichen kann.

Stockfisch war, bis es gegen Ende des 20. Jahrhunderts vermehrt Tourist/innen dorthin verschlug, die mit großem Abstand wichtigste Einnahmequelle der Bewohner/innen im Norden von Norwegen. Die höchste Stockfisch-Qualität wird dabei seit jeher auf den Lofoten erzielt. Die zur Produktion am besten geeignete Fischart ist der Kabeljau (Dorsch), aber auch Seelachs, Leng, Lumb und Schellfisch werden verwendet.

Die Stockfische schrumpfen auf 23 Prozent

Stockfisch ist ein natürliches Produkt, frei von künstlichen Zusatzstoffen. Nach dem Fang werden Innereien und Köpfe entfernt, zwei Fische an den Schwanzflossen zusammengebunden und zum Trocknen aufgehängt. Stockfische werden ausschließlich durch Lufttrocknung haltbar gemacht. Dazu haben die Fischerinnen und Fischer auf den Lofoten unzählige Trockengestelle in die Landschaft gestellt - hölzerne Gerüste, auf denen die Fische angebunden werden, um danach monatelang zum Trocknen an der frischen, salzigen Lofoten-Luft zu hängen.

  • Dorf, Häuserzeile neben Wasser, Lofoten

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  • Stockfischtrocknung, Lofoten

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Die Holzgerüste prägen die Landschaft heute genauso wie die vielen Fjorde und mächtigen Felswände. Von Ende Jänner bis Ende März hängen die Fische auf den Trockenstangen. "Sie tanzen im Wind", sagt Steinar Larsen, und verlieren dabei den Großteil ihres Körpergewichts. Dieses schrumpft dann auf 23 Prozent des Ursprungsgewichts. Früher konnte der Fisch auch noch im April hängen, doch der Klimawandel verunmöglicht das heute. Mittlerweile sei es im April einfach zu warm, meint Steinar Larsen.

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Bereits die Wikinger ernährt

Der haltbare Stockfisch diente schon vor Jahrhunderten der Versorgung von Schiffsmannschaften. Bereits die Wikinger führten auf ihren Reisen Stockfisch als Nahrungs- und Tauschmittel mit. Auch auf den Schiffen, die in der frühen Neuzeit zur Eroberung Amerikas über den Atlantik fuhren, war der konservierte Fisch von entscheidender Bedeutung.

Wichtigster Abnehmer heute ist Italien, sagt Larsen. 80 Prozent des Exports gehen in das Mittelmeerland. Da dort allerdings vor allem Restaurants beliefert werden, brach der Markt in den vergangenen beiden Jahren massiv ein. Schließlich blieben in Italien die Restaurants während der Coronazeit monatelang geschlossen.

Gestaltung

  • Matthias Haydn