Nachruf auf einen Reisenden

12. März 2022, 02:00

Vielseitigkeit, Phantasie und Weltoffenheit - selten findet man eine Kombination dieser wunderbaren Eigenschaften mit zwei weiteren Attributen verbunden: Verlässlichkeit und Freundlichkeit. Bei Nikolaus Scholz kam noch etwas dazu: eine große Produktivität im inspirierten Elan des Radiomachens.

Im Ö1 Archiv könnte man einen eigenen "Saal" einrichten, einen Nikolaus Scholz gewidmeten "Hör-Raum", in dem eine beeindruckende Zahl der unterschiedlichen Produktionen seines langen, vielseitigen und überaus erfolgreichen Radioschaffens abzurufen sind: von Features und Hörspielen bis zu Wissenschafts- und Bildungsserien.

Entdecker, Vermittler und Ermöglicher

Als Producer der "Nachtbilder" gestaltete er einen programmatisch offenen akustischen Raum für die lyrische Produktion unterschiedlicher Generationen, neuer Stimmen und Richtungen. Ein redaktioneller Entdecker, Vermittler und Ermöglicher, mit nachhaltiger Leidenschaft für das Genre. Als Mitarbeiter des Reisemagazins "Ambiente" öffnete er mit seinem Mikrofon auf zahlreichen "Erst-Begehungen" akustische Türen auf ungewöhnlichen Routen, die spannende Begegnungen und neue kulturelle Kontexte authentisch vermittelten.

Ein Reisender im umfassenden Sinn, der die eigene Sehnsucht nach Neuem mit dem Einfangen von Geräuschen und Musik, Stimmen und Stimmungen, akustischen "Bildern" und atmosphärischem Storytelling zu einer Tour des Erlebens und Erkennens verband. Auch die genuine Freude an Begegnungen und guten Gesprächen und nicht zuletzt auch das kulinarische "Eintauchen" und Verweilen auf den Basaren, Marktplätzen und in den Küchen dieser Welt gehörte dazu.

Producer zahlreicher Sendereihen

Die lebensbegleitende Freude am akustischen Handwerk des Radiomachens, am spielerischen Umgang mit der Erschaffung einer "Welt im Kopf", verband sich bei ihm mit einem großem Wissensurst und dem Esprit der Wissensvermittlung. In einem breiten Spektrum an Wissenschafts- und Bildungsendungen - vom Bauhaus als "Zukunftsschmiede der Moderne", über "Pflege in Österreich. Bedarf und Bedürfnisse" bis zur "Kunst des Schlafens" - transformierte er den eigenen Lernprozess und Erkenntnisgewinn mit neuen Zugängen zu einem Mehrwert an Wissen, den er leichtfüßig und radiophon-unaufdringlich an die Zuhörerschaft vermittelte.

Auf diesem Weg wurde er nicht nur als Gestalter, sondern auch in der Redaktion des "Radiokollegs", des "Bildungsflaggschiffs" von Ö1, zu einer unverzichtbaren Stütze bei der Betreuung und Produktion zahlreicher Sendereihen. Seine Vielseitigkeit, Offenheit und Verlässlichkeit machten ihn auch in diesem Kontext zu einem "Reisenden" innerhalb unseres Senders, der verschiedene redaktionelle Kulturen durch sein Wirken und Mitwirken auf unverwechselbare, fantasievolle Weise - und nicht zuletzt auch durch sein freundliches Wesen - verband.

Im vergangenen Jahr trug er als Leiter des Ö1 Innovations-Projektes "Gewonnene Jahre" wesentlich zum Erfolg dieser Initiative für "Neue Wege ins Alter" bei. Dass er nun kurz vor seiner eigenen Pensionierung so unvermutet aus einem immer noch jugendlich und offen für die Zukunft anmutenden Leben gerissen wurde, hat uns tief erschüttert. Er wird uns sehr fehlen.

Martin Bernhofer, Ö1 Programmchef