Ekaterina Protsenko

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Neue Oper Wien

Gerd Kührs "Stallerhof"

Mit seiner Oper "Stallerhof" nach dem sozialkritischen Theaterstück von Franz Xaver Kroetz feierte der österreichische Komponist Gerd Kühr 1988 seinen Durchbruch. Nun steht "Stallerhof" am Spielplan der Neuen Oper Wien. Premiere ist am 17. Februar.

Eine Bauernfamilie, mittellos und sozial isoliert, fristet auf dem entlegenen Stallerhof ihr Dasein. Konflikten begegnet man hier mit Gewalt und Demütigungen - besonders gegenüber der vermeintlich zurückgebliebenen Tochter Beppi. Mit ihr spricht nur der junge Knecht Sepp auf Augenhöhe, doch er nutzt die Situation aus und macht Beppi zu seinem Sexualobjekt.

"Eines der stärksten Stücke am Theater"

Gibt es einen Ausweg, kann sich Beppi emanzipieren? Diese Frage stellte der Autor Franz Xaver Kroetz in seinem milieukritischen Stück "Stallerhof", das 1972 in Hamburg uraufgeführt wurde. "Für mich war es eines der stärksten Stücke, die ich damals am Theater gesehen hatte und kannte", erinnert sich der Komponist Gerd Kühr.

Franz Gürtelschmied und Anna Hauf, Ekaterina Protsenko im Hintergrund

Franz Gürtelschmied (Staller) und Anna Hauf (Stallerin), im Hintergrund Ekaterina Protsenko (Beppi)

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Gut ein Jahrzehnt später ergriff er im Auftrag der ersten Münchener Biennale die Chance, "Stallerhof" als Oper zu adaptieren - und stand vor der Aufgabe, ein Stück, für das der Autor eine Unzahl von Textpausen vorschrieb, musikalisch umzusetzen, ohne die Musik als reines Füllmaterial zu verwenden.

Kühr, einst ein Schüler Hans Werner Henzes, entschied sich für ein vielschichtiges Instrumentarium: Neben einer reichhaltigen Schlagwerkgruppe findet sich da etwa die ganze Klarinetten- und Flötenfamilie im Orchester. Akribisch vertont er alle Stimmungslagen und lässt auch Folklore anklingen. Gesungen wird im Dialekt, der Milieu-Realismus des Originalstücks findet sich somit auch in der Oper wieder. Für die junge Regisseurin Shira Szabady behandelt "Stallerhof" zugleich brisante Fragen der Gegenwart, etwa das Thema Missbrauch.

Täter und Opfer

"Ich habe mir sogar Selbsthilfegruppen angeschaut", sagt Szabady, die im kommenden Herbst ihr Studium der Musiktheaterregie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien abschließt und mit "Stallerhof" ihr Regiedebüt gibt. "Ich habe mich mit der Täter- und der Opferseite, und auch mit der Familienperspektive beschäftigt. Es sind Erfahrungen, die viele von uns selbst gemacht haben."

Im ehemaligen Semperdepot lässt Szabady die Figuren auf einer stufenförmigen Tribüne agieren und setzt dabei auch die imposanten Säulen der klassizistischen Architektur in Szene.

F. Gürtelschmied, E. Protsenko, J. Tolksdorf

Ekaterina Protsenko, Franz Gürtelschmied und James Tolksdorf (Sepp)

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Premierenabend mit Preisverleihung

Mit "Stallerhof" landete Gerd Kühr 1988 seinen ersten Erfolg; seine mittlerweile vierte Oper "Paradiese" wurde erst letztes Jahr in Leipzig uraufgeführt. „Ich wollte schon längst einen Gerd Kühr machen“, sagt Walter Kobéra, Intendant der Neuen Oper Wien. "Mir ist auch einmal die Partitur von ‚Tod und Teufel‘ nach Peter Turrini in die Hand geflogen - ebenso ein hervorragendes Stück, aber es hat unseren finanziellen Rahmen gesprengt. Vielleicht kommt’s einmal."

Zur Premiere am 17. Februar hat Kobéra jedenfalls einen weiteren Grund zur Freude: Für die Arbeit der letzten beiden Jahrzehnte wird die Neue Oper Wien mit dem Preis der Deutschen Theaterverlage ausgezeichnet; die Verleihung erfolgt im Anschluss an die Vorstellung.

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