ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
"Manifest 58 / IRGENDWOHER"
Bestes Originalhörspiel 2021
Eine Fachjury wählte aus vierzehn, eigens für das Hörspiel geschriebenen und umgesetzten Stücken das beste Originalhörspiel des Jahres. Bereits zum zweiten Mal ging diese Auszeichnung an die österreichische Autorin FALKNER.
28. März 2022, 02:00
"Herauszufinden, ob das, was man hört, genuin für das Hörspiel gemacht ist," das war die Aufgabe der Jury für das beste Originalhörspiel 2021, bestehend aus Margarete Affenzeller ("Der Standard"), Daniel Hadler ("Kleine Zeitung"), Hedwig Kainberger ("Salzburger Nachrichten"), Norbert Mayer ("Die Presse") und Stefanie Panzenböck ("FALTER"). Ein wesentliches Beurteilungskriterium war, ob die entsponnene Gedankenwelt oder Geschichte "mit den Mitteln des Hörens ihre wirkliche Bedeutung erfahren kann", so Stefanie Panzenböck. Eine Aufgabe, die der Jury viele Stunden höchster Aufmerksamkeit und konzentrierten Hörens abverlangte.
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
"Einmütig“ für Manifest 58 / IRGENDWOHER
Die Zustimmung aller Jurymitglieder erfuhr schlussendlich "Manifest 58 / IRGENDWOHER" von FALKNER. Für die in Wien lebende Autorin ist es bereits die zweite Auszeichnung in dieser Kategorie - letztmalig wurde sie für "Manifest 44" aus dem Jahr 2014 geehrt.
In der Entstehung ihrer Stücke geht FALKNER vorzugsweise zuerst vom eigenständigen dramaturgischen Bogen der einzelnen Figuren aus. So wurden auch in "Manifest 58" die Stimmen und Geschichten der Akteure gesondert aufgenommen und danach miteinander verwoben. Erst auf diese Weise entstandenen die fortwährende Spannung und jenes für "Manifest 58 / IRGENDWOHER" prägende Ringen der Figuren mit sich und ihrer Geschichte.
Ausschnitt aus Manifest 58
Jurybegründung:
Zwei Personen - Ivan als junger Mann und Ivan als Kind - führen uns durch 40 Minuten Hörspiel. Den Raum, den wir zu Beginn betreten, eröffnet uns ein Saxofon. Das körperliche Spiel des Instruments lässt eine weitere Figur entstehen. Das Saxofon ruft, fragt, klagt an. Wolfsheulen ertönt.
Dann hebt die Stimme des Kindes an. Es sitzt am Bett des schlafenden Vaters und bittet um Aufmerksamkeit und Liebe, um Berührung und Zärtlichkeit. Darauf folgt die Stimme Ivans als Erwachsener. Die kindliche Sehnsucht wird abgelöst von einer Düsternis, die sich aus etwas Schrecklichem speist, das zwischen den beiden liegt, zwischen Ivan, dem Kind und Ivan, dem jungen Mann. Dieser berichtet davon, seine Eltern getötet zu haben, erzählt von Wunden, die ihm der Vater zugefügt hat, von Narben, die geblieben sind.
Die Schauspielerin Janina Stopper spricht Ivan, das Kind, der Burgtheaterschauspieler Max Gindorff Ivan, den Erwachsenen. Die beiden interpretieren ihre Rollen hervorragend, loten jegliche Emotion der beiden Protagonisten aus. Eine Beziehung wird hörbar, jenseits konkreter Erlebnisse. Denn sowohl der Raum als auch die Geschichte zwischen Ivan und seinem Vater bleiben abstrakt. Selbstgespräche überlagern sich zu Dialogen, Empfindungen, die benannt werden, eröffnen rätselhafte und dämonische Abgründe. Wir bewegen uns auf unsicherem Terrain und können dennoch nicht aufhören, die Stimmen verstehen zu wollen.
Das Stück verträgt keine nüchterne Distanz. Es ist ein psychologisches Spiel, das die Hörerinnen und Hörer anzieht und wieder abwirft, immer aber bewegt. Durch den Einsatz unterschiedlicher Tempi, die hohe Musikalität und die Kraft der Stimmen hält die Spannung bis zum Schluss.
Die Jury entschied sich, dieses Jahr das Hörspiel „Manifest 58 / IRGENDWOHER“ von FALKNER auszuzeichnen.
Die österreichische Schriftstellerin und Performancekünstlerin Michaela Falkner schafft mit ihrem neuen Stück ein pures Hörerlebnis, das von Minute zu Minute an Intensität gewinnt. Diese ist neben der sprachlichen Vehemenz, die das Stück entwickelt, auch der eindrücklichen musikalischen Ebene zu verdanken, für die der Poet und Musiker Michael Lentz verantwortliche zeichnet.
"Manifest 58" gewinnt zudem beim Wiederhören. Ein nicht zu unterschätzendes Kriterium für die hohe Qualität des Stücks.
Stefanie Panzenböck
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Für den Ton war Martin Leitner und für den Schnitt Manuel Radinger verantwortlich. Eine Produktion des ORF Kunstradios 2021.
Wir gratulieren der Autorin und allen Mitwirkenden!
Service
Hörspiel-Datenbank - Manifest 58