ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Die besten Kurzhörspiele
Track 5' - Probieren wir's aus
Zum 18. Mal wurden beim Kurzhörspielwettbewerb Track 5' packende, verspielte und unterhaltsame Eigenkreationen gesucht. Aus 175 Einreichungen wählten die Jurys von Ö1 und der schule für dichtung die Siegerstücke. Nun stehen die Gewinner:innen fest.
28. März 2022, 02:00
"Probieren wir's aus" - unter diesem Motto stand der diesjährige Track-5'-Wettbewerb und jeder und jede waren eingeladen, sich in der Hörspielkunst auszuprobieren: von Laien bis zu Vollprofis, von Einzelkünstler:innen bis zu ganzen Schulklassen.
"Probieren wir's aus" - dieser Satz sollte auch im Hörspiel selbst vorkommen. Darüber hinaus durfte das Stück nicht länger als fünf Minuten lang sein und musste einen selbst aufgenommenen Originalton beinhalten.
Auf ganz unterschiedliche und stets kreative Weise wurden diese Vorgaben umgesetzt.
Packend bis zur letzten Sekunde
Was zeichnet ein gelungenes Kurzhörspiel aus? Diese Frage hatte sich die sechsköpfige Fachjury zu stellen. Während sich manche vor allem an humorvollen Produktionen erfreuten, waren andere von surrealen Klangspielereien fasziniert. Für Jörg Piringer (Autor und Soundkünstler, schule für dichtung) galt die Devise: "Hauptsache keine Klangschale", wie er schmunzelnd verriet. Und Christine Ehardt (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften, Universität Wien) war von einem Hörspiel dann überzeugt, wenn es bis zur letzten Sekunde ihre Aufmerksamkeit gewinnen konnte.
Jurorin Christine Ehardt erklärt ihren - professionellen - Zugang zum Radio.
Neben den beiden gehörten auch Claudia Gschweitl, Sandra Herbsthofer und Alexandra Wimmer (alle Ö1) sowie Fritz Ostermayer (schule für dichtung, FM4) der Fachjury an. Sie kürten die drei besten Kurzhörspiele 2021 und vergaben den Sonderpreis der schule für dichtung.
Viele Stimmen in einem Sprachrohr
Stephan Tikatsch hat eine kritische, akustische Auseinandersetzung mit dem Meinungsdurcheinander aus zwei Jahren Pandemie gewagt. Damit hat er die Jury vollends überzeugt und gewinnt den mit 1.000 Euro dotierten Preis der schule für dichtung.
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Jurybegründung
"Stephan Tikatsch schafft in 'Einander Durch' einen anarchischen Solo-Sprachchor, der von Versuch und Irrtum in Linguistik und Pandemiebekämpfung erzählt. Er zeigt, dass jedes Experiment riskant und beständig von einem plötzlichen Ende bedroht ist. Die deutsche Grammatik kann eine harmlose Vorsilbe mit einem Schlag an das Ende des Satzes katapultieren und das ‚Ausprobieren‘ in ein finales 'Probieren wir es? Aus!' verwandeln. In unter zwei Minuten werden hier die letzten zwei Jahre gewitzt zusammengefasst, ohne jemals plakativ zu werden.
Jörg Piringer
Preis der schule für dichtung: Einander Durch
Ein Sieger ohne Facebook-Freunde
Wann wird ein Laut zum Wort? Wann endet Sprache und wo beginnt die Musik? In Adi Traars "Sprachshow" verwischen diese Grenzen und umso mehr tritt der Rhythmus der Sprache hervor. Zugleich ist das Hörstück ein ironischer Blick auf den von Facebook, Twitter und Instagram abhängig gewordenen Kunstbetrieb. "Sprachshow" wurde zum besten Kurzhörspiel gewählt und ebenfalls mit 1.000 Euro prämiert.
Adéla Traar
Ganz ohne Klicks und Sharing der social media community konnte das Hörstück die Fachjury inhaltlich als auch akustisch überzeugen:
Jurybegründung
"Es beginnt als Lautgedicht, wird schnell zur Werbeeinschaltung in eigener Sache - voten sie für mich! - und mündet bald in ein Verarschung narzisstischer Künstleregos in den sozialen Medien. Immer aber bleibt dieses Schelmenstück eine rhythmische Performance zwischen Wortklang und Sprachmusik, zwischen semantischer Bedeutung und deren Auflösung im Beat der Lautmalerei. Dass das Ganze auch einen feinen Unterhaltungswert besitzt, sagt schon der Titel: Sprachshow! Dass der Autor Adi Traar Musiker ist, hätte der Erwähnung in seiner Kurzbio gar nicht bedurft. Das hört man sofort. Wir gratulieren herzlich zum Sieger-Stück von Track 5'."
Fritz Ostermayer
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1. Platz SPRACHSHOW
Von Damenmode zum Fallschirmanzug
Der zweite Platz und damit 500 Euro Preisgeld gingen an Armela Madreiter und Hjörtur Hjörleifsson mit ihrem Hörspiel "Der fliegende Schneider". Es ist die Geschichte einer historischen Figur anfangs des 20. Jahrhunderts:
Jurybegründung
"Ein österreichischer Schneider im Paris der Jahrhundertwende will hoch hinaus, sein selbstgeschneiderter Fallschirmanzug soll ihn sicher vom Plateau des Eiffelturms hinuntertragen, kann dieser Versuch wider aller physikalischer Gesetzmäßigkeiten gelingen? Kraftvoll und doch im ruhigen Ton wird uns hier eine spannungsgeladene True-Story vor Ohren geführt, rhythmisch und dramaturgisch mit feiner Klinge inszeniert, hat das akustische Biopic über den unbeirrbaren Erfinder und tragischen Helden Franz 'François' Reichelt die Jury quasi im Flug erobert."
Christine Ehardt
2. Platz Der fliegende Schneider
Ruhig Blut beim Fotografieren
Auf den dritten Platz wählte die Jury "Herrjemine, geruckelt" von Thomas Glatz. Auch dieser Preis war mit 500 Euro dotiert. Wie schwer es sein kann, mit der Handykamera ein Foto zu schießen, illustriert dieses Hörspiel auf humoristische Weise:
Jurybegründung
"Zwei leicht umständliche Damen auf einer Überlandbusfahrt. Die eine erklärt der anderen Kamera- und Send-Funktionen ihres Handys. Das komische Getuschel und Genuschel der beiden erinnert an aberwitzige Dialoge von Karl Valentin und Liesl Karlstadt, nur dass der Autor Thomas Glatz gleich beide Rollen selber spricht. Und so schrullig wie er dabei die Worte 'Herrjemine' und 'Ruhig Blut' betont, gebührte ihm auch gleich noch die Helge-Schneider-Humorplakette in Beige. Wir gratulieren herzlich zu Platz 3 und danken für diesen großen Spaß."
Fritz Ostermayer