Kunstwerk von Rachel Harrison

HARRISON

Radiokolleg | 12 04 2022

Positionen in der Kunst: Rachel Harrison

Rachel Harrison, geboren 1966 in New York City, gehört zu jener Spezies von Künstlerinnen, die alles aufnimmt, was rund um sie herum vorgeht und in hoher ästhetischer Verdichtung zurückspiegelt, detourniert und reflektiert: Zum Beispiel in der Mid Career-Ausstellung "Life Hack", die vor einigen Jahren im Whitney Museum installiert wurde. Man sieht eine nackte, weibliche Schaufensterpuppe, die auf der Rückseite ihres Kopfes eine Abraham Lincoln-Maske trägt und auf einem Meteoriten aus Gips steht, der im Stile des abstrakten Expressionismus mit bunten Farben wild bemalt wurde.

Rachel Harrison, deren Arbeit im Rahmen einer urbanen "Junk Culture" manchmal ein wenig an den verstorbenen Kollegen Mike Kelley erinnert, der ebenfalls von den Mysterien und Ritualen des Alltags fasziniert war, hat ihre Materialorganisationen seit den 1990er Jahren in einer Vielzahl von Ausstellungen immer weiter verfeinert und ausgebaut. Oft erinnert das an jene Art von urbanen Stilleben, die man an New Yorker Gehsteigen sehen kann, bevor der Müllwagen kommt: Flaschen, kaputte Haushaltsgeräte, verrottete Lebensmittel, ausrangierte Christbäume. Was gelegentlich beim Betrachter leichten Ekel und Befremden auslösen kann, verwandelt sich beim genaueren Hinsehen schnell in ein Informationsdispositiv: Es geht um Aspekte des Kommerzes, um Gier, Verbrauch, Klasse, Form, Farbe und Zeitgeist. Hier akkumuliert Material für jene angeblich "8 Millionen Geschichten", die, so ein populäres Diktum, in New York zu finden seien. Doch Rachel Harrison formuliert sie nicht aus, sondern überlässt sie der Imagination der Betrachterinnen, die daraus ihre eigenen Mikro-Narrative entwickeln.
Gestaltung: Thomas Mießgang

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