Mann und Frau, im Hintergrund das Kapitol

FILMLADEN FILMVERLEIH/ANDREAS HÖFER

Kino

"Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush"

Von Jänner 2002 bis August 2006 wurde der Deutschtürke Murat Kurnaz aus Bremen im US-Gefangenenlager Guantanamo festgehalten, ohne Anklage und Gerichtsverfahren. Dass er schließlich freikam ist vor allem der Beharrlichkeit seiner Mutter Rabyie Kurnaz verdanken.

Aus ihrer Perspektive rollt der deutsche Regisseur Andreas Dresen den Fall im Film "Rabyie Kurnaz vs. George W. Bush" noch einmal auf. Meltem Kaptan wurde für die Rolle der Mutter bei der heurigen Berlinale mit einem Silbernen Bären für die beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

An Temperament fehlt es der deutschtürkischen Hausfrau Rabiye Kurnaz (Meltem Kaptan) wahrlich nicht, das muss auch der Vorsteher einer Bremer Moschee erkennen: "Bring meinen Sohn zurück, du hast ihn dort hingeschickt", faucht sie ihn an. Doch was war passiert? Der 19-jährige Murat Kurnaz wird im Oktober 2001 in Pakistan festgenommen, schon bald landet er im US-Gefangenenlager Guantanamo. Für Mutter Rabiye beginnt ein jahrelanges Zittern um ihren Sohn, aber auch ein entschlossener Kampf für seine Freilassung.

Ungleiche Paarung

Das offensichtliche Unrecht - Murat sitzt ohne Gerichtsverfahren in Guantanamo - lässt auch den Bremer Rechtsanwalt Bernhard Docke (Alexander Scheer) nicht mehr los. Docke wirkt in sich gekehrt, ruhig, fast reserviert, ganz im Gegensatz zu Rabiye, ein ungleiches Duo also, das Regisseur Andreas Dresen mit liebevollem Blick durch die Höhen und Tiefen ihres Kampfes führt. Letztlich wird eine Freundschaft daraus.

Erfrischend ist Rabiyes soft unschuldig-naiver aber umso mehr pragmatischer Zugang zu den Konventionen der internationalen Politik: Andreas Dresen: "Rabiye stellt natürlich genau jene Fragen, die man sich als Zuseher im Kino stellen sollte. Denn die Weltpolitik wird auch von Menschen gemacht und muss sich auf ihre Absurditäten hin befragen lassen."

Im Flugzeug: Frau schäft an der Schulter eines Mannes

Meltem Kaptan (Rabiye Kurnaz) an der Seite von Alexander Scheer (Rechtsanwalt Docke)

FILMLADEN FILMVERLEIH/LUNA ZSCHARNT

Versagen deutscher Politik

Viel Schriftverkehr, mehrere Reisen in die USA, viel Geduld, mal Hoffnung, dann wieder Enttäuschung; politische Intrigen und Versäumnisse, auch seitens deutscher Behörden und Politik, war doch die CIA schon 2002 bereit, Murat Kurnaz wieder nach Deutschland zurückzuschicken.

Souverän findet Andreas Dresen, die Balance zwischen der menschlichen Tragödie und den juristischen Spitzfindigkeiten.

Film wie Entschuldigung

Freilich hätte man den Fall Murat Kurnaz auch in einen Politthriller packen können, doch gerade weil Andreas Dresen in "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" die Erzählperspektive der Mutter wählt, wirbt er erfolgreich um Empathie jenseits amtlicher Sperrigkeiten.

Ein Film, auch wie eine Entschuldigung an Murat Kurnaz, die ihm vom offiziellen Deutschland bislang verwehrt blieb.

Gestaltung

  • Arnold Schnötzinger