POLYFILM FILMVERLEIH
Von Daniel Roher
"Nawalny"-Doku im Kino
Alexej Nawalny ist der wohl bekannteste russische Oppositionspolitiker. Immer wieder hat er sich nicht zuletzt mit Anti-Korruptions-Aktivitäten den Zorn von Wladimir Putin zugezogen, etwa mit der Behauptung, ein staatlich finanzierter Prunkpalast am Schwarzen Meer gehöre dem Präsidenten. 2020 wurde ein Giftanschlag auf Nawalny verübt. Dessen Hintergründe sind ein zentrales Kapitel im Dokumentarfilm "Nawalny".
3. Juni 2022, 02:00
POLYFILM FILMVERLEIH
Am 20. August 2020 fliegt Alexej Nawalny von der sibirischen Stadt Tomsk zurück nach Moskau: Im Flugzeug geht es ihm plötzlich sehr schlecht, man hört Schreie. Der Kapitän macht schließlich eine Zwischenlandung, Nawalny kommt unverzüglich in ein russisches Spital.
Weil seine Familie ihn dort nicht in Sicherheit sieht, wird er nach einigen Verhandlungen nach Deutschland gebracht. Dort stellt das Berliner Krankenhaus Charité die Diagnose: Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok, nicht das erste einschlägige Attentat des russischen Geheimdienstes FSB. "Nowitschok zu verwenden ist quasi wie eine Unterschrift, einfach nur dumm", meint Nawalny im Film.
Fingierte Telefonate
Wie in einem Krimi verfolgt der Film die Suche nach den Tätern, verknüpft dabei Interviews, Archivmaterial, russische Propaganda und Aktivitäten auf sozialen Medien. Eine zentrale Rolle bei der Wahrheitssuche spielt der bulgarische Aufdecker-Journalist Christo Grozew. Er und das Team von Nawalny finden die Täter, eine auf Giftanschläge spezialisierte Einheit des FSB, in im Film gezeigten fingierten Telefonaten entlarven sie sich letztlich selbst.
Alexej Nawalny gewährt dem kanadischen Regisseur Daniel Roher großzügige Einblicke in seine politische, aber auch private Existenz. Auch Roher gerät mit seinen Dreharbeiten unter Beobachtung des russischen Geheimdienstes, wie er selbst meint.
Politisch motivierte Gerichtsprozesse
Seit seiner Rückkehr von Deutschland nach Moskau im Jänner 2021 sitzt Alexej Nawalny nach mehreren politisch motivierten Prozessen im Gefängnis. Dass der Film zu einer Freilassung beitragen könnte, glaubt Regisseur Roher, nicht: "Diese Erwartung wäre eindeutig überzogen, aber der Film kann vielleicht dazu beitragen, die Person Nawalny im internationalen öffentlichen Bewusstsein zu halten und so für mehr Sicherheit im Gefängnis zu sorgen."
Nähe und Distanz
Der Film "Nawalny" zeigt seinen Protagonisten als vor allem medial höchst professionell agierenden Politiker. Aus seiner Haltung macht Regisseur Roher ohnehin kein Geheimnis, versucht aber eine Gratwanderung zwischen notwendiger Nähe und zugleich dem Bemühen um Distanz. Beim Charisma Nawalnys - auch das verdeutlicht der Film - ist letzteres oft ein schwieriges Unterfangen.
Service
Gestaltung
- Arnold Schnötzinger