Gemälde von Maria Lassnig, Ausschnitt des Buchcovers

MARIA LASSNIG STIFTUNG

Arbeitsgespräche mit Apfelstrudel

Maria Lassnig und Hans Ulrich Obrist

"Man muss einsteigen in die Malerei mit beiden Füßen", das sagte die Grande Dame der österreichischen Malerei, Maria Lassnig, in einem Interview mit einem Mann, der heute zu den einflussreichsten Personen der zeitgenössischen Kunst zählt. Einige Male stand Maria Lassnig dem Schweizer Kurator Hans Ulrich Obrist Rede und Antwort und gab Einblicke in ihr Denken und Arbeiten. Jetzt sind diese Interviews in Buchform erschienen.

„Interviews! Sich ausfragen zu lassen. Der Fragende weiß ja nicht, welche Fragen mir im Moment fraglich sind!“ Gleich auf den ersten Seiten wird klar, diese Frau hat es ihrem Gegenüber nicht leicht gemacht. Doch ihr Sparring-Partner, Hans Ulrich Obrist, heute Direktor der Londoner Serpentine Gallery und viel bewunderter Tausendsassa der zeitgenössischen Kunst, schaffte es immerhin einige Male, die eigensinnige Malerin zum großen Gedankenaustausch zu bitten. Arbeitsgespräch mit Apfelstrudel nennt Obrist diesen Pas de deux. „Wenn ich sie besucht habe, hat sie Apfelstrudel serviert. Eigentlich esse ich kaum Zucker, aber bei ihr habe ich natürlich eine Ausnahme gemacht. Wir haben gegessen und über gemeinsame Projekte gesprochen“, erinnert sich Hans Ulrich Obrist.

Buchcover

MARIA LASSNIG STIFTUNG

Das Interview als Kunstform

Fünf Interviews über die Grenzen von Malerei und Fotografie, über Farbräume und Körperbewusstsein, über Ruhm und Vergänglichkeit - geführt zwischen 1999 und 2012 - sind nun in einem Band vereint, den die Maria-Lassnig-Stiftung herausgegeben hat. Dieser zeigt nicht zuletzt, warum der kecke und beredte Fragensteller, Hans Ulrich Obrist, die Form des Künstlerinterviews zu seiner Trademark gemacht hat. „Bei unseren Begegnungen gab es immer großartige Gespräche, aber Maria Lassnig wollte eigentlich nicht, dass diese Gespräche aufgezeichnet werden. In unserer fast 30-jährigen Freundschaft hat sie nur alle paar Jahre eingewilligt, ein Gespräch aufzuzeichnen.“, so Hans Ulrich Obrist, „Ich habe es immer wieder versucht, weil ich auch dachte, dass es wichtig ist, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Aber ihr war das Format einfach nicht geheuer.“

Mit dem Nachtzug in die Ateliers Europas

Bereits als 17-jähriger reist der Schweizer Hans Ulrich Obrist mit dem Nachtzug in die Metropolen Europas, um Künstlerinnen - tatsächlich sind es vor allem Frauen - in ihren Ateliers zu besuchen. Wir schreiben die 1980er Jahre erstmals treten lange übersehene weibliche Positionen auf die Bühne der Kunst, die lange von männlichen Malerfürsten dominiert worden ist. Das Werk der bereits damals betagten Louise Bourgeois wird entdeckt und gefeiert. Hans Ulrich Obrist will Künstlerinnen aufspüren, die wie Bourgeois viel zu lange auf Anerkennung warten mussten und stößt auf das eigenwillige Werk Maria Lassnigs. „Ich habe Rosemarie Trockl in Köln besucht und sie meinte damals, es sei schön, dass Louise Bourgeois endlich gebührend wahrgenommen werde, aber eigentlich müsse man in jede Stadt Europas reisen und nach der Louise Bourgeois dieser Stadt suchen“, erinnert sich Hans Ulrich Obrist, „Als ich nach Wien kam, nannten sämtliche Künstler der jüngeren Generation - darunter auch Erwin Wurm - den Namen Maria Lassnig.“

2006 wird Hans Ulrich Obrist zunächst Co-Direktor der Londoner Serpentine Gallery. Der Gymnasiast, der 1985 unvermittelt in Maria Lassnigs Wiener Atelier aufgetaucht ist, hat es in die erste Liga des Kunstbetriebs geschafft. Eine seiner ersten großen Ausstellungen in London widmet er Maria Lassnig. Es ist eine Schau, die endgültig klar macht, dass diese Künstlerin, die Zeit ihres Lebens nicht malte was sie sah, sondern was sie spürte, gekommen war, um für immer zu bleiben.

Service

"Interviews mit Maria Lassnig", Hans Ulrich Obrist, Hrg. Maris Lassnig-Stiftung

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