Frau schaut auf ihre Fitness-Watch

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Matrix

Selbstoptimierung durch Smartwatch und Fitness-Apps

Die Intervallfasten-App sagt uns, wann wir essen dürfen und wann nicht - und wir beichten ihr kleinlaut, ob wir uns daran gehalten haben.

Die Smartwatch rechnet mit, wieviel wir uns diese Woche bewegt haben und misst unseren Blutdruck. Das Fitnessprogramm der VR-Brille zeigt uns genau an, wie viele Punkte wir im virtuellen Radrennen erreicht haben und welchen Platz wir jetzt auf der Weltrangliste belegen. Oh, neuer Rekord! Das müssen wir sofort auf Instagram posten.

Unsere eigenen Körperfunktionen und unsere sportlichen Leistungen zu vermessen, liegt im Trend. Die Pandemie hat eine neue Sensibilität für die eigene Gesundheit und Fitness geschaffen. Aber auch der nahende Sommer kann ein Trigger für die körperliche Optimierung und die Benutzung eines Schrittzählers sein, wie Franz Zeller, Ö1 Redakteur und Leiter der Matrixredaktion, berichten kann:

Zwei Personen schauen auf ihre Smartwatch

Fitness, Matrix, Smartwatch

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Läuft

Eines vorweg: Was Sie hier gleich lesen werden, schreibe ich mit ausdrücklicher Genehmigung der Unaussprechlichen. Es ist nämlich so, dass sich der Sommer nähert. Die Liebste hat also die Deka zusammengezählt, die sie unter ihren Kleidern stören, und einen Schrittzähler an ihr Handgelenk geschnallt. Der Mann an sich kann in solchen Fällen hundertmal betonen, dies sei vielleicht aus Gründen der Fitness gut, aber morphologisch völlig unnötig: Es wird ihm sowieso nicht geglaubt. Deshalb passiert es jetzt öfter, dass die sportbewegte Frau um 23.51 Uhr auf ihre schrittzählerbewehrte Uhr schaut, erschrocken aufschreit, eine vierstellige Zahl ruft, die noch fehle, und dann wiederholt die Wendeltreppe rauf und runter hüpft, als würde das flinke Geißlein von einer Hornisse verfolgt.

So recht vertraue ich dem Ding am Handgelenk der Liebsten ja nicht. Denn vor einiger Zeit überstellten wir für den Schwiegervater ein waldgängiges Auto in den Süden Österreichs. Es war eines dieser Retro-Gefährte mit einem einzigen elektronischen Bauteil (Zündkabel samt Batterie), das offenbar auch völlig auf Stoßdämpfer verzichtet hatte. So holperten wir denn gen Kärnten. Als wir nach dem Ritt ausstiegen, zeigte der Schrittzähler der Unaussprechlichen 57.000 Schritte an und die Bandscheiben brummten ein dunkles Lied.

Nun hat die Frau meines Herzens entdeckt, dass sich ein ähnlicher Effekt auch beim Zwiebelhacken erzielen lässt. Jüngst bereitete sie deshalb um halb zwölf Uhr nachts noch ein Curry für die Buben zu, weil dies die Zahl an ihrem Handgelenk schnell gen 10.000 trieb.

Ich trage mich bereits mit dem Gedanken, ein Kochbuch unter besonderer Berücksichtigung seiner schrittvermessenden Tauglichkeit zu verfassen. Zuoberst würde ich Gulasch empfehlen, wenn denn noch etwas zur formalen Fitness fehlt (ebenso viel Zwiebel wie Fleisch, als Grundregel. Man kann es auch mit Soja zubereiten, um die Rinder zu verschonen).

Wenn die Liebste laufen geht, vergisst sie übrigens eh auf den Schrittzähler. Weshalb ich diese Kolumne mit ihrem Einverständnis auch liebevoll „Und sie bewegt sich doch“ nennen wollte.

Oh, es riecht nach Gulasch.

Der Sommer kann kommen.

Fitness-Apps können auch ungesund werden

Leistungs- und Konkurrenzdruck in der Freizeit, das ständige Gefühl unzulänglich zu sein, kann an der Psyche nagen. Außerdem generieren wir durch die permanente Selbstvermessung eine enorme Fülle an Daten. Die verraten viel über unsere Persönlichkeit und helfen den Plattformen, unsere Konsument:innenprofile zu verfeinern.

Viele dieser selbst erzeugten Daten wären aber auch für die medizinische Forschung von Interesse. Und angenommen, eine künstliche Intelligenz kann in Zukunft aufgrund dieser Datenfülle unsere Lebens- und Krankheiterwartung berechnen: Was heißt das für die Gestaltung unserer künftigen Gesundheitssysteme? Ein Matrix von Ulla Ebner, Anna Masoner, Irmi Wutscher und Franz Zeller über den Drang zur Selbstvermessung und Selbstoptimierung.

Service

JFF – Institut für Medienpädagogik: "Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit Self-Tracking im Freizeitsport
Mozilla Foundation: "Privacy Not Included – Mental Health Apps"
Studie "Entsolidarisiert die Smartwatch?"