Gerhard Roth

APA/ROLAND SCHLAGER

"Die Imker"

Gerhard Roths literarisches Vermächtnis

Gerhard Roth wäre am 24. Juni 80 Jahre alt geworden, im Februar starb er überraschend. Nun ist sein letzter Roman "Die Imker" mit Aquarellen von Erwin Wurm erschienen. Was als reich bebilderte, feierliche Neuerscheinung zum 80er gedacht war, liest sich posthum wie das literarische Testament des Schriftstellers, Essayisten und Fotografen.

Die Apokalypse kommt an einem 1. April und legt sich als gelber Nebel über die Welt: Menschen und Tiere lösen sich in Luft auf, zurück bleiben lediglich ihre Kleider und Habseligkeiten - und all jene, die bisher in Gefangenschaft waren: Zirkustiere, Häftlinge, die Bewohner eines SOS-Kinderdorfes oder der psychisch kranke Ich-Erzähler Franz Linder und seine Gugginger Künstlerfreunde.

Für die Überlebenden geht es nun daran, das Zusammenleben nach der Katastrophe neu zu organisieren und sich in einer Dorfgemeinschaft zusammenzuschließen. Was benötigt wird, vom Fahrzeug bis zum Lebensmittelvorrat, liegt größtenteils verwaist auf der Straße oder in Geschäften herum. Das bunt zusammengewürfelte Völkchen, darunter auch die titelgebenden Imker, verteilt Arbeit und Güter neu, Lindner wird zum wortkargen Chronisten, der zwei Jahre lang das Zusammenleben dokumentiert und mit Aufzeichnungen seiner Träume und Visionen vermischt.

Autobiografie in Orten und Motiven

Jürgen Hosemann, 22 Jahre lang Gerhard Roths Lektor bei Fischer, sieht in der Figur des Franz Lindner viel von Gerhard Roth: "Zumindest kann ich fast alles, was er in der Fiktion sagt, Roth zuschreiben. Das geht bis ins kleinste Detail", sagt Hosemann, der auch das letzte Buch begleitet und nach dem Ableben des Schriftstellers auf die Welt gebracht hat.

Auch sonst sei "Die Imker" ein Buch voller autobiografischer Motive, Themen und Orte, von Venedig über Hamburg, Wien und Graz bis zu den Weinbergen der Südsteiermark, wo auch Jürgen Hosemann regelmäßig zu Arbeitsgesprächen geladen war: "Gerne unter seinem berühmten Nussbaum, wo rundherum die Hühner pickten und man sich schon fast als Teil des Romans fühlte."

Dringlicher Abschied von der Welt

Zuletzt hatte die Pandemie solche Treffen vereitelt. Die finale Besprechung der "Imker" wurde am Telefon absolviert, kurz bevor sich der Autor Ende Jänner einer geplanten Operation unterzog. "Es war ein dreistündiges Arbeitsgespräch, kein Abschiedsgespräch. Aber die Dringlichkeit dieses Gesprächs für Gerhard Roth war deutlich spürbar", erzählt Jürgen Hosemann. "Er wollte um jeden Preis dieses Projekt abschließen, bevor er ins Krankenhaus geht. Auch wenn er nicht am 8. Februar verstorben wäre, handelt es sich eindeutig um ein Abschiedsbuch, um ein literarisches Vermächtnis."

Buchumschlag

S. FISCHER VERLAG

Ein letztes Mal wird in "Die Imker" Roths literarische Schwermut im Angesicht des Daseins offenbar, ein letztes Mal zeigen sich darin die unermüdlichen Gedankenexperimente an der Schnittstelle zwischen Wahnsinn, Fiktion und Realität, die den Erzählfluss bestimmen.

Das verrückte Künstler-Kind

Roths enge freundschaftliche Verbindung zu den Gugginger Künstlern bestand seit den 70er Jahren. Wie er selbst würden sie die Welt mit Kinderaugen wahrnehmen, wie er stünden sie am Rande der Gesellschaft, buchstäblich ver-rückt und entrückt in ihrem Schaffen, lautete Roths Überzeugung.

Den Abschiedsroman des Grazer Schriftstellers liest Jürgen Hosemann weniger als Dystopie denn als Parabel auf die gegenwärtige Gesellschaft. Gerhard Roth stellte ihr zum Abschied ein ernüchterndes Zeugnis aus und spickte es wie zum Beweis mit skurrilen Thesen, Wortschöpfungen und Exkursen. Ein in mehrfacher Hinsicht schweres fantastisches Erbe.

Service

Gerhard Roth, "Die Imker", mit Aquarellen von Erwin Wurm, S. Fischer

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