Boris Pahor 2009 (alter Mann mit Brille liest)

APA/AFP/GIUSEPPE CACACE

1913-2022

Autor Boris Pahor gestorben

Der der slowenischen Minderheit zugehörige italienische Schriftsteller Boris Pahor ist im Alter von 108 Jahren gestorben. Das berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Der in Triest geborene Literat war noch im Zeitalter der Habsburger im Jahr 1913 zur Welt gekommen.

Boris Pahor, der in dem Triester Vorort Prosecco lebte, gilt als der international bekanntester Vertreter der kritischen slowenischen Gegenwartsliteratur. Nach dem Anschluss Triests an Italien 1918 musste der zur slowenischen Minderheit gehörende Pahor 1920 mit ansehen, wie die Faschisten das slowenische Kulturhaus (Narodni Dom) anzündeten. Nach dem Besuch der slowenischen Volksschule war ihm der Gebrauch der Muttersprache unter dem faschistischen Diktator Benito Mussolini verboten.

Mit seinem Roman "Nekropolis" wurde Boris Pahor 2001 auch international bekannt. Es beschreibt sein Martyrium in mehreren deutschen Konzentrationslagern. Große Literatur und erschütterndes Zeitzeugnis. Bilder, Szenen von einer Eindringlichkeit, die man nicht mehr vergessen kann.

Gewalt und Unterdrückung

Bereits als Kind, lernte Boris Pahor Gewalt und Unterdrückung kennen. Nach vier Jahren Grundschule wurde in Triest der Schulunterricht in slowenischer Sprache verboten. Ein Trauma, das er nie vergessen hat und das auch in seinen Büchern immer wieder thematisiert wird.

"Im Prinzip habe ich, als ich jung war, Dostojewskis 'Erniedrigte und Beleidigte' gelesen und festgestellt, dass eigentlich wir jene Erniedrigten und Beleidigten sind, die wir im italienischen Staat leben und die eigene Sprache und die eigenen Bücher nicht haben dürfen", erinnerte sich Pahor. "Und ich habe dann beschlossen, über diese Menschen zu schreiben. Und meine Bücher handeln davon."

Der Glaube an die Liebe

Bei Mohorjeva Hermagoras sind ab 2009 fünf Bücher in deutscher Übersetzung erschienen. In ihnen geht es immer wieder um totalitäre Regime, um Konzentrationslager, Widerstand, politisches Denken. In einem Satz kurz zusammengefasst: "Lasst nicht zu, dass andere euer Denken bestimmen."

Eines hat sich Boris Pahor aber Zeit seines Lebens bewahren können, den Glauben an die Liebe: "Wenn der Mensch sich mit Hilfe der Liebe rettet, beginnt er wieder daran zu glauben, dass die Welt sich ändern kann."

Spuren totalitärer Systeme im Unterbewusstsein

Sie spielt zum Beispiel in "Die Verdunkelung" und vor allem in "Villa am See" eine ganz entscheidende Rolle. Was passiert, wenn ein KZ-Überlebender sich in eine Frau verliebt, die Mussolini verherrlicht? Welche Spuren hinterlassen totalitäre Systeme im Unterbewusstsein des Menschen?

"In dieser Villa, als ich sie nach Kriegsende besucht habe, war ein Mädchen, das Mussolini verehrte", erzählte Pahor im Ö1-Interview. "Wir haben uns verliebt. So wurde die Liebe wieder zum Thema meiner Literatur. Eine Mutter bzw. eine Frau muss aber immer gegen den Krieg, gegen die Waffen, gegen die Dikatatur, gegen die Knechtschaft sein. Diese Rolle kommt der Frau in meiner Literatur immer wieder zu."

Autobiografische Grundlagen

Radko Suban ist die Hauptfigur in mehreren Romanen Boris Pahors: "Im Labyrinth", "Die Verdunkelung" und in "Kampf mit dem Frühling":

"Im Wesentlichen ist das autobiografisch", erklärte der Autor. "Nicht alles, aber die Grundlinien: Faschismus, Nazismus, Lager, Triest, deutsche Okkupation, Konzentrationslager, Sanatorium, das sind konkret meine Erlebnisse. Selbstverständlich habe ich zusätzliche Dialoge und Teile der Handlung erfunden. Aber das Wesentliche, die groben Züge dieser Gestalt, das ist meine Biografie."

Sprachliche Eigenheiten

Noch mit 96 Jahren sagte Boris Pahor: "Am schlimmsten war, dass mich der Faschismus dazu zwingen wollte, ein anderer zu werden, meine Sprache und meine Identität zu ändern." Und genau das respektieren die beiden Übersetzer Urska Cerne und Matthias Göritz. Sie versuchen nicht, Boris Pahors sprachliche Eigenheiten zugunsten einer vielleicht leichteren Lesbarkeit zu glätten.

Über viele Jahre war er Herausgeber der Zeitschrift "Zaliv" ("Die Bucht").

Auszeichnungen

Im Jahr 2007 wurde Pahor vom damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac zum Ritter der Ehrenlegion geschlagen. Das ist die ranghöchste Auszeichnung des Landes. Seit 2009 war er ordentliches Mitglied der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste. 2010 wurde er mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet.

Anlässlich seines 108. Geburtstags im vergangenen August hatte er einen Besuch des italienischen Journalisten Walter Chiereghin, der ihm sein neu erschienenes Buch mit dem Titel "Boris Pahor, Schriftsteller ohne Grenzen" überreichte.

Text: Red./APA

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Mohorjeva Verlag - Boris Pahor

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