Erich Kleinschuster, 1973

ORF

Ö1 Jazznacht

"Keks" revisited

Wiederentdeckung der einst für den ORF produzierten Musik des Erich Kleinschuster Sextetts in der "Ö1 Jazznacht".

Er war in den späten 1960er und 1970er Jahren für viele in Österreich das Gesicht des Jazz schlechthin. Und darüber hinaus eine szeneprägende Figur, deren Taten als Posaunist, Orchesterleiter, Pädagoge und Impulsgeber bis heute nachwirken: Erich Kleinschuster (1930–2018), der Mann, der von Freund:innen schlicht Keks genannt wurde, der indessen nach außen hin seinem Namen gern den mittels Jusstudium erworbenen Doktortitel voranstellte - in der Nachkriegszeit ein Signal der Seriosität an jene skeptischen Zeitgenoss:innen, die im Jazz noch immer anrüchige "Urwaldmusik" sahen.

Nachdem in seiner Heimatstadt Graz im Jänner 1965 die Pioniertat der Einrichtung einer Jazzabteilung an der dortigen Musikakademie erfolgt war, initiierte Erich Kleinschuster 1968 analog einen Jazzbereich am damaligen Konservatorium (der heutigen Musik und Kunst Privatuniversität) der Stadt Wien. Als Leiter der Abteilung Unterhaltungsmusik war Kleinschuster zudem eine der treibenden Kräfte in Sachen Jazz im 1967 reformierten ORF: Er gründete 1971 die ORF-Big-Band, leitete diese ein Jahrzehnt lang und verschaffte so dem Jazz in Österreich bis dato enorme mediale Präsenz.

Aushängeschild des heimischen Jazz

Als Nukleus der ORF-Big-Band fungierte phasenweise das berühmte Erich Kleinschuster Sextett, das der Posaunist 1966 mit zwei Grazer Weggefährten - dem Pianisten Harald Neuwirth und dem Schlagzeuger Erich Bachträgl - sowie drei Kollegen aus dem Orchester Johannes Fehring in Wien, dem Saxofonisten Hans Salomon, dem Trompeter Robert Politzer und dem Bassisten Rudolf Hansen, gegründet hatte. Ein All-Star-Ensemble, das in den folgenden circa 15 Jahren als Aushängeschild des heimischen Jazz fungierte und in dessen wechselnde Besetzung sich neben österreichischen Musikern wie dem Saxofonisten Karl Drewo, dem Pianisten Fritz Pauer und dem Gitarristen Harry Pepl auch US-Stars wie die Trompeter Art Farmer und Benny Bailey sowie der Bassist Jimmy Woode einreihten.

Durch seine Tätigkeit für den Rundfunk hatte Kleinschuster vor allem in den Jahren 1968 bis 1971 die Gelegenheit zu Radioaufnahmen mit seinem Sextett und renommierten internationalen Solist:innen: Die Sänger:innen Karin Krog und Mark Murphy, die Saxofonisten John Surman und Joe Henderson u. v. a. wurden nach Wien eingeladen, um in ein bis zwei Probentagen ihre Kompositionen zu erarbeiten. Im Anschluss wurde das Programm aufgenommen und in den Sendungen "Jazz mit Erich Kleinschuster" oder "Jazzprofile" vom neu geschaffenen Jugendsender Ö3 ausgestrahlt. Danach verschwand die Musik in den Tiefen des ORF-Archivs im Wiener Funkhaus.

Klingende Schätze auf Platte

Dem verstorbenen Wiener Jazzhistoriker Klaus Schulz kommt das Verdienst zu, in den Jahren 2005 und 2007 zwei Doppel-CD mit diesen klingenden Schätzen erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben: Beide Tonträger sind längst vergriffen und auch auf den einschlägigen Streaming-Plattformen nicht präsent. Doch inzwischen hat die Musik des Kleinschuster Sextetts weitere Kreise gezogen: Frank Parry, Chef des britischen Vinyl-Labels Wallen-Bink Records, zählt zu den Fans. Weshalb im Juli drei Doppel-LP mit Musik des Erich Kleinschuster Sextetts und den Gastsolisten Joe Henderson, Clifford Jordan, Charles Tolliver, Dusko Goykovich, Carmell Jones, Art Farmer und Slide Hampton erscheinen. Zahlreiche Stücke sind dabei erstmals auf Tonträger erhältlich.

Es sind dies Veröffentlichungen, die einen Blick zurück auf eine goldene Ära des Jazz im ORF ermöglichen. Und vielleicht auch einen Blick voraus auf eine anhaltende Wiederentdeckung der Musik Erich Kleinschusters.

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