Plakat der Manifest in Pristina

Manifesta 14

Kunstschau

Pristinas Pioniere: Manifesta eröffnet

Als nomadische Biennale, die ihre Zelte alle zwei Jahre in einer anderen Stadt aufschlägt, zählt die manifesta zu den Highlights des diesjährigen „Superkunstjahres“. 2022 macht die Großausstellung in der kosovarischen Hauptstadt Pristina Station. Seit dem NATO-Bombardement 1999 hat sich die Hauptstadt des jüngsten europäischen Staates massiv verändert. Diese urbanen Transformationsprozesse stehen auch im Fokus der manifesta.

In den oberen Stockwerken des Grand Hotel Pristina geht es dieser Tage hektisch zu. Einst logierte hier Staatsgründer Tito höchstpersönlich, später frequentierten Paramilitärs und heimische Politiker das Hotel im Zentrum der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Den Glanz von einst kann man nur noch erahnen. In dem heruntergekommenen Gebäudekomplex hat sich nun die Kunst breit gemacht.

„Meine Generation hat diesen Ort eigentlich nie als Hotel erlebt. In den 1990er Jahren wurden Albaner und Albanerinnen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Wir durften Gebäude wie das Grand Hotel nicht betreten. Die albanische Bevölkerung lebte in einer Parallelgesellschaft. Man traf sich in Cafés und privaten Räume,“ so Vesa Sahatciu, zuständig für Kultur-Agenden der Stadt Pristinas. Die Kunsthistorikerin hat wesentlichen Anteil daran, dass die Manifesta 2022 hier Station macht. Der Kosovo ist nicht nur die jüngste unabhängige Republik Europas, er hat auch die jüngste Bevölkerung. Da erscheint es nur konsequent, dass viele junge Menschen– zumindest im Kulturbereich – verantwortungsvolle Positionen bekleiden. „Das Grand-Hotel war für mich als Kind wie ein schwarzes Loch. Ich finde es großartig, dass die Manifesta diesen Ort nun bespielt. Es ist ein Ort mit einer langen Geschichte, in den sich unterschiedliche Narrative eingeschrieben haben.“

Kultur als Motor der Stadtentwicklung

Der verblasste postkommunistische Glanz des Grand Hotel Pristina entfaltet einen Charme, dem sich Ausstehende schwer entziehen können. Die manifesta wolle aber keinesfalls in eine Nostalgiefalle tappen, betont Kuratorin Catherine Nichols. Vielmehr sei es das erklärte Ziel, Kunst zum Motor nachhaltigen Stadtentwicklung zu machen. Wie viele postkommunistische Ländern erlebte auch der Kosovo nach dem Krieg eine zügige Privatisierungs- und Liberalisierungswelle. Bis heute sieht man in Pristina die Nebenwirkungen dieser turbokapitalistischen Modernisierung. „In erster Linie fehlt es an einer funktionierenden Infrastruktur“, so Kuratorin Catherine Nichols „Es fehlen Parks und Bürgersteige, aber auch Zentren der Begegnung.“

Risiken einer turbokapitalistischen Modernisierung

Monatelang besuchte Kuratorin Catherine Nichols Ateliers und Kunsträume. 37 Prozent der Künstlerinnen, die bei der Manifesta ausstellen, stammen aus dem Kosovo. Darunter der Maler Brillat Milazimi. Er zeigt seine verspielte großformatige Malerei im ehemaligen Grand Hotel Pristina. „Die „manifesta“ ist für Pristina ein großes Ereignis“, betont Milazimi, “Ich freue mich sehr, meine Arbeit einem internationalen Publikum präsentieren zu können. Ich kann die Eröffnung kaum erwarten.“ Aufgrund rigider Visa-Bestimmungen in die Europäische Union bleibt es den meisten Kosovaren verwehrt, nach Westeuropa zu reisen. Gerade deshalb ist es für die hiesig Szene umso wichtiger, dass die internationale Kunstkarawane nun in Pristina Station macht. Bis Ende Oktober lädt die Manifesta dazu ein, eine Stadt in der vermeintlichen Peripherie Europas zu entdecken, die abseits ausgetretener Touristenpfade liegt.

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