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Von Shape zu Shape+

Die internationale Festival-Plattform Shape geht in die nächste Verlängerung. Mit an Bord ist jetzt auch die Ukraine.

Im Dezember 2014 wurde von 16 Festivals des Festivalnetzwerkes ICAS der International Cities of Advanced Sound, die Shape-Plattform für spannende neue Projekte aus dem Bereich der Musik und audiovisuellen Kunst ins Leben gerufen. Eines der Gründungsmitglieder war das ORF musikprotokoll im steirischen herbst. Von 2014 bis 2021 wurden gemeinsam jedes Jahr 48 Künstler:innen und Projekte ausgewählt, auf die dann jeweils zwölf Monate lang die Shape-Scheinwerfer gerichtet waren. Nun wurde das von der EU geförderte Projekt bereits zum zweiten Mal verlängert.

EU-Förderprogramm

Alle sieben Jahre reagiert die EU auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und adaptiert die Förderrichtlinien ihres Kulturförderprogramms "Creative Europe". Umweltbewusstes und auf Nachhaltigkeit setzendes Handeln rückt zunehmend ins Zentrum. Mit Shape+ setzen auch wir neue Schwerpunkte. So werden die dreizehn teilnehmenden Festivals an einer sukzessiven Verkleinerung ihres ökologischen Fußabdrucks arbeiten. Außerdem haben wir ein Artist-in-Residence-Programm ins Leben gerufen. Und noch eine Neuerung gibt es: Das Shape Jahr beginnt nun nicht mehr im Dezember, sondern im Juli.

Lernen aus der Pandemie

Am Rande eines ersten Shape+ Meetings bei unserem Partner-Festival Terraforma in Mailand Anfang Juli haben wir mit Projektleiter Michal Brenner von der MeetFactory über die Pläne für die kommenden drei Jahre gesprochen.

"Das siebente Shape-Jahr ist während der Pandemie zu Ende gegangen", schildert Brenner. "Die Pandemie hat die ganze Welt verändert und natürlich auch unser Projekt. Wir haben während der vergangenen zwei Jahre viel gelernt, zum Beispiel Veranstaltungen online und hybrid zu realisieren. Trotzdem sind wir nun froh, dass wir zur physischen Präsenz zurückkehren können. Dass es gesellschaftliche Veränderungen braucht, das haben wir bereits vor der Pandemie diskutiert. Z.B. die im Billigflieger tourenden Künstler und Künstlerinnen. Das ist nicht nachhaltig. Ein Weg zu mehr Nachhaltigkeit sind hier etwa Künstler:innen-Residenzen. Sie führen auch zu einem besseren Austausch mit den lokalen Szenen und dem lokalen Publikum."

Terraforma Festival

Das Terraforma Festival trägt den Umweltschutzgedanken bereits in seinem Namen. Sie würden immer sagen, dass experimentelle Musik ihr Schwerpunkt und ihre Sprache sei, erzählt Ruggero Pietromarchie. Und Nachhaltigkeit sei ihr modus operandi, ihre Methodik, wie sie den Park der barocken Villa Arconati bespielen. Dort findet Terraforma seit 2014 als Outdoor-Festival statt.

"Unser nachhaltiges Projekt gliedert sich in drei Aspekte", führt Pietromarchie weiter aus: "Der erste ist die Restaurierung des historischen Gartens der Villa Arconati. Gemeinsam mit der Stiftung Augusto Rancilio haben wir ein mehrjähriges Programm zur Wiederherstellung der Grünflächen gestartet. Zweitens, die architektonische Seite: Die ist für uns sehr wichtig: Wir entwickeln, entwerfen und bauen die gesamte Infrastruktur des Festivals selbst. So konnten wir ein sehr interessantes Netzwerk von Designer:innen, Künstler:innen, Architekt:innen und Zimmerleuten aufbauen. Alle Materialien werden recycelt und zur nächsten Ausgabe wiederverwendet. Der dritte Aspekt unseres Nachhaltigkeitsprojekts ist es, die diversen Auswirkungen unserer Veranstaltung zu beleuchten. Das ist in den letzten Jahren zunehmend in den Vordergrund gerückt. Jede Ausgabe legt den Schwerpunkt auf ein bestimmtes Thema, etwa Mobilität, Abfall oder Energie. Gemeinsam mit unserem Partner Legambiente haben wir einen fortlaufenden Prozess der Veränderung gestartet."

Oliver Baurhenn hat das Terraforma Festival Anfang Juli besucht und einige akustische Schnappschüsse mitgebracht.

Neu dabei: das ukrainische Construction Festival

Als neues Mitglied der Shape-Plattform begrüßen wir das ukrainische Construction Festival, das in Dnipro zu Hause ist. Kultura Medialna, die Organisation die hinter dem Construction Festival steckt, wurde 2013 gegründet, kurz vor der Euromaidan Revolution. Genauso wie Terraforma haben auch Katya Rusetska und ihre Kolleginnen und Kollegen im Jahr 2014 ihre erste Festivalausgabe veranstaltet, bald haben sie auch unter dem Jahr verschiedenste Kulturprojekte gemacht, immer - wie Rusetska betont - mit einem Blick auf die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge, die könne man in der Ukraine nämlich nicht ausblenden. Mittlerweile gibt es sogar ein eigenes Kuturzentrum, das Dnipro Centre for Contemporary Culture, das DCCC, in einem alten herrschaftlichen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, das sich im Stadtzentrum befindet. 2500 m2 stehen dem Team von Kultura Medialna dort zur Verfügung.

Die russische Invasion hat alles verändert.

Das berichtet Katya Rusetska und weiter: "Natürlich hatten wir für die kommenden zwei Jahre schon viele Pläne, Shape war einer davon. Eine unserer zentralen Missionen war es, Dnipro als Kulturstadt zu etablieren, lokal und vor allem auch international. Der Aufbau internationaler Beziehungen war uns besonders wichtig. Mit einer taiwanischen Organisation haben wir eine Ausstellung und eine Residency geplant, wir waren auch mit einem britischen Theater im Gespräch. Natürlich liegen diese Pläne nun erst einmal auf Eis und ich kann nicht einschätzen, für wie lange. Internationale Projekte zu realisieren, wird besonders schwierig werden. Die Künstlerinnen und Künstler werden in den nächsten Jahren Angst haben, nach Dnipro zu kommen. Ein paar wenige Ausnahmen wird es natürlich geben. Aber seien wir ehrlich, ein internationales Artist-in-Residence-Programm können wir uns gerade nicht leisten. Das erste Monat, nachdem die Russen in die Ukraine einmarschiert waren, hatten wir geschlossen, aber dann sagte mein Kollege Andriy: Uns stehen mitten in der Stadt 2500 m2 zur Verfügung und es wäre gerade wirklich dumm, sie nicht zu nutzen: Lass uns die Türen öffnen und schauen, was wir tun können."

Zehn Organisationen beherbergt das Dnipro Centre for Contemporary Culture im Moment, Organisationen die humanitäre Hilfe leisten, die bei der Evakuierung helfen, die die Armee unterstützen und auch Kulturorganisationen, die zum Beispiel speziell mit Kindern arbeiten, die aus den umkämpften und besetzten Gebieten flüchten mussten.

Unter den derzeitigen Umständen bei Shape mitzumachen, sei eine Herausforderung. "Aber wir werden sie meistern", zeigt sich Rusetska zuversichtlich. "Nicht allein, aber mit der Unterstützung unserer Shape-Partnerinnen und -Partner. Eine Idee ist zum Beispiel, gemeinsam kleine Construction-Showcases zu organisieren."

Shape+ wird durch das Programm "Creative Europe" der Europäischen Union gefördert.

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