Shelly Kupferberg

DIOGENES VERLAG/HEIKE STEINWEG

Biografie

"Isidor" - Ein jüdischer Dandy

Isidor Geller war eine schillernde Figur im Wien der Zwischenkriegszeit. Ein Multimillionär, Opernliebhaber und Kunstsammler, der mit einer späteren Hollywoodgröße liiert war. Die in Tel Aviv geborene und in Berlin lebende Journalistin Shelly Kupferberg hat sich auf die Spuren ihres Urgroßonkels gesetzt. "Isidor - Ein jüdisches Leben", heißt ihr Buch, das heute erscheint.

Isidor Geller war ein leidenschaftlicher Opernliebhaber, und wenn jemand seinen Lieblingssänger niedermachte, dann wurde er laut. So passiert bei einem Vortrag 1922 im Wiener Wissenschaftlichen Klub, wo Isidor seinen Kontrahenten einen Idioten schimpfte, was ihm eine Ehrenbeleidigungsklage und eine Geldstrafe von 10.000 Kronen einbrachte.

"Das war kurioserweise der einzige O-Ton, den ich von Isidor fand", erzählt Shelly Kupferberg, "denn es gab einen Artikel in einer ‚Österreichischen Zeitung‘, da wurde über diesen Skandal im Wissenschaftlichen Klub berichtet."

Vom Bettelstudenten zum Kommerzialrat

Ihr Urgroßonkel Isidor war in der Zwischenkriegszeit aus der Wiener High Society nicht wegzudenken. Dabei stammte er aus einem galizischen Schtetl und war als armer Student nach Wien gekommen. Ein Jusstudium, eine beratende Tätigkeit in einem Staatsunternehmen und die richtigen Kontakte ließen ihn aber schnell zum Kommerzialrat und Multimillionär aufsteigen.

Das Revue-Girl in Hollywood

Als Mäzen suchte er die Nähe zur Opernwelt und begann nach zwei gescheiterten Ehen eine Beziehung mit der aufstrebenden ungarischen Sängerin und Schauspielerin Ilona Hajmássy. "Sie begann ja tatsächlich als Komparsin und als Revue-Girl", so Kupferberg, "wurde dann zur Operettensängerin und schaffte es schließlich auch auf die große Opernbühne. Isidor hat da auf jeden Fall mitgeholfen und sie mit wichtigen Kammersängern bekannt gemacht."

1937 schaffte Hajmássy gemeinsam mit Hedy Lamarr den Sprung nach Hollywood, wo sie es als Ilona Massey sogar zu einem Stern auf dem "Walk of Fame" brachte.

Drei Monate Nazi-Haft

Leider ging Isidor nicht mit nach Hollywood und wurde kurz nach dem Anschluss von den Nazis verhaftet.

"Da hat er sich eine Blutvergiftung zugezogen", erzählt Kupferberg, "ist krank nach drei Monaten, nachdem er die Unterschrift geleistet hat, sein Hab und Gut den neuen Machthabern zu überschreiben, als total gebrochener, kranker Mann entlassen worden. Er ging offensichtlich wirklich davon aus, wieder zu genesen. Weil er begriffen hatte, dass er hier raus musste, plante er die Ausreise nach Hollywood zu seiner geliebten Ilona." Dazu sollte es allerdings nicht mehr kommen, denn Isidor starb gerade 52 Jahre alt, im November 1938 an den Folgen seiner Haft.

Buchcover

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Isidors Besitztümer

Um das Leben ihres Urgroßonkels zu rekonstruieren hat sich Shelley Kupferberg durch die Zeitungen der Zwischenkriegszeit gelesen. Zudem stieß sie in der Wohnung ihrer Großeltern in Tel Aviv auf zahlreiche Briefe. Zentral für ihre Recherche war aber auch das österreichische Staatsarchiv.

"Dort bin ich sehr schnell fündig geworden, was Isidor betraf", erinnert sich Kupferberg. "So habe ich seine Vermögenserklärung sofort gefunden, die ja jeder Jude, jede Jüdin, gegenüber den Nationalsozialisten machen musste. Damit hatte ich seinen kompletten Besitz schwarz auf weiß auf dem Tisch: seitenweise erlesenes Mobiliar, Kunst, Perserteppiche, Nerze, Juwelen."

Der verräterische Chauffeur

Shelley Kupferberg webt einen Teppich aus Lebensbeschreibungen, die viel intensiver als jede Überblicksdarstellung den damaligen Alltag spürbar machen. Die schillernden Tage des Dandys genauso wie die dunklen Tage des Verrats, denn Isidor wurde den Nazis von seinem eigenen Chauffeur ans Messer geliefert.

Service

Shelly Kupferberg, "Isidor - Ein jüdisches Leben", Diogenes

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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