Silvia Meisterle

MORITZ SCHELL

Theater in der Josefstadt

"Anna Karenina" zur Saisoneröffnung

Die deutsche Regisseurin Amélie Niermeyer hat Leo Tolstois Romanepos neu für die Bühne adaptiert. Silvia Meisterle, seit 2010 im Josefstadt-Ensemble, ist in ihrer ersten großen Titelrolle am Haus zu sehen. Nun feiert "Anna Karenina" mit einem Jahr Verspätung Premiere.

Hier ist einiges an Geschick gefragt: In der Upper-Class-Gesellschaft, die Leo Tolstoi in seinem Romanklassiker "Anna Karenina" abbildet, bewegt man sich nicht nur auf glattem Parkett, sondern auf blankem Eis - was Regisseurin Amélie Niermeyer wörtlich nimmt und das Ensemble auf der Bühne eislaufen lässt.

Der Heiratsantrag des Intellektuellen und Selbstzweiflers Lewin an seine Angebetete Kitty endet in einer harten Landung. Graf Wronski hingegen zieht die gerade in Moskau eingetroffene Anna Karenina unmittelbar in seinen Bann.

Überkommene Gesellschaftskritik

Das Thema Ehebruch beschäftigte zahlreiche Autoren des 19. Jahrhunderts. Madame Bovary oder Anna Karenina entscheiden sich für ein selbstbestimmtes Leben und werden in der patriarchalen Ordnung mit Ächtung bestraft. Diese damals radikale Gesellschaftskritik ist für die Regisseurin Amélie Niermeyer aber nicht mehr zeitgemäß.

"Wir haben eher versucht, eine moderne Frau von heute zu zeigen", so Niermeyer. "Ich glaube, heute haben Frauen genau dieselben Probleme, wenn sie in einer Scheidung stecken. Und der Kampf ums Kind ist immer am emotionalsten - für Frau und Mann."

Alexandra Krismer, Alexander Absenger, Claudius von Stolzmann und Silvia Meisterle

MORITZ SCHELL

Text neu gewichtet

Dass Silvia Meisterle die Titelrolle übernimmt, war ein ausdrücklicher Wunsch Niermeyers, die 2019 an der Josefstadt bereits mit Tschechows "Der Kirschgarten" reüssierte. Für ihre rund zweieinhalbstündige Bühnenversion der "Anna Karenina" hat sie die Dramatisierung von Armin Petras als Vorlage genommen - "wie er von der epischen in die direkte Sprache wechselt, fand ich großartig" - und seinen Text durch Umstellungen und Hinzufügung von Originalstellen neu gewichtet.

"Ich habe den Frauen sehr viel mehr Texte gegeben. Im Roman sind es ja doch eher die Männer, die die tiefschürfenden Gedanken haben", meint Niermeyer.

Neue Sicht durch Ukraine-Krieg

Um ein Jahr musste der ursprüngliche Premierentermin aufgrund einer Corona-Erkrankung verschoben werden. Der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat manche Sichtweisen noch einmal geändert.

"Wir haben zwei Stellen geändert - eine andere Musik gewählt und das ironische Augenzwinkern, mit dem wir die russische Gesellschaft betrachtet haben, herausgenommen, weil wir einfach finden das entspricht heute nicht mehr der Situation."

Einiges an Musik und Ironie sind dieser "Anna Karenina" jedoch durchaus erhalten geblieben.

Gestaltung