Therese Affolter, Katharina Klar, Martina Stilp und Susa Meyer

MORITZ SCHELL

Theater in der Josefstadt

"Ein Kind unserer Zeit"

Es war Horvaths letzter Roman, posthum 1938 veröffentlicht und die Schrecken des kommenden Krieges vorwegnehmend. "Ein Kind unserer Zeit" nannte Horvath seine Geschichte über das Innenleben eines Soldaten, seinen Aufstieg und Fall in der Armee. Jetzt kommt der Roman in einer dramatisierten Fassung von Regisseurin Stephanie Mohr auf die Bühne des Theaters in der Josefstadt, mit einem rein weiblichen Ensemble. Premiere ist heute Abend.

Es ist Krieg. Noch wird er nicht der Zweite Weltkrieg genannt, denn den hat Horvath nicht mehr erlebt. Wohl aber im Jahr 1938 schon vorausgeahnt. Und so schickt er seinen Protagonisten, den Ich-Erzähler ohne Namen, einen Soldaten ins Feld.

Ich bin Soldat. Und ich bin gerne Soldat …

Freiwillig und mit großer Begeisterung hat er sich gemeldet, hier kann er, im zivilen Leben arbeitslos, Teil eines großen Ganzen sein, erhält Anerkennung in Form von Sternen an der Uniform und Zuwendung von einer väterlichen Hauptmannfigur.

Widersprüchliche Gefühle

"Ich finde, dass der Roman einen so anspringt, auf die Bühne zu kommen", sagt Regisseurin Stephanie Mohr, die dem Trauma des jungen Mannes nachspürt: "Eine Figur die permanent mit ihren Dämonen agiert."

Diese Dämonen oder widersprüchlichen Gefühle und Stimmungen des Soldaten, der schreckliches durchmacht und schreckliches tut, teilt Stephanie Mohr auf vier Darstellerinnen unterschiedlichen Alters auf - Therese Affolter, Susa Meyer, Martina Stilp und Katharina Klar.

Stephanie Mohr

EVA MAYER

Stephanie Mohr

Frauenperspektive im Zentrum

"Mir war es wichtig, die Frauenperspektive reinzubringen", sagt Stephanie Mohr, "insofern, dass Frauen eine wichtige Rolle spielen für den Soldaten, aber auch durch ihre Abwesenheit prägen. Durch die Präsenz der Frauen wird diese Abwesenheit konterkariert."

Auf einer Bühne, die sich permanent dreht und Innen- wie Außenleben des Soldaten widerspiegelt, stolpert man mit ihm und seinen vier Darstellerinnen durch sein Schicksal - sieht seine hilflosen Versuche mit einem Mädchen an der Kassa eines Fahrgeschäftes anzubandeln, seinen heldenhaften Einsatz für den Hauptmann, der ihm einen Stern einbringt und seinen Arm kostet und schließlich seine komplette Ernüchterung angesichts der Kriegserlebnisse.

Traumata vervielfacht

Stephanie Mohr: "Das Wesentlichste an dem ganzen Stück ist die Aussage, dass Kälte, Gewalt und Einsamkeit sich nur multiplizieren. Und dass jemand der Gewalt erfährt und sie ausübt, weitergibt und dass das Trauma weitergegeben wird."

"Sein nächster Roman, der nicht fertig geworden ist, hätte übrigens geheißen ‚Adieu Europa‘, was schon absurd ist, wenn man sich anschaut, was da jetzt passiert. Da klingt schon viel an: Die Erfahrung seiner Zeit und der Titel ‚Ein Kind unserer Zeit‘ passt auch in unsere Zeit."

Es gibt ein Land, das werden wir uns holen. … Wir führen keine Kriege mehr, wir säubern ja nur.

Zeilen wie diese machen deutlich, wie sehr Horvaths Text auch ein Kind unserer Zeit ist. Premiere ist heute Abend im Theater in der Josefstadt.

Gestaltung