
ALAN SANCHEZ
Digital.Leben
Der Mann, der Namibias Wüste auf Google Street View brachte
Ein Fotograf aus Simbabwe fotografiert und kartographiert abgelegene Regionen der Welt.
3. November 2022, 02:00
Google Maps und Google Street View haben die Welt vermessen. Die gesamte Welt? Nicht ganz. Während jedes kleinste Gässchen in US-amerikanischen und europäischen Städten aufscheint, finden sich in Afrika, Asien und Lateinamerika viele schwarze Löcher. Der in Simbabwe geborene Fotograf und Silicon Valley Product Manager Tawanda Kanhema ärgerte sich über diesen "neokolonialen Blick" des Digitalriesen. Er zog auf eigene Faust los und kartographierte Stadtviertel von Harare und andere undokumentierte Landstriche für Google Street View.
Unausgewogene Dokumentation der Welt
Bei einem Abendessen in San Francisco wollten Freunde das Haus von Tawanda Kanhemas Eltern in Simbabwes Hauptstadt Harare auf Google Street View sehen. Doch das Viertel war auf der digitalen Karte nicht vorhanden, erinnert sich Tawanda Kanhema. Seit 2009 lebt Kanhema in den USA, studierte dort Fotographie und Dokumentarfilm und arbeitet im Silicon Valley als Produktmanager.
Wenn man in den USA oder in Europa lebt, dann sei die Umgebung bestens dokumentiert, so Kanhema. Kulturdenkmäler, Naturerbe, alles sei erfasst: "Doch wenn du in den globalen Süden fährst, dann bemerkst du, dass die Dokumentation der Welt sehr unausgeglichen ist. Also fragte ich mich, wie kann man diese Unausgewogenheit zurechtrücken?
Also fuhr Tawanda Kanhema vor mittlerweile vier Jahren auf eigene Faust nach Simbabwe und erfasste Teile des Landes für Google Street View. Er fuhr mit einem Kamera-Auto durch abgelegene Viertel in Harare, flog mit dem Helikopter über die Viktoria-Fälle, fuhr mit dem Speedboot und wanderte zu der alten Ruinenstadt Great Zimbabwe. Zunächst großteils auf eigene Kosten. Von Google erhielt er damals lediglich technische Unterstützung in Form von Kamera-Equipment.
Von der namibischen Wüste in Kanadas Eislandschaft
"Damals dachte ich noch nicht, dass mein Projekt irgendeine größere Bedeutung für die Welt haben könnte", erzählt Kanhema. Doch mittlerweile hat Tawanda Kanhema knapp 5.000 Kilometer an virtuellen Karten in drei Ländern erstellt: Simbabwe, Namibia und Kanada. Und er hat dabei mehr als eine halbe Million Aufnahmen gemacht: teilweise in extrem unwirtlichen Umgebungen, wie der namibischen Wüste bei 40 Grad plus oder dem Eis in der kanadischen Provinz Northern Ontario bei 40 Grad minus. Dort hatte ihn die lokale Regierung beauftragt, Transportstraßen zu dokumentieren, die nur während der eisigen Wintermonate befahrbar sind. Den Rest des Jahres ist das Gelände so matschig, dass einige Ortschaften kaum erreichbar sind.

Bei -40 Grad unterwegs auf den Ice Roads in Northern Ontario, Kanada.
ALAN SANCHEZ
Einige seiner Bilder hat er auf seiner Website "Unmapped Planet" festgehalten. Es sei auch für entlegene Regionen der Welt wichtig, auf den großen Digitalkarten der Welt erfasst und bebildert zu sein, betont der Fotograf. Zum Beispiel, um den Tourismus anzukurbeln. Besonders wichtig sei es aber im Falle von Naturkatastrophen. Als Beispiel nennt er den Zyklon, der im Jahr 2019 in Simbabwe, Mosambik und Malawi wütete. Damals saßen tausende Menschen in Regionen fest, die nicht ausreichend kartographiert waren, was für Katastrophenhelfer und -helferinnen eine große Herausforderung darstellte.