Sternenhimmel mit Grafik der Stringtheorie.

GEMEINFREI

Dimensionen

Vom String zur Weltformel?

Laut Stringtheorie besteht alle Materie um Universum aus unermesslichen kleinen Fäden - englisch: Strings. Lange sah es so aus, als könnte dieses Konzept zu einer abschließenden Theorie der Teilchenphysik führen, in der alle bekannten Naturkräfte ihren Platz haben. Doch der Weg dorthin ist steinig. Nicht zuletzt deshalb, weil die Theorie bislang kaum testbare Voraussagen macht.

Man stelle sich ein Land vor, in dem es nur zwei Ministerien gibt: eines für sozialen Ausgleich und Umweltfragen und eines für Wirtschaft und Justiz. Beide leisten hervorragende Arbeit in ihrem Bereich. So gesehen ist alles eitel Wonne, beziehungsweise wäre es - denn dummerweise sind die politischen Leitideen in beiden Ministerien so unterschiedlich, sodass es dauernd zu Konflikten und Widersprüchen kommt. Im Grunde versteht der Sozialminister gar nicht, was die Wirtschaftsministerin meint. Ebenso, wie sie mit seinen Ausführungen nichts anfangen kann. So kann man natürlich kein Land regieren, es braucht eine übergeordnete Instanz, die beide Bereiche zusammenführt und Widersprüche in irgendeiner Form aufhebt.

Die Suche nach der Theorie für Alles

Was das alles mit Wissenschaft zu tun hat? In gewisser Hinsicht befindet sich die gegenwärtige Physik in einer ähnlichen Situation. Ihr Fundament bilden zwei äußerst erfolgreichen Grundlagentheorien, das Standardmodell der Elementarteilchen sowie Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie. Die eine Theorie beschreibt, was in der Welt der Quanten vor sich geht, die andere zeigt, wie Raum, Zeit und Schwerkraft zusammenhängen. Beide leisten hervorragende Arbeit in ihrem Bereich und wurden schon tausendfach bestätigt - allerdings betrachten sie die Welt durch so unterschiedliche Brillen, sodass man den Eindruck gewinnen könnte, man habe es hier mit zwei Wirklichkeiten zu tun.

„Standardmodell und Relativitätstheorie passen konzeptuell nicht zusammen. Versucht man, die beiden naiv zusammenzuführen, dann ergeben sich Widersprüche“, sagt der Physiker und Wissenschaftsphilosoph Richard Dawid von der Universität Stockholm.

Der vielversprechendste Kandidat: Die Stringtheorie

Ist damit die Physik am Plafond ihrer Möglichkeiten angelangt? Ist eine Theorie, die alles im Universum in einem Gesamtentwirf beschreibt, unmöglich? Zumindest besteht Hoffnung. Der derzeit vielversprechendste Kandidat für so eine „Theorie für Alles“ ist die sogenannte Stringtheorie. Ihr zufolge besteht die Welt nicht aus punktförmigen Teilchen, wie man das bisher immer angenommen hat, sondern aus unvorstellbar kleinen, aber dennoch ausgedehnten Fäden oder Saiten. Oder, wie es die Physiker ausdrücken: aus eindimensionalen „Strings“.

Die Obertöne dieser Schwingungen sind demnach dafür verantwortlich, dass sich die Materie so verhält, wie sie es eben tut. Elektronen, Photonen und alle anderen Bausteine der Materie sind in diesem Weltbild so etwas wie harmonische Entitäten, Einzelstimmen in einem großen Konzert schwingender Saiten, deren Klang das ganze Universum erfüllt. Ein schöner Gedanke. Und auch ein bestechend einfacher.

Nur leider erweisen sich die Konsequenzen des Gedankens alles andere als einfach. Ein halbes Jahrhundert arbeiten Physiker und Physikerinnen bereits an dieser Theorie - und haben in dieser Zeit einen ganzen Dschungel von Formeln und neuen Theoremen entdeckt, deren Zusammenhänge bis heute bestenfalls ansatzweise verstanden wurden. Die Lage ist unübersichtlich, um es vorsichtig zu formulieren.

Die Stringtheorie sagt nicht nur etwas über unser Universum aus, sondern über jedes andere mögliche Universum.

Die Entwirrung all der Zweige und Schlingpflanzen in diesem mathematischen Dschungel hat sich als Herkulesaufgabe entpuppt, die den menschlichen Geist zu überfordern droht. Was sich gegenwärtig am ehesten sagen lässt, ist dies: Die lang gesuchte „Theorie für Alles“ wird wohl ganz anders aussehen, als man sich das zunächst vorgestellt oder erhofft hat.

Denn die Stringtheorie „sagt nicht nur etwas über unser Universum aus, sondern über jedes andere mögliche Universum“, betont Daniel Grumiller, Physiker von der TU Wien. „Sie zeigt, wie ein Universum logisch möglich aufgebaut sein kann. Und da gibt’s sehr viele Möglichkeiten.“
Wird es gelingen, die eine Möglichkeit unter den Myriaden möglichen zu finden? Und anhand welcher Kriterien könnte man entscheiden, welche die richtige ist? Normalerweise würde man sagen: Das entscheidet das Experiment. Doch genau hier liegt die Achillesferse der Stringtheorie.

Gestaltung

  • Robert Czepel