RSO Wien

LUKAS BECK

RSO/Theater an der Wien

Rossinis "La gazza ladra"

Es ist wohl der bekannteste Trommelwirbel der Musikgeschichte: Zur Eröffnung von Gioachino Rossinis "Die diebische Elster" ("La gazza ladra") gibt er mit dem nachfolgenden Marschmotiv einen ersten Hinweis auf den dramatischen Verlauf der Handlung.

Auch wenn wenig später Oboen und Klarinetten eine kecke (und im Lauf der Musikgeschichte häufig zitierte) Melodie anstimmen: Die militärischen Klänge und die wiederkehrenden Wechsel von Dur nach Moll bereiten das Publikum darauf vor, dass die Protagonist:innen gegen Gefahren und Hindernisse kämpfen werden müssen.

Semiseria, also "halbernst", nennt man dieses Operngenre; der Handlungsverlauf ist in der Regel stereotyp. Ein unschuldiges Mädchen aus dem bäuerlichen Milieu wird das Opfer einer despotischen Obrigkeit; es wird verhaftet, zum Tode verurteilt und in letzter Sekunde gerettet.

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MUSIKTHEATER AN DER WIEN

Das Siberbesteck

So auch bei "La gazza ladra": Das Dienstmädchen Ninetta, verlobt mit dem Pächtersohn Giannetto und begehrt vom Podestà (einer Art Bürgermeister), kommt vorübergehend in den Besitz zweier Silberbestecke: in jenes ihrer Herrschaft, das sie zur Pflege erhalten hat und in jenes ihres desertierten Vaters, das sie zur Finanzierung von dessen Flucht so schnell wie möglich verkaufen muss. Eine diebische Elster nutzt die Unachtsamkeit Ninettas während einer Auseinandersetzung mit dem Podestà und stibitzt aus dem Silberbesteck der Herrschaft einen Löffel.

Der Verlust fällt schnell auf, Hauptverdächtige ist natürlich Ninetta, die soeben mit Händen voller Geld vom Verkauf des zweiten Silberbestecks zurückkehrt. Der Podestà lässt sie ins Gefängnis werfen und, nachdem sie sich auch dort gegen seine Zudringlichkeiten wehrt, zum Tode verurteilen. Erst in letzter Sekunde wird der Löffel im Elsternest entdeckt - und Ninetta kommt frei.

Großer Erfolg

Rossinis Oper war sofort ein großer Erfolg: Allein in der Spielzeit der Uraufführung 1817 stand sie 27 Mal auf dem Programm der Mailänder Scala. Das mag vielleicht auch damit zu tun gehabt haben, dass sich das Publikum in Mailand über eine italienische Oper freute - seit der Wiederkehr der Herrschaft durch die Habsburger wurden dort vermehrt Opern deutscher Komponisten gespielt.

Vor allem aber die gut durchdachte Partitur und die zahlreichen kompositorischen Ideen und Neuerungen begründeten den Erfolg von "La gazza ladra": Das wiederkehrende Motiv und die dramatische Steigerung des Trommelwirbels im Verlauf der Handlung, die ersten Anklänge an Leitmotive bei den Protagonist:innen und die Emanzipation des Chors von der reinen Darstellung des Lokalkolorits zum dramatischen Hinweisgeber machen die Einzigartigkeit dieses Werks aus.

Das RSO Wien musiziert in der Halle E des MuseumsQuartiers unter der Leitung von Antonino Fogliani, für die Inszenierung zeichnet der international erfolgreiche Regisseur Tobias Kratzer verantwortlich.

Text: Anna Jagenbrein