Shirin Ebadi

APA/AFP/JOEL SAGET

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Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi

Niemals aufgeben!

1947 geboren, wächst Shirin Ebadi in den 1950er Jahren in einer gebildeten, bürgerlichen Familie in Teheran auf. Die Eltern, gläubige Muslime, pflegen einen ausgesprochen modernen Erziehungsstil. Die drei Töchter genießen dieselbe Aufmerksamkeit, dieselben Freiheiten wie der Sohn. Mit 23 beendet Shirin Ebadi ihr Jurastudium als Richterin - als eine der Ersten im Iran.

Fünf Jahre später ist sie bereits Gerichtspräsidentin am Teheraner Stadtgericht. Das ist im Jahr 1975. Begeistert nimmt sie an den Studentenprotesten gegen den Schah teil, folgt im Herbst 1978 den Radioansprachen des Revolutionsführers Ayatollah Khomeini aus dessen Pariser Exil. Zumal er ein leuchtendes Bild von der Zukunft entwirft, mit freien Wahlen und Pressefreiheit. Und hat er nicht auch den Frauen mehr Freiheit versprochen?

Shirin Ebadi

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Rückschritt um 1.400 Jahre

Nach dem Sieg der Islamischen Revolution im Februar 1979 wirft das neue Regime Ebadi aus ihrem Richteramt und degradiert sie zur Bürokraft. Entsetzt erlebt sie die Einführung des islamischen Rechts, gestützt auf die Scharia, "grauenhafte Gesetze, die die Uhr um 1.400 Jahre zurückdrehten". Dagegen anzukämpfen wird zu ihrer Lebensaufgabe. Ab 1992 übernimmt sie unbezahlte Pro-bono-Fälle, vertritt misshandelte und getötete Kinder, Student:innen, Regimegegner:innen und setzt sich für die Rechte von Frauen und politischen Gefangenen ein.

Zwar kann sie weder gerechte Prozesse und Urteile herbeiführen noch bei ihren Auftritten vor Gericht die geistlichen Roben-und-Turban-Träger zum Umdenken bewegen. Durch die Übernahme spektakulärer Fälle verschafft sie jedoch dem Unrecht Öffentlichkeit - im eigenen Land wie im Ausland. ("Das hat mir sehr geholfen zu zeigen, dass die iranische Regierung eine religiöse Autokratie ist. Und ihre Behauptung, sie sei gezwungen, die Scharia anzuwenden, ist nicht korrekt. Sie ist einfach tyrannisch!")

Exil in London

Sie schreibt Artikel, Berichte für internationale Menschenrechtsorganisationen und Bücher, hält Vorlesungen, gründet in Teheran das Zentrum für Menschenrechtsverteidiger. Der islamische Staat antwortet mit Überwachung, Schikanen, Morddrohungen, drei Wochen Einzelhaft im Evin-Gefängnis. Sie lässt sich davon nicht in die Knie zwingen.

Nach der Verleihung des Friedensnobelpreises 2003 und nachdem sie 2009 nach London ins Exil gegangen ist, verstärkt das Regime seine Feindseligkeiten. Um sie zum Schweigen zu bringen, nimmt sich der Geheimdienst ihren Ehemann vor, zieht alle Register der Grausamkeit, beschlagnahmt ihren ganzen Besitz. Sie macht trotzdem weiter, ist inzwischen in zahlreichen NGOs vertreten und setzt sich nach wie vor für die Menschenrechte in ihrer Heimat ein.

Hoffnung auf einen Regimewechsel

Neben Shirin Ebadi soll auch die in Deutschland lebende Künstlerin Parastou Forouhar zu Wort kommen; sie ist die Tochter der 1998 vom Geheimdienst ermordeten Oppositionspolitiker Dariush und Parvaneh Forouhar. Ebadi vertrat sie im Prozess gegen die Mörder ihrer Eltern als Anwältin. Parastou Forouhar, die jedes Jahr zum Todestag ihrer Eltern nach Teheran fliegt, ist wie Ebadi mit den Repressionen, Täuschungen und Grausamkeiten des islamischen Staates bestens vertraut. Und wie Ebadi gibt sie die Hoffnung auf einen Regimewechsel nicht auf - schon gar nicht jetzt, angesichts der anhaltenden Proteste der Jungen, vielen und Mutigen in ihrem Land.

Text: Renate Maurer, Feature-Autorin u. a. für die Ö1 Sendereihe "Hörbilder"

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