Arno Geiger

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Neuerscheinung

Arno Geigers Geheimnis als literarischer Glücksfall

2005 hat Arno Geiger mit "Es geht uns gut" als Erster den Deutschen Buchpreis erhalten, es folgte eine Reihe von Bestsellern und Auszeichnungen, etwa mit "Alles über Sally", "Der alte König in seinem Exil" und "Unter der Drachenwand". Während all der Jahre führte der Erfolgsautor ein bemerkenswertes Doppelleben - in aller Öffentlichkeit und doch völlig unbemerkt. Jetzt hat er "Das glückliche Geheimnis" enthüllt.

Anfang der 90er fand der 24-jährige Arno Geiger neben einem Altpapiercontainer fünf Bücherkisten, nahm sie mit nach Hause, lebte passabel von den Erträgen am Flohmarkt und sagte sich: "Warum nur in eine Altpapiertonne schauen, wenn es in der Stadt tausende gibt?"

So begann das Ritual, das er "Meine Runden" nennt: 25 Jahre lang durchforstete Geiger Montag für Montag im Morgengrauen die Altpapiercontainer der Randbezirke und ergatterte teils unbezahlbare Schätze.

Darf man das?

Damit hielt sich der Anfang 20-Jährige sorgenfrei über Wasser, während er in gleicher Intensität mit dieser Tätigkeit und mit seinem Dasein als Möchtegernschriftsteller haderte, der noch keine Zeile veröffentlicht hatte.

"Ich war in einer schwierigen Phase, ich wollte unbedingt Schriftsteller werden, mit ungewissem Ausgang. Und gemessen am damaligen Sittenmaß waren meine 'Runden' an der Grenze zum Wahnsinn. Damit befand ich mich weit abseits des Konventionellen", erzählt der Schriftsteller rückblickend.

Was die Menschen so unter Leben verstehen

Mit den Jahren allerdings änderte sich der Fokus, aus dem Möchtegern- wurde ein Erfolgsschriftsteller, die Scham des Papiermülltauchers verwandelte sich in Stolz und die rituellen Runden wurden fixer Bestandteil seines Lebens und Schreibens.

Zehntausende Tagebücher, Briefwechsel und andere private Aufzeichnungen hat Geiger in einem Vierteljahrhundert geborgen und gelesen, ohne je erkannt zu werden. Angetrieben habe ihn die Neugier darauf, "was die Menschen so unter Leben verstehen".

Literarische Figuren findet man nicht im Altpapier

Die intimsten Geheimnisse ihm wildfremder Menschen haben wohl wesentlich mitgeholfen, die Menschen zu verstehen und so plastisch und liebevoll zu beschreiben, wie Geiger es bekanntlich tut. Und doch seien sie niemals konkrete Vorlage gewesen, betont der Autor.

"Es würde zu kurz greifen, zu glauben, man finde so etwas im Altpapier. Nein, aber wenn ich mehr über das Leben der Menschen weiß, habe ich mehr zu sagen, dann kann ich Figuren auch besser zeichnen."

Buchcover

HANSER VERLAG

Auszeichnungen, Liebeswirren und Schicksalsschläge

Mit dem glücklichen Geheimnis gibt Geiger zugleich eine Fülle autobiografischer Details preis: Auf die anfängliche Krise als Schriftsteller folgt eine ausgedehnte Beziehungskrise mit seiner Freundin und späteren Frau, auf die wiederum zahlreiche Schicksalsschläge im engeren Umfeld folgen. Todesfälle und schwere Erkrankungen rütteln auf, holen runter und ziehen Spuren im Leben und Schreiben des Autors, der das eine nie ohne das andere denken kann und will.

Bisweilen geht dem Erzähler ein wenig der rote Faden verloren angesichts seiner minutiös beschriebenen Gedanken, etwa über Erfolg und Scheitern, Finden und Wegwerfen. Dazwischen allerdings offenbart "Das glückliche Geheimnis" eine Fülle von Inspirationen, Ideen und Impulsen. Diese Geschichte fasziniert ebenso wie Geigers offenherzige Art, sie zu erzählen. Sofort nach der Lektüre möchte man eintauchen in all seine bisherigen Werke. Und der Anblick eines vollen Altpapiercontainers erzeugt plötzlich ein ungeahntes Kribbeln.

Service

Arno Geiger, "Das glückliche Geheimnis", Hanser

Gestaltung

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