
2022 PARAMOUNT PICTURES
Sittenbild & Hommage
Chazelles "Babylon" im Kino
1965 veröffentlichte der US-amerikanische Regisseur und Autor Kenneth Anger sein Buch "Hollywood Babylon", in dem er - durchaus spekulativ - über Skandale aus Hollywood von der Stummfilmzeit bis in die 1950er Jahre berichtete. Eine Inspirationsquelle für den Film "Babylon - Rausch der Ekstase", in dem Oscar-Preisträger Damien Chazelle hinter die Kulissen des Filmbusiness aber auch des Privatlebens von Stars blickt.
18. Februar 2023, 02:00
Ein Elefant als Partygag muss her, doch der Transport erweist sich als Herausforderung. Auf einer steilen Schotterstraße rutscht der klapprige Kleinlaster ab, und als die Beteiligten den Wagen von hinten anschieben wollen, muss sich der Dickhäuter ausführlich erleichtern. Sinnbilder mit Fäkaleinschlag sind im Film "Babylon" keine Seltenheit: Es ist schwierig, im Hollywood des Jahres 1926 nach oben zu kommen, und wenn, kriegt man ziemlich viel - pardon! - Scheiße ab. Trotzdem ist der Ruf der Traumfabrik unwiderstehlich.
"'Babylon' ist ein Film wie eine Achterbahn - ein Karneval, Komödie und Tragödie zugleich", Damien Chazelle

2022 PARAMOUNT PICTURES
Der Mexikaner Manny (Diego Calva) sucht die Einzigartigkeit in Hollywood. Als Erzähler des Films, als Akteur und Beobachter zugleich kreuzt sich sein Lebensweg mit jenem von illustrem Hollywood-Personal, mit Produzentengrößen wie Irving Thalberg und Louis B. Mayer, bekannten Regisseuren und einem Unterweltboss, vor allem mit der derb-dreisten, glamoursüchtigen Nellie LaRoy (Margot Robbie), die gerne ein Star wäre, bis hin zu wahren Stars wie dem Schauspieler Jack Conrad (Brad Pitt), Marke: Clark Gable meets Douglas Fairbanks.
Ein Film als schrille Party
Fast alle Figuren verweisen auf tatsächliche Berühmtheiten oder sind Mischungen davon. Ereignisse, meist skandalöser Natur, sind bis zu historischer Kenntlichkeit entblößt, etwa eine Vergewaltigung mit Todesfolge, wie sie dem bekannten Stummfilmkomiker Roscoe "Fatty" Arbuckle in den 1920er Jahren vorgeworfen wurde
"Ich wollte auf unverblümte Weise die damalige Arbeits- und Lebensweise einfangen", so Regisseur Damien Chazelle. Seinen Film legt er selbst wie eine schrille Party an, auf der das Kinopublikum auch in die verruchten Nischen des Entertainments geführt wird: Drogen- und Alkoholexzesse, sexuelle Eskapaden, aber auch Machtspiele, Selbst-Erniedrigung, Eitelkeiten um die nächste Großaufnahme, aber auch Rassismus wie Blackfacing und nicht zuletzt ein Kulturkampf um die Anerkennung Hollywoods als hohe Kunst.

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Einführung des Tonfilms
"'Babylon' ist ein Film wie eine Achterbahn, ein Karneval, Komödie und Tragödie zugleich", so Regisseur Chazelle. Tragödien, die sich auch mit der Einführung des Tonfilms 1927 häuften, ein Umbruch in der Filmindustrie, den manche Stummfilmstars - vor allem künstlerisch - nicht überlebten. Auch vor ihnen verneigt sich dieser rund dreistündige Rundumschlag, als fiebrig-opulentes, manchmal etwas überambitioniertes Sittenbild und als liebvolle Hommage an das Kino selbst. Katerstimmung für Augen und Ohren ist bei dieser Party am Ende nicht ausgeschlossen.
Gestaltung
- Arnold Schnötzinger