Tagespresse-Sujet, Rabenhof

RABENHOF/CHILI GALLEI

Kabarett

"Tagespresse History" im Rabenhof

Zehn Jahre gibt es die satirische Online-Tageszeitung "Die Tagespresse" bereits. In diesen zehn Jahren sind neben dem Tagesgeschäft auch zwei abendfüllende Kabarettprogramme entstanden. Beide wurden aufgrund politischer Turbulenzen schon nach kurzer Zeit obsolet. Zuletzt überholte die "Ibiza-Affäre" die Satiriker. Damit das nicht noch einmal passiert, hat sich das Tagespresse-Team rund um Gründer Fritz Jergitsch nun an ein größeres Projekt herangewagt.

In "Die Tagespresse History - Eine kurze Geschichte der Österreichheit" gibt es die Weltgeschichte mit rot-weiß-roter Schlagseite und auf knapp 80 Minuten verdichtet zu erleben. Ein Best-of, das auch seine Tücken hat.

Eine knackige Signation, jede Menge Schlagzeilen und Meldungen, sogar ein echter Nachrichtensprecher und 14 Milliarden Jahre Geschichte in 80 Minuten. "Die Tagespresse History" galoppiert wild durch den historischen Parcours - die Argusaugen stets auf das typisch Österreichische im Weltgeschehen gerichtet. Da wird aus Ex-Kanzler Sebastian Kurz ein junger römischer Kaiser namens Bastianus, der Schreddernde. Dass ORF Nachrichtenmann Paul Kraker mit sonorer Stimme moderiert, trägt der Satire den nötigen Lack der Seriosität auf.

Das römische Reich ist an Eitelkeit zerfallen. Kurz ist an Eitelkeit zerfallen - es ändert sich wenig.

Die Menschheit mag es weit gebracht haben, aus der eigenen Geschichte zu lernen ist aber keine ihrer großen Stärken - so eine Grundannahme hinter dieser Geschichte der Österreichheit. "Meine Haupterkenntnis war, dass sich die Welt nicht ändert und die Menschheit immer die gleichen Fehler begeht", sagt Jürgen Marschal von der Tagespresse. "Das römische Reich ist an Eitelkeit zerfallen. Kurz ist an Eitelkeit zerfallen. Es ändert sich sehr wenig am menschlichen Wesen - und das seit tausenden Jahren."

Was für die Menschheit insgesamt gilt, das gilt an diesem Abend für den Homo Austriacus im Besonderen. Schon der Titelbegriff der "Österreichheit" klingt stationär, wenig beweglich und eher nach satter Zufriedenheit. Dabei agiert das Tagespresse-Team in ihrem bereits dritten Bühnenprogramm gewohnt versiert im Duktus marktschreierischer Medien. Das Publikum werde "alles über unser Land, was Ihnen der Geschichtsunterricht in der Schule verschwiegen hatte" erfahren. 2019 hieß es "Schwarz-Blau Unzensuriert". Heute wird "eine geheime Geschichte der Österreichheit" versprochen.

Tagespresse-Sujet, Rabenhof

RABENHOF/CHILI GALLEI

Der "Homo Austriacus" im Wandel der Zeit

Das Rezept des Abends: Man nehme historisch etablierte Ereignisse und drehe sie durch den Fleischwolf österreichischer Medien. Der ORF wird ebenso aufs Korn genommen wie Servus TV oder die Nachrichtenmaschine von Wolfgang Fellner. "Wir gehen davon aus, dass es alle Medien schon immer gegeben hat", erklärt Jürgen Marschal. "Wir fanden es lustig, zu zeigen, wie Wolfgang Fellner über Jesus berichtet hätte und diese mediale Ebene durch die Geschichte zu tragen. Wir wollten uns nicht immer auf das tagesaktuelle Geschehen beschränken."

Dieser Kunstgriff führt nicht nur aktuelle Medienmechanismen vor. Er erlaubt auch, geschichtlich getönte satirische Breitseiten gegen das politische und gesellschaftliche Personal des Landes. Für Tagespresse-Gründer Fritz Jergitsch ist die Medienlandschaft "immer eine sehr akkurate Reflektion der gesellschaftlichen Bedingungen. Daran lässt sich sehr viel über den Zustand einer Demokratie ablesen."

Zuspitzung als Stilmittel versteht sich hier von selbst. Da kündigt Servus TV eine Diskussionsrunde über Adolf Hitler mit der Frage an: "Adolf Hitler - ist er wirklich ein Nazi, nur weil er die NSDAP anführt?" Oder Eva Braun, die via ORF-Kuppelshow "Liebesg’schichten und Heiratssachen" einen Mann sucht, mit dem sie "so richtig Pferde arisieren kann".

Der stark trainierte Verdrängungsmuskel

Sebastian Huber, der dritte Mann hinter dem aktuellen Programm, sieht den Abend in einer typisch österreichischen Tradition - der Witz als Ventil um historisch angestauten Druck abzulassen. "Als Österreicher und Österreicherin hat man sehr viel Spannung abzubauen und einen stark trainierten Verdrängungsmuskel hat. Deshalb kann man diesem Ernst nur mit Humor entgegentreten, weil man es sonst nicht erträgt. Dagegen ankommen wird man dennoch nicht."

Fatalistisch wird es trotzdem nie. Die temporäre Linderung Humor nimmt allerdings phasenweise dramatisch ernsthafte Züge an. Wenn etwa Maria Hofstädter erneut in ihre Rolle in Ulrich Seidls "Hundstage" schlüpft, diesmal als Kaiserin Sisi. Es gibt in dieser rasanten Revue aber auch banale Kalauer und simplen Klamauk in flachen Humorgefilden. Zum Beispiel Ex-Kicker Anton Polster, der das Geschehen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs kommentiert.

Subversive Aneignung von unten

Geschichte dient der Tagespresse in diesem Programm als Trägerrakete - historische Genauigkeit und Faktentreue sind keine Größen. So ähnlich hält es aber auch die Politik findet Fritz Jergitsch. "Es ist spannend zu beobachten, wie Vladimir Putin das macht. Der ist total geschichtsinteressiert, aber das Einzige, was ihn wirklich zu interessieren scheint, ist wie er Geschichte nutzen kann, um seine aktuelle Politik zu rechtfertigen."

Der Abend versteht sich auch als Gegenentwurf dazu. Keine instrumentalisierte Neudeutung von oben, sondern eine humorvolle und subversive Aneignung von unten. Am Ende wird aus dem "So Könnte es gewesen sein"ein "So könnte es auch wieder werden" - ein Zurück in die Zukunft und Österreich einmal mehr als lernresistentes und geschichtsvergessenes Land. "Der österreichische Zustand bewegt sich weiter und man kann sich nur für Momente nach Kräften wehren", sagt Sebastian Huber, der auch gleich eine Definition von Satire mitliefert, "das versuchen wir auch im Stück zu machen: über etwas zu lachen, das eigentlich nicht zum Lachen ist."

Das gelingt trotz mancher Längen und Hänger. Diese kurze Geschichte der Österreichheit doziert mit Lachfalten und Stirnrunzeln aus dem selbst verfassten Geschichtsbuch. Rasant geschnittene Unterhaltung mit einem Schuss Bildungssatire.

Service

Premiere von "Die Tagespresse History - Eine kurze Geschichte der Österreichheit" ist heute Abend um 20.00 Uhr im Wiener Rabenhof

Gestaltung