Percival Everett

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Satirischer Kriminalroman

"Die Bäume" von Percival Everett

Mitte der 1950er Jahre bewegte ein in seiner Brutalität aufsehenerregender Lynchmord die Vereinigten Staaten. Der US-amerikanische Schriftsteller Percival Everett rollt ausgehend von dem authentischen Fall die Geschichte der Lynchmorde in den USA auf, verpackt das traumatische Thema aber in einen satirischen Kriminalroman. "The Trees" stand auf der Shortlist für den Booker Prize, jetzt ist der Roman, übersetzt von Nikolaus Stingl, unter dem Titel "Die Bäume" auf Deutsch erschienen.

Das winzige Nest Money in Mississippi war 1955 Schauplatz des Lynchmords an dem erst 14-jährigen Schwarzen Emmett Till. Gut sechzig Jahre später kommt es zu einer Mordserie, eines der ersten Opfer ist der Sohn eines der beiden Lynchmörder von damals.

Ein falscher Pfiff als Todesurteil

"Wheat Bryant ist der Nachfahre jenes Bryant, der zusammen mit seinem Schwager den jungen Emmett Till gefoltert und ermordet hat", erzählt Percival Everett über seinen Roman. "Carolyn, die jetzt eine alte Frau ist und bei mir Granny C heißt, basiert auf jener Carolyn Bryant, die damals fälschlicherweise behauptet hat, der 14-jährige Emmett hätte ihr nachgepfiffen. Für ihren Mann und dessen Schwager reichte das, um Emmett daraufhin umzubringen."

Neben den toten weißen Männern findet sich jedes Mal die Leiche eines verstümmelten Schwarzen, die jedoch auf rätselhafte Weise wieder verschwindet. Deshalb werden zwei schwarze Detektive von außerhalb auf den Fall angesetzt. Die bekommen es mit rassistischen Rednecks zu tun, die für den satirischen Tonfall dieses Krimis sorgen. Das letzte Vereinstreffen, meint einer von ihnen, sei schon so lange her, dass er seine Kapuze nicht mehr finde. "Sie gehören zum Ku-Klux-Klan, sie sind also notwendigerweise lächerlich in ihrer Cartoonhaftigkeit und Dummheit", erklärt Everett. "Ich wollte da einfach nur historisch genau sein."

Percival Everett

Percival Everett

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Der Roman zum Song

Percival Everett ist 66 und lebt mittlerweile in Los Angeles. Früher hat er neben dem Schreiben Pferde trainiert, noch früher Philosophie studiert, heute repariert er nebenbei alte Musikinstrumente. So vielseitig seine Interessen sind, so vielfältig ist auch sein Schreiben. Mit jedem Buch erfindet er sich neu, weshalb ihn sein Agent schon angebettelt habe, wiedererkennbarer zu sein.

Das lehnt Everett jedoch, und das zeigt auch der neue Roman "Die Bäume", vehement ab. Was ihn dieses Mal zu seinem Buch hingeführt hat, war ein Song im Radio, "I Will rise up" von Lyle Lovett. "1904 konnte man an jeder Straßenbiegung eine Leiche liegen sehen, so in etwa geht der Text", erzählt Everett. "Es sind aber der Gospelchor und die außergewöhnliche Stimme von Lyle Lovett, die den Song so gespenstisch und bewegend machen, dass er für mich zum Ausgangspunkt für diesen Roman geworden ist."

Die Namen der Toten

In einem Kapitel des Romans schreibt ein junger Wissenschaftler mit Bleistift tausende Namen von Lynchmordopfern ab, einen nach dem anderen. "Ich habe das auch gemacht", so Percival Everett. "Es waren nicht Tausende von Namen, die ich nacheinander aufgeschrieben habe, aber es waren mehr als tausend und es war eine bewegende Erfahrung. Ich habe die Namen aber nicht wie Damon anschließend ausradiert, um sie zu befreien."

Hannah Arendt hat über die Banalität des Bösen geschrieben, Percival Everett zeigt die Lächerlichkeit des Bösen und die sich selbst entblößende Blödheit jedes Rassismus. Hohe Kunst ist das, wie Everett in "Die Bäume", Humor und Horror, Spaß und Spannung ineinanderfließen lässt. Zur Entspannung darf man dann die beiden wortwitzigen wahren Detektive auf einen Plausch bei einem Kaffee oder auf ein Blues-Konzert bei einem Bierchen begleiten.

Service

Percival Everett, "Die Bäume", Hanser
Originaltitel: "The Trees"

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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