ORF-Kameramann, Sportübertragung

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Multimedialer ORF-Sport mit neuer Führung

Sport zwischen Sparen und Aufbruch

Ein Satz von Mikaela Shiffrin, die über das Tabuthema Regelschmerzen von Sportlerinnen gesprochen hat, ist viral gegangen. Weil ORF-Interviewer Peter Brunner "Monthly Cycle" mit "monatliches Radfahren" übersetzt hat. Der Sportjournalist hat sich entschuldigt, sein Fehler hat der Sache zu großer Publicity verholfen. Aber nicht alles, was beim ORF-Sport schiefläuft, muss gut ausgehen. Stichwort: das geplante Aus für den Spartenkanal Sport plus. Der neue Sportchef Hannes Aigelsreiter steht vor vielen Herausforderungen.

Die geplante Einstellung des Spartenkanals hat für einen Riesenaufschrei bei den Verbänden gesorgt. "ORF Sport plus - ein Muss", trommelt Sport Austria, der Dachverband. Michael Fiala von der Plattform "sportsbusiness.at" erklärt warum: "Jetzt zu sagen, in einem Jahr drehen wir den Sender ab: Das wäre sicher für viele Verbände ein finanzielles Desaster, wenn es nicht gar in Richtung Existenzbedrohung geht."

"Finanzdesaster, wenn nicht Existenzbedrohung"

Denn an der Präsenz der Randsportarten im ORF-Fernsehen hängt auch das Geld. Die Vereine und Verbände fürchten um ihre Sponsorverträge. "Weil natürlich, wenn man jetzt Verhandlungen mit Sponsoren abgeschlossen hat, ist die Sichtbarkeit im ORF Sport plus immer natürlich verankert gewesen, man hat damit geplant und auch kalkuliert", sagt Fiala. Falle das weg, dann sei das Sponsoring viel weniger attraktiv.

Die Sichtbarkeit am Beispiel von Landhockey

Genauso wichtig sei aber die Sichtbarkeit von Sportarten generell, sagt Fiala. Er nennt das Beispiel Landhockey, da war gerade die Weltmeisterschaft in Südafrika: "Was ich gehört habe, hat das extrem hohe Einschaltquoten erreicht, weil es eben auch über die diversen ORF Kanäle dann angetriggert wurde und die Leute das dann schon angeschaut haben." Ein Punkt, der auch Hans Peter Trost sehr wichtig ist. Er war bis Ende Februar ORF-Sportchef und sieht als ein großes Verdienst in seiner Zeit die Förderung des Frauensports.

Förderung von Frauensport als USP des ORF

"Das ist ja auch unser Alleinstellungsmerkmal, dass wir auch live Sport zeigen, den Frauen ausüben, wie Fußball, Skispringen, Biathlon, Langlaufen. Das machen die anderen nicht", sagt Trost. Die Fußballerinnen haben ihre Auftritte längst auf ORF1 mit der größeren Reichweite, ein Konzept, das laut ORF-Generaldirektor Roland Weißmann nach dem geplanten Aus für Sport plus auch für andere Sportarten greifen soll. Der Platz auf ORF1 könnte an vielen Wochenenden knapp werden, wenden Kritiker ein: Da wird oft jetzt schon von früh bis spät Sport übertragen.

Lineare Sport-Übertragungen immer noch Quotenhits

Eine digitale Sport-Plattform des ORF, die Übertragungen liefern soll, sei nicht das Gleiche, sagt Michael Fiala: "Es ist schon so, dass Live-Sport noch einer der wenigen Bereiche ist, wo TV mit sehr guten Quoten weiterhin punkten kann." Das heißt im besten Fall Millionenpublikum, etwa bei Ski Alpin und Fußball-WM, und das bedeutet wiederum Werbeeinnahmen. Der Sport trägt das immer wieder kritisierte Programm von ORF1. Hans Peter Trost nennt Zahlen: "Was die Reichweiten betrifft: Wir bespielen 16 Prozent von ORF1 und generieren über 40 Prozent Nutzung. Und das ist für so einen Sender schon sehr toll."

"Wir sind auf jeden Fall Teil des Business"

Dabei ist klar: So wie das Publikum interessiert auch die Werbewirtschaft vor allem der Premium-Sport. Sportsbusiness-Herausgeber Fiala: "Vier große Sportarten - Fußball, Skifahren, Formel 1 und und Skispringen. Die erreichen 80 Prozent des Werbedrucks der Sponsoren und alle anderen 80 Sportarten teilen sich die restlichen 15 bis 20 Prozent." Um Fußballspiele, Skirennen und die Formel eins übertragen zu können, braucht der ORF Lizenzen. Das Ringen um diese Übertragungsrechte sei längst zu einem Wettlauf verkommen, wer immer noch mehr Geld bieten kann, ein Riesen-Business, und der ORF mittendrin, räumt Hans Peter Trost ein. "Wir sind auf jeden Fall Teil des Business, wie du ja im Sport fast nichts mehr senden kannst, ohne dass du Rechte kaufst. Du bist gezwungen, dir zu überlegen: Wo setze ich das Gebührengeld sinnvoll ein?" Der ORF müsse abwägen, was ein Muss ist und was nicht mehr geht.

Zwei Drittel des Budgets für Übertragungsrechte

Manche Sportrechte - etwa für die Formel1 - sind mit Privaten geteilt. Rund zwei Drittel seines Budgets, das er mit 70 bis 80 Millionen Euro im Jahr beziffert, seien für Rechte draufgegangen, sagt Trost. "In etwa 70 Prozent des Budgets entfallen auf Lizenzkosten oder vielleicht 60 bis 70 Prozent. Und wir haben dann so Dinge gehabt, wo wir gesagt haben wir können bei der Champions League als Beispiel nicht mehr mit, weil sich das ja mehr als verdoppelt und verdreifacht hat."

Es bleiben dennoch jede Menge Übertragungsrechte eben auch im Nicht-Premium-Bereich - und die Sportereignisse müssen dann auch auf den TV-Schirm übertragen werden. Und zwar live - das ist die Devise seit Trosts Vorgänger Elmar Oberhauser. Dafür braucht es viel Personal, die Redaktion ist ausgelastet. Für kritische Hintergrund-Recherchen bleibt nicht viel Zeit, für Formate dazu fehlt das Geld, sagt Trost.

Kritisches sport-journalistisches Format fehlt

Beobachter Michael Fiala sieht das als große Schwachstelle. "Es gibt de facto kein kritisches journalistisches Format im ORF, und das finde ich extrem schade. Das können die Schweizer Kollegen, das können die deutschen Kollegen. Da blicke ich schon sehr neidisch über die Grenzen." Als die frühere Skirennläuferin Nicola Werdenigg sexuellen Missbrauch im ÖSV thematisiert hat und mit ihrem eigenen Fall an die Medien gegangen ist, stieß sie beim ORF-Sport auf taube Ohren: "Es ist auch damit begründet worden, dass der Sport zu nahe an den Akteuren des ÖSV dran ist. Dass durch die Medien-Partnerschaft mit dem ÖSV Befangenheit geherrscht hat", so Werdenigg.

Berichtet wurde vom ORF schon, aber in den Informationssendungen. Radio-Sportredakteur Adi Niederkorn hat vor fünf Jahren in #doublecheck dazu gesagt, Zitat: "Mir ist das sehr recht, wenn diese Sachen dann die Chronik-Redaktion macht, die kennen die Personen nicht."

"Haben nicht immer nur gefragt: Wie geht es Ihnen?"

Hans Peter Trost betont jedenfalls, dass er seine Leute nie zurückgehalten habe, wenn es um Kritik am ÖSV oder anderen Partnern des ORF gegangen ist. "Da hat es keine Vorgaben gegeben, etwas nicht zu fragen oder auf irgendwas Rücksicht zu nehmen, weil wir irgendwo Lizenznehmer sind." Und der Ex-Sportchef weiter: "Da kann man natürlich immer mehr machen. Aber wir haben uns bemüht, das auch in den großen Live-Strecken zu tun. Auch kritische Interviews zu machen, nicht nur zu sagen: Wie geht es Ihnen? Das haben wir selbstverständlich probiert. Es ist nicht immer gelungen."

Hannes Aigelsreiter

ORF/ROMAN ZACH-KIESLING

Hannes Aigelsreiter

Junge sollen mehr Chancen bekommen

Trost ist seit Mittwoch offiziell im Ruhestand, sein Nachfolger ist der bisherige Radio-Chefredakteur Hannes Aigelsreiter. Dem will er naturgemäß keine Ratschläge geben, aber in einem Punkt treffen sich die beiden. Die jungen Frauen und Männer in der Sportredaktion müssten stärker gefördert werden, über die Präsentation des Kurz-Sports nach der ZIB - immerhin vor Millionenpublikum - hinaus. Kommentieren und Moderieren vor allem der großen Zwei - Fußball und Skifahren - dürften keine Erbpachten für Platzhirschen sein. Hans Peter Trost schwächt nur wenig ab: "Ich würde nicht sagen: Platzhirschen."

Aber es gebe natürlich Persönlichkeiten, so Trost, "die beim Publikum gut ankommen. Und wir haben das auch immer abgefragt. Aber eines ist richtig, dass man parallel dazu auch junge Menschen in die Positionen bringen muss - ich sage muss." Sein Nachfolger muss jetzt die multimediale Sportredaktion aufbauen, mit einem Team von - Größenordnung - hundert Leuten. Die Jungen sollen eine Chance bekommen, auch in schwierigen Formaten, verspricht Hannes Aigelsreiter.

"Sport ist ja auch Politik" als Credo des Neuen

Und er will einen klaren Trennstrich zwischen Sport als Unterhaltung und Sport als Information ziehen. Ergebnis-Berichterstattung allein sei zu wenig, der Sport müsse journalistischer werden - für einen langjährigen Politikjournalisten wie Aigelsreiter ist das der logische Zugang. Er plant bei aktuellen Anlässen auch Diskussionen mit dem Arbeitstitel "Sportrunde", die er selber leiten will. Sport sei ja auch Politik - verweist er auf Machtzentren wie ÖSV und ÖFB, denen man auf die Finger schauen müsse. Und als Vorbild nennt Aigelsreiter einen, der einen ähnlichen Zugang gehabt habe: sein Vorvorgänger als Sportchef, Elmar Oberhauser.

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