Frau am Tisch mit Notizbuch und Laptop

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Dimensionen

Wenn die Arbeit niemals endet

Berufliche Anrufe nach Feierabend, E-Mails am Wochenende, Textnachrichten im Urlaub - Internet und Smartphone tragen dazu bei, dass die Hemmschwellen in der beruflichen Kommunikation niedriger werden. Die Arbeitstage werden länger und die Erwartungen an die Arbeitnehmer:innen steigen, immer erreichbar zu sein. Folglich kann die Grenze zwischen Berufsleben und Privatleben verschwimmen. Besonders stark betroffen sind Menschen, die von zu Hause arbeiten.

Im Frühjahr 2021 hat Eurofound, die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, eine Umfrage zum Homeoffice durchgeführt: Circa 20 Prozent der europäischen Arbeitnehmer:innen gaben an, regelmäßig zu Hause zu arbeiten. Das sind doppelt so viele wie vor der Pandemie. Und die Studie zeigte auch, dass im Homeoffice mehr Überstunden gemacht werden als im Büro. Die Arbeitszeit werde aber nicht immer vollständig erfasst.

Das Recht auf Nichterreichbarkeit

Auch deswegen hat das Europäische Parlament vergangenes Jahr begonnen, sich mit arbeitsrechtlichen Mindeststandards für Telearbeit auseinanderzusetzen. Dazu gehört auch ein Recht auf Nichterreichbarkeit. Das brauche es, damit die gesetzlich verankerten Arbeits- und Ruhezeiten auch abseits des Büros eingehalten werden, sagt der Rechtswissenschafter Martin Gruber-Risak von der Universität Wien.

„Viele Tätigkeiten, die früher ans Büro gebunden waren, können wir jetzt auch zu Hause, zeit- und ortsunabhängig machen“, so Gruber-Risak. Das Recht auf Nichterreichbarkeit wolle diese Entgrenzung bis zu einem gewissen Grad rückgängig machen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit haben, Ruhezeiten einzuhalten, ohne Druck von den Vorgesetzten oder Nachteile am Arbeitsplatz fürchten zu müssen.

Das größte Problem in diesem Zusammenhang sind arbeitsbezogene E-Mails, die in der Freizeit eingehen. Viele checken ihre Mails noch nach dem Abendessen und geraten ob des vollen Posteingangs in einen Stresszustand. Oft werden die Mails dann noch bearbeitet, um den Erwartungen der Führungskräfte zu entsprechen, was wiederum bei Beförderungen eine Rolle spielen kann. Eine andere Motivation, am Feierabend noch zu arbeiten, ist, den Arbeitsdruck des kommenden Tags zu reduzieren.

Frau hält sich Kopf

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Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit

Bei Arbeitenden, die einen Zwang erleben, ständig erreichbar zu sein, erhöht sich das Risiko für Burn-out, Depressionen und Angstzustände. Zu lange Arbeitstage und zu kurze Ruhezeiten schaden der körperlichen und geistigen Gesundheit. Einige Unternehmen versuchen deswegen die Dauererreichbarkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterbinden: E-Mails werden dort erst eine halbe Stunde vor Beginn der Gleitzeit und bis eine halbe Stunde nach Ende der Gleitzeit weitergeleitet. Andere fordern dazu auf, jede Arbeitsstunde zu erfassen, also auch E-Mails und Telefonate nach Ende der Arbeitszeit, damit die zumindest als Freizeit ausgeglichen werden könnten.

Doch diese Regelungen seien von der jeweiligen Unternehmenskultur abhängig, sagt Gruber-Risak. Noch hätten die Arbeitenden kein Recht darauf. Entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen könnten den Arbeitnehmerschutz verbessern. Würde das Beantworten von E-Mails am Abend oder am Wochenende als Arbeitszeit erfasst, müsste die im Fall von Überstunden mit Zuschlägen entlohnt werden.

Solche rechtlichen Regelungen könnten sich auch an Führungskräfte richten. „Jedes Mal, wenn ein E-Mail von einem Vorgesetzten beim Mitarbeiter eingeht, muss man automatisch davon ausgehen, dass diese Nachricht beantwortet wird und dass das als Arbeitszeit zählt“, so Gruber-Risak. Das könnte also verhindern, dass Führungskräfte nach Ende der Arbeitszeit überhaupt noch E-Mails mit Arbeitsaufträgen verschicken.

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