"All the Beauty and the Bloodshed", Fotografie von Nan Goldin

NAN GOLDIN

Prämierte Doku

Beauty and the Bloodshed

Die US-Amerikanerin Nan Goldin gilt als eine der prominentesten Foto-Künstlerinnen der Gegenwart. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre persönlichen Einblicke in US-amerikanische Geschlechter-Subkulturen und Drogenmilieus. Nun hat die amerikanische Regisseurin Laura Poitras in ihrem Dokumentarfilm "All the Beauty and the Bloodshed" Goldin und ihr vielfältiges Engagement porträtiert - unter anderem als Aktivistin gegen die Pharmalobby in den USA. Letztes Jahr wurde der Film in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

"100.000 Tote, ... 100.000 Tote ..." skandieren 2018 lautstark Mitglieder der Gruppe P.A.I.N. am New Yorker Metropolitan Museum of Art. Die Empörung richtet sich gegen Inhaber der Pharmafirma Purdue, also die Milliardärsfamilie Sackler, die mit dem stark süchtig machenden Schmerzmittel Oxycontin hohen Profit macht. Geld, mit dem die Sacklers weltweit renommierte Museen sponsern. "Toxische Philantropie" nennt das die New Yorker Fotografin Nan Goldin, Gründerin der Gruppe P.A.I.N.:

Mein Hass auf die Sacklers ist wirklich persönlich.

Kein Wunder, war Nan Goldin doch selbst Oxycontin-süchtig, zudem sind mehr als eine halbe Million Menschen in den USA durch die sogenannte Opioid-Krise an einer Überdosis gestorben. Als Fotografin hat sie schon in den 1980er Jahren die sozialen Auswirkungen von Aids festgehalten. "Nan Goldin hat immer schon auf das Versagen der Gesellschaft hingewiesen. Für mich drängen sich somit Parallelen zwischen damals und der heutigen Gesundheitskrise mit Oxycontin geradezu auf", meint die US-Regisseurin Laura Poitras.

Fotografie von Nan Goldin

NAN GOLDIN

Konfliktbeladene Biografie

Ausgehend von Goldins gegenwärtigem Aktivismus rollt der Film die konfliktbeladene Biografie der Künstlerin auf: schwieriges Elternhaus, Suizid ihrer älteren Schwester Barbara, ein turbulentes Beziehungsleben, Alltag in einer durch Drogen geprägten New Yorker Subkultur - dokumentiert auf Selbstporträts und Fotos von Weggefährten und Freundinnen. Nan Goldins berühmte Diashow-Aktionen hat sich Regisseurin Poitras selbst erzählerisch zu nutzte gemacht, die Bilder davon immer wieder in den Film organisch eingewebt.

"Therapie ohne Therapeuten", Nan Goldin

Filmplakat

POLYFILM FILMVERLEIH

Nan Goldin hat sich als Künstlerin nie gescheut, Privates zu offenbaren. Auch in zahlreichen Interviews für den Film ist sie offen und direkt, erzählt von eigenen Gewalterfahrungen als ein letztes Mittel, um eine komplizierte Beziehung zu beenden, aber auch über die Strenge der Mutter, die selbst ein Opfer von Gewalt war, schließlich von ihrer Tätigkeit in einem Bordell. "Die Gespräche mit Laura Poitras sind für mich wie Therapie ohne Therapeuten gewesen", sagt Nan Goldin.

Tabuzonen mit der Kamera betreten

"All the Beauty and the Bloodshed" ist intimes Künstlerporträt und politisches Pamphlet gegen zugleich. Das Private öffentlich zu machen, wird ausdrücklich zum Programm, um Tabuzonen wie Sexualität, Krankheit, Sucht und Tod offensiv zu betreten. Schicksale in sozialen Krisen, auch jene von verschwundenen haben Gesichter, Nan Goldins Fotos und der Film geben sie ihnen zurück.

Gestaltung

  • Arnold Schnötzinger