SALZBURGER FESTSPIELE/MONIKA RITTERSHAUS
Opernabend
Martinus "Greek Passion"
Die Oper von Bohuslav Martinu erstmals bei den Salzburger Festspielen. Mit Gábor Bretz (Priester Grigoris), Luke Stoker (Patriarcheas), Matthäus Schmidlechner (Michelis), Sara Jakubiak (Die Witwe Katerina) u.a. Wiener Philharmoniker. Dirigent: Maxime Pascal.
20. September 2023, 12:00
Martinu beschreibt die Probleme seiner Zeit. Es sind aber unsere Probleme
Markus Hinterhäuser
Aus ihrer Heimat Vertriebene, die an einem anderen Ort Zuflucht suchen, die aber, statt Hilfe zu bekommen, dort sogleich mit Misstrauen und Verleumdungen konfrontiert werden, weil man um die "althergebrachte Ordnung" fürchtet. Solche Ereignisse sind auch in unserer Zeit traurige Wirklichkeit. Die Oper, in der ein solches Schicksal von Geflüchteten thematisiert wurde, ist aber bereits in den späten 1950er Jahren entstanden: "The Greek Passion" ("Griechische Passion") von Bohuslav Martinů (1890-1959), nach dem Roman "Der wiedergekreuzigte Christus" von Nikos Kazantzakis.
Geflüchtete erbitten Hilfe
Die Handlung des vieraktigen Werks vollzieht sich auf mehreren ineinander verwobenen Ebenen. Den Einwohnerinnen und Einwohnern des wohlhabenden Dorfs, von denen die Geflüchteten Hilfe erbitten, steht der Priester Grigoris vor; für ihn scheinen christliche Werte nur Lippenbekenntnisse zu sein, er versagt den Geflüchteten die Hilfe und stellt sogleich falsche Behauptungen auf.
Einen Gegenentwurf bildet eine kleine Gruppe einfacher Leute, die zu Beginn der Oper auserkoren wurden, im nächsten Jahr in einem Passionsspiel mitzuwirken. Ein Wirt soll den Apostel Jakobus darstellen, die Dorfprostituierte die Maria Magdalena; dem Schmied wurde die Rolle des Judas anvertraut und einem Schafhirten die Hauptrolle des Christus. Sie machen sich Gedanken, wie sie ihre Rollen anlegen sollen, und beginnen mehr und mehr, "christliche Werte" selbst und wahrhaft zu leben - vor allem Manolios, der Christus-Darsteller; er gehört zu den wenigen, die den Vertriebenen gegenüber Humanität und Hilfsbereitschaft zeigen - und wird deshalb am Ende, von Priester Grigoris aufgehetzt, vom Darsteller des Judas ermordet.
Maxime Pascal dirigiert Züricher Zweitfassung
Bohuslav Martinu hatte zuerst die Idee, den Roman "Alexis Sorbas" von Nikos Kazantzakis zu vertonen, der Schriftsteller soll dann aber den Komponisten überzeugt haben, seine 1948 geschriebene "Griechische Passion" als Grundlage für eine neue Oper zu verwenden. Diese war in den späten 1950er Jahren fertiggestellt - eine am Königlichen Opernhaus Covent Garden geplante Uraufführung ist aber nicht zustande gekommen. In einer grundlegenden Überarbeitung ist das Werk erst 1961 (zwei Jahre nach dem Tod des Komponisten) im Opernhaus von Zürich zur Weltpremiere gekommen - in deutscher Übersetzung.
Während man bei den Bregenzer Festspielen 1999 die rekonstruierte Originalfassung präsentiert hat, bieten die Salzburger Festspiele in diesem Sommer die sogenannte Züricher Zweitfassung, diese allerdings in englischer Sprache. "Sie ist stringenter und wirkungsvoller, die Geschichte wird geradliniger erzählt, und die Farben und das ‚Parfum‘ der Partitur sind darin konzentrierter", so der Dirigent Maxime Pascal, der 2014 den Young Conductors Award der Salzburger Festspiele gewonnen hat - und jetzt bei diesem Festival erstmals eine szenische Opernproduktion leitet.