Friedrich Cerha

APA/HERBERT PFARRHOFER

Neue Musik auf der Couch

Friedrich Cerha: 2. Streichquartett

"Es begann damit, dass mir Ligeti, mit dem mich eine lange Freundschaft verband, eines Tages ein Band brachte, mit Musik der Papuas von Neuguinea. Und diese Musik hat mich völlig überrascht." So erinnert sich der Komponist Friedrich Cerha in einem Interview daran, wie er zum ersten Mal in Kontakt mit der Musik der ethnischen Gruppe der Iatmuls kam; einer Musik, die den Komponisten zutiefst beeindruckte.

Ich komme, wie Sie wissen, ja noch aus dem musikalischen Entwicklungsdenken, und da war plötzlich eine Musik, die rein statisch war, keine Gegensätze kannte, keine unterschiedlichen Spannungsverhältnisse, und auch keine unterschiedliche, gegensätzliche Dynamik, sondern einfach eine Kontinuität von Klang war mit verschieden langen melodischen Floskeln, die wiederholt wurden und die , weil die Floskeln verschieden lang waren, übereinandergeschichtet waren, sodass eine Art von Polymetrik entstand; und das hat mich sehr fasziniert.

So wie die Flötenklänge der Iatmuls, so besteht auch Friedrich Cerhas 2. Streichquartett über weite Strecken aus der sich beständig transformierenden Reihung und Übereinanderlagerung melodischer Gebilde. Diese Kompositionsmethode, die sowohl der "3. Langegger Nachtmusik" als auch dem 2. Streichquartett eigen ist, bezeichnete Cerha einmal als "Technik, eine fast endlos scheinende Kette melodischer Formeln ineinanderzuschieben".

Formal betrachtet besteht das 2. Streichquartett aus einem riesigen Spannungsbogen, der vom leisen Unisono-Einzelton zu Beginn zu einer lauten, wilden Klimax führt, einem furiosen Geflecht von quasi-unabhängigen Einzelstimmen. Nach dem Erreichen des Gipfels folgt ein langer Abstieg, der grundsätzlich in seiner Machart dem Aufstieg nicht unähnlich ist. Allerdings endet das Werk nicht in leisen Unisono-Einzeltönen, sondern erstarrt in blockartigen Akkorden, die mit der lautesten Dynamik des Werkes versehen sind.

Eine direkte klangliche Ähnlichkeit zwischen Cerhas Musik und der Musik der Iatmuls ist für kürzere Zeit am Beginn wahrnehmbar, wo die Flötenklänge der Iatmuls eine Entsprechung in den mikrotonalen Flageoletts der Streicher finden. Abgesehen von dieser Episode ist das Werk nur auf einer abstrakten Ebene den Iatmuls verpflichtet, eine Tatsache, die Cerha selbst hervorstreicht: "Um nicht zu Missverständnissen Anlass zu geben, möchte ich aber ausdrücklich darauf verweisen, dass es natürlich nicht darum ging, den exotischen Klangreiz außereuropäischer Musik nachzuahmen und auch nicht darum, Ausdruckswerte anderer Völker aufzugreifen. Was entstand, ist durchaus Musik aus unserem Kulturkreis; eine Musik freilich, die dadurch ihr Profil erhielt, dass die schöpferische Fantasie sich an musikalischen Zuständen und Konstellationen beflügelt hat, wie es sie in unseren Breiten nicht gibt."

Gestaltung

  • Thomas Wally

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