Ö1 Talentebörse

Tina Graf, Zeichnung und Druckgrafik

Tina Graf ist Druckgrafikerin, Radfahrerin und alles, was dazwischen liegt. In Taiwan geboren und in Österreich aufgewachsen, findet man sie oft beim Spazieren in den Bergen, beim Durchqueren halb Europas auf ihrem Fahrrad oder im Atelier, wo sie das aufzeichnet, was sie unterwegs zusammengetragen hat. Identitätsfragen sind ein zentraler Fokus für Tina Graf, und sie betrachtet es als wahre Leistung, den Mut zu haben, offen auf Menschen zuzugehen und Nähe zuzulassen.

Ihre Arbeit „Balkonia Blues“ wurde 2023 zur Ö1 Grafik des Jahres gewählt. „Balkonia Blues“ zeigt ein Segment eines Motives von Graf aus dem Jahre 2020 mit dem Titel „Da, wo man selten ist“. Der Fokus des Werkes liegt nicht auf einer nüchternen Abbildung, sondern auf der bewussten Inszenierung von Emotionen und Gefühlen. Die Ö1 Grafik des Jahres erscheint im September in einer Auflage von 150 Stück und ist online im ORF-Shop zu erwerben.

Was bedeutet der Titel Balkonia Blues - in Eb major?

"Balkonia Blues - in Eb major" ist der Titel der Ö1 Grafik des Jahres und gleichzeitig der Titel der Musik, die mir in den Sinn kommt, wenn ich das Bild betrachte. Das Motiv wurde von meinem geliebten und begehrten Ort Balkonien inspiriert. Zusammen mit einem Freund und Musiker Federico Casagrande sprachen wir über Kunst, die Emotionen weckt. Im Austausch kamen wir gemeinsam zu dem Entschluss, dass das Bild einen Blues in Eb major zu uns spricht. Ich lade alle ein, eigene Akkordassoziationen zu meiner Grafik zu entwickeln.

Was gefällt Ihnen besser: der Prozess des Entwurfs und die Ideenfindung oder die Arbeit am Druck?

Beide Teile haben ihren Reiz und ihre Herausforderungen. Für mich funktioniert der Entwurfsprozess und die Ideenfindung nicht linear, sondern simultan. Oft arbeite an mehreren Projekten gleichzeitig, da es nicht immer einfach ist, eine gute Idee zu haben und gleichzeitig genügend Energie für die Umsetzung aufzubringen. Ich jongliere zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen mehrerer Projekte hin und her, um stets die besten Qualitäten mit der größten Konzentration zu erreichen.

Wieviel Farbe braucht der Mensch und wieviel Dunkelheit?

Alle Farben der Regenbogen Palette. Und in meinem Schlafzimmer, vollkommene Dunkelheit - Sehr gerne!

Was ist Kunst?

Kunst ist ein äußerst individuelles Konzept und ihre Grenzen sind sehr schwer und gefährlich zu definieren. Für mich ist es ein Prozess, bei dem Intuition und Fertigkeit Hand in Hand gehen und mich auf eine Reise ins Unbekannte führen. Das Ergebnis ist oft eine Fusion bewusster und unbewussten Ideen, die dem Publikum in einer visuellen Darstellung nahegebracht werden. Kunst ist ein Versuch den Dingen auf den Grund zu gehen. Eine Sprache, deren Grammatik ständig neu erfunden werden kann. Etwas, das berührt. Ein Stück Zeitreise.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Mein Weg zur Kunst begann in meiner Kindheit, als ich anfing, Musik zu üben. Dies half mir, eine Verbindung zu meinem Inneren herzustellen, meine künstlerischen Fähigkeiten zu verfeinern. Die Musik wurde meine erste Sprache, von der ich glaube, dass sie international verständlich ist. Später entdeckte ich die Freude am visuellen Ausdruck durch die Fotografie und die Herstellung von Druckgrafiken. All diese Erfahrungen haben dazu beigetragen, meine eigene künstlerische Vision zu formen.

Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?

Nur wer wirklich will, kann. Und manchmal ist mein innerer Motor des Handelns so laut und mein Drang so groß, dass es an ein Muss grenzt.

Wo würden Sie am liebsten ausstellen/auftreten/inszenieren?

Am liebsten würde ich in den Weiten eurer Gedanken ausstellen. Wenn meine Kunst im ersten Moment vielleicht übersehen wird, aber Tage oder Monate später, bei einer ganz anderen Tätigkeit wieder in den Sinn kommt, empfinde ich das als Erfolg.

Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?

Mit Menschen mit Biss, Funk, Mut, Witz, und einem Hang zum Irrsinn.

Wie viel Markt verträgt die Kunst?

Ich möchte hier nicht ausführlich auf den kommerziellen Kunstmarkt eingehen, da dies den Rahmen dieses Interviews sprengen würde. Wenn wir den Markt jedoch als eine Plattform verstehen, die es ermöglicht, gute Kunst zu schaffen, Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne zu bieten, Kunstwerke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und Projekte zu unterstützen, dann würde ich sagen: sehr viel!

Und wie viel Kunst verträgt der Markt?

Ganz viel gute Kunst.

Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?

Für eine Kaspressknödlsuppn’ auf einer Bergalm (mit Aussicht!) Und hoffentlich geht sich dann noch ein Kaffee aus.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

In zehn Jahren sehe ich mich Brücken zwischen Europa und Asien bauen und Verbindungen erkunden, die meine Kunst zwischen den Kulturen schafft. Ich will einen gedanklichen Bogen spannen und gemeinsam mit dir, Hans, in einem Interview die vergangenen zehn Jahre anhand meiner Arbeiten reflektieren und über meine soeben eröffnete Ausstellung im National Museum of Fine Arts Taiwan sprechen.

Haben Sie einen Plan B?

Wenn der Plan B ins Spiel kommt, ist der dann nicht mein Plan A?

Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?

Während meiner Radreise von Wien nach Istanbul im vergangenen Sommer erklärte mir ein Mann, dass die Existenz meiner Achselhaare unangebracht sei. - Das sehe ich anders! Das macht mich wütend.

Wollen Sie die Welt verändern?

Ich glaube, dass wir mit Kunst und generell mit unseren Handlungen im Leben die Fähigkeit haben, einen Einfluss auf unsere Umgebung und damit in gewissem Maße auf die Welt zu haben. Gefühle und Ideen können kraftvolle Impulse für die Zukunft sein. Doch, ob ich alleine die Welt verändern kann? Wollen wir zusammen die Welt verändern? Ja! Sehr gerne.

Übersicht

https://oe1.orf.at/collection/583298