Eine Installation von blutroten Schuhen, die als Mahnmal für Gewalt gegen Frauen dienen sollen

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Männergewalt - und was man dagegen tun kann

Jeder dritte Mann zwischen 18 und 35 Jahren findet es akzeptabel, beim Streit mit der Partnerin handgreiflich zu werden. Das belegt eine aktuelle Umfrage aus Deutschland. Trotz #MeToo und öffentlichen Aufschreis gegen Gewalt an Frauen zeigt sie: Auch in der jungen Männergeneration sind patriarchale Geschlechterstereotype tief verankert.

Knapp drei Viertel der jungen Männer, die in der Studie mitgemacht haben, glauben, ihre persönlichen Probleme selbst lösen zu müssen und dabei nicht um Hilfe bitten zu dürfen. Dabei handelt es sich um eine von vielen problematischen Überzeugungen, die im Zuge der traditionellen Sozialisierung von Buben erlernt werden und im Erwachsenenleben zu Konflikten führen können. Dazu zählt auch der Satz, ein Krieger kenne keinen Schmerz. Identifiziert man sich als Junge und will als solcher von der Umgebung wahrgenommen und bestätigt werden, darf man nicht weinen und übergeht seine Gefühle, um dem Bild eines Kriegers, respektive eines Manns, zu entsprechen. Dabei stellt sich die Frage:

Wann ist ein Mann ein Mann?

Männlichkeit bzw. Geschlechterzuschreibung, Identität und Selbstwert sind eng miteinander verbunden. Gerät ein Aspekt ins Wanken, können Spannungen im Innen und Außen entstehen.

Christian Scambor, Psychologe "Häufig versuchen Männer, die Gewalt anwenden, ihr Gefühl von Kontrollverlust, beispielsweise in der Beziehung, durch Gewalt auszugleichen. Oft stellt sich heraus, dass die Männer keinen hohen Selbstwert haben."

Dahinter stecke die Überzeugung, ein "echter Mann" müsse dominant und durchsetzungsstark sein, komme, was wolle.

Einer der bekanntesten Slogans im Kampf gegen Femizide lautet:

Don’t protect your daughters, educate your sons.

Sinngemäß also: Wenn ihr eure Söhne richtig erzieht, dann müssen Frauen und Mädchen nicht beschützt werden. Die deutsche Entwicklungspsychologin Meike Watzlawik findet diese Forderung zwar insofern sinnvoll, als dass es eine Aufforderung sei, Männer zu Verbündeten gegen Sexismus zu machen. Allerdings müssen nicht nur Buben, sondern auch Mädchen dabei unterstützt werden, bestehende Geschlechterstereotype zu dekonstruieren. Jene Frauen, die momentan von Gewalt betroffen sind, können nicht auf eine zukünftige Generation von gewaltfreien Männern warten. Für sie ist es wichtig, schon heute ein Gefühl von selbstbestimmter Kontrolle zu entwickeln.

Patriachale Rollenbilder schaden auch den Männern

Während Femizide die brutale Spitze des Eisbergs darstellen, schaden patriarchale Rollenbilder auch Männern. Die Scham, über Gefühle zu sprechen, Schwäche zu zeigen oder professionelle Hilfe zu suchen könnte etwa eine Erklärung dafür sein, warum zwei Drittel der Suizide in Österreich von Männern begangen werden. "Ich habe mich stark gefühlt, wie ein Macker, wenn ich jemanden zusammengeschlagen habe und meine Freunde mich bewunderten. Das war dumm. Heute ist das Leben viel leichter", sagt ein ehemaliger Gewalttäter, der ein Anti-Gewalt-Training absolviert hat.

Susanne Pekler

Susanne J Pekler, Leiterin Neustart Steiermark „Ganz häufig sind Menschen aus Verzweiflung oder weil sie keine andere Handhabe mehr haben gewalttätig. Da geht es eben viel darum, Kommunikation zu trainieren. Wie kann ich anders meine Bedürfnisse, die ich habe, befriedigt bekommen, ohne dass ich mir etwas mit Gewalt nehme?“

Fotogenia, Renate Trummer

Welchen Einfluss hat das traditionelle Männerbild auf Gewalt in der Gesellschaft? Und können offene Geschlechterrollen diese beenden oder reduzieren? Auf der Suche nach Antworten spricht Johanna Hirzberger mit straffälligen Gewalttätern und Jugendlichen in der Geschlechter- und Präventionsarbeit gegen Gewalt. "Ich darf als Mann auch traurig sein und muss niemanden unterdrücken. Das zu erkennen war befreiend", sagt Christaime Ngoy. Er studiert Jus und ist Gruppenleiter bei HEROES® Steiermark, einem Präventionsprojekt gegen Unterdrückung.

Gestaltung

  • Johanna Hirzberger