Markus Poschner

REINHARD WINKLER

Das Ö1 Konzert

Das RSO Wien unter Markus Poschner

Bei dem Wort "Parteienstreit" assoziieren wir heute eher Beispiele aus der österreichischen Innenpolitik. Am Ende des 19. Jahrhunderts ist aber ein ganz anderer Streit gemeint: Wagnerianer und Brahmsianer entzünden sich an der Frage, wie mit dem Erbe Beethovens umzugehen ist. Während die Wagnerianer neue Ideen für Form und Harmonik vorantreiben, fordern die Brahmsianer eine konservativere Fortführung von Beethovens Erbe.

Besonders stark vertreten sind die Brahmsianer rund um - richtig - Johannes Brahms in Wien, verstärkt um die gewichtige Stimme des Musikkritikers Eduard Hanslick. Der lässt kein gutes Haar an der gegnerischen Partei, und ganz besonders nicht an Anton Bruckner. Er verreißt dessen Symphonien, mit Ausnahme der ersten, eine nach der anderen. Bruckner überarbeitet, korrigiert, kürzt - es hilft alles nichts. Die fünfte Symphonie bleibt vorerst in der Schublade, die sechste wird nur zum Teil aufgeführt - natürlich mit vernichtenden Kritiken.

Bruckner bekommt also mit seinen Symphonien in Wien keinen Fuß mehr auf den Boden und tut das einzig mögliche: Er versucht sein Glück in Deutschland, wo das Pendel deutlich Richtung Wagnerianer ausschlägt. Der in Leipzig wirkende Dirigent Artúr Nikisch möchte Bruckners Siebte Symphonie unbedingt in sein Programm aufnehmen.

Die Symphonie tritt ihren Siegeszug an

Am 30. Dezember 1884 kommt es zu einer geschickt eingefädelten Uraufführung: Nicht nur wird die Symphonie von Werken umrahmt, bei denen Bruckner selbst an der Orgel sitzt; sie ist außerdem Teil des Opernabonnements, mit einem aufgeschlossenen und Wagner zugetanen Publikum. Und endlich: ein Erfolg - der wenig später noch von der Aufführung in München übertroffen wird. Die Symphonie tritt ihren Siegeszug an, daran kann auch Hanslicks Urteil ("symphonische Riesenschlange!") nichts mehr ändern.

Streng genommen keine Symphonien im herkömmlichen Sinn

Aber was ist an Bruckners Symphonien, auch an seiner siebten., so verstörend, "unnatürlich" und "aufgeblasen" für die Wiener Musikkritiker? Vielleicht, dass es unter anderem streng genommen keine Symphonien im herkömmlichen Sinn mehr sind. Dabei ist es nicht so, dass Bruckner keinen Regeln folgen würde: Er macht nur seine eigenen. Im ersten Satz drei Themen statt der üblichen zwei und eine modifizierte Sonatenhauptsatzform: Jedes Thema wird gleich nach seiner Vorstellung variiert, gespiegelt, verkürzt, verlängert - kurz, umfangreich bearbeitet, sodass die spätere Durchführung nicht mehr das gleiche Gewicht hat wie in der klassischen symphonischen Struktur.

Der zweite Satz entsteht unter dem Eindruck des katastrophalen Ringtheaterbrands sowie des Tods des von Bruckner verehrten Richard Wagner und ist Beispiel für einen weiteren Kritikpunkt an Bruckner: Die langsame Steigerung der Spannung bis zu ihrem Höhepunkt - gleichzeitig Ausdruck von Weite und Ewigkeit. (Daher die "Riesenschlangen".)

Der dritte Satz ist in der 7. Symphonie ausnahmsweise kein "bäuerlicher" Ländler, einer Gattung, mit der sich Bruckner am Nationalstil vieler anderer Komponisten seiner Zeit orientiert hat. Der vierte Satz schließlich - wieder mit drei Themen! - ist einfach zu kurz. Man kann es den Leuten aber auch nicht recht machen!

Ein derart strenges Urteil braucht die junge niederländische Komponistin Mathilde Wantenaar nicht zu fürchten: Erst 30 Jahre alt, wurden ihre Werke bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und international aufgeführt. Der Solist ihres Akkordeonkonzerts ist ebenfalls ein gefeierter Virtuose seines Instruments: Vincent van Amsterdam.

Text: Anna Jagenbrein, Leiterin Marketing und Kommunikation RSO Wien