Ö1 Kunstgeschichten
Der geraubte König: Guiseppe Arcimboldos "Vertumnus"
Kann man sich in einen Mann auf einem Gemälde aus dem Jahr 1591 verlieben? Barbara Neuwirth erzählt von ihrer Leidenschaft für ein bekanntes allegorisches Porträt des Heiligen Römischen Kaisers Rudolf II. Zugleich handelt Neuwirths Kunstgeschichte auch von den Zumutungen des Alters, vom Künstler verschleiert mithilfe der symbolhaften Darstellung. Die von Edith-Ulla Gasser kuratierte Erstveröffentlichungsreihe "Ö1 Kunstgeschichten" widmet sich dem Kunstblick von Autorinnen und Autoren.
12. Jänner 2024, 09:58
Prächtig ist er, der Gott des Wandels und der Veränderung. Aus zahlreichen Feld- und Gartenfrüchten komponierte ihn Guiseppe Arcimboldo und widmete das Brustbild seinem Gönner und Auftraggeber Rudolf II. Harmonisch zusammengefügt sind die bunten Früchte und Blumen aus dem Vegetationsreigen, üppig und in perfektem Wuchs repräsentieren sie in leuchtenden Farben auf dunklem Hintergrund zugleich einen Gott, alle Jahreszeiten und einen Mann.
Giuseppe Arcimboldo: "Vertumnus" (1591)
Dieser Vertumnus, gekrönt mit einem symbolischen Siegeskranz aus herbstlichem Obst und Ähren, ist pralles, anziehendes Leben. Der selbstbewusste Blick seiner Pupillen, rechts aus einer Brombeere, links aus einer schwarzen Kirsche unter Lidern aus Erbsenschoten, hat mich seit der ersten Begegnung nicht mehr losgelassen.
Vom linken Ohr in Form eines Maiskolbens hängt eine reife Feige. Eine dekorierende Blumenschärpe aus Nelke, Rose und Calendula liegt locker über der rechten Schulter. Lilien, Passionsblume, Winde, Hibiskus, Tulpen und ein Paar spitzer, roter Paprikaschoten fügen sich zum weiteren Schmuckband und überspannen den mächtigen Brustkorb aus Kürbis und krausem Salat. Deutet die Schärpe eine Ordenskette vom Goldenen Vlies an? Denn Rudolf II war 1558 als Kaiser in Prag in den fürstlichen Ritterorden aufgenommen worden, der 1430 nach den Idealen des Rittertums zur Verteidigung des christlichen Glaubens gegen das wachsende Osmanische Reich gegründet worden war.
Während am beeindruckenden Kopf des Vertumnus mehrheitlich üppiges Obst, Getreide und Nüsse zu entdecken sind, Hirserispen deuten Hängebäckchen an, formen Gemüsesorten den sehnigen Hals und breiten Torso. Alle Fruchtteile laden zum Essen ein, wäre da nicht die betörende Schönheit des männlichen Körpers, die die gedankliche Entnahme jeglichen Teils verbietet!
Keine andere Figur aus dem Oeuvre der Kompositbilder des italienischen Künstlers hat diese Ausstrahlung, keine solche tiefe Ernsthaftigkeit, in der sich Lebenskraft und persönliche Ausstrahlung paaren.
Das aus zahlreichen präzise wiedergegebenen Einzelobjekten erschaffene Porträt des Herrschers malte der Künstler erst, als er den Hof in Prag verlassen hatte. Nachdem er drei deutschen Kaisern über 24 Jahr lang gedient hatte, war er 1587 endlich wieder nach Mailand zurückgekehrt. Kaiser Rudolf II, der seinen Hofkünstler nach elf Jahren ungern hatte ziehen lassen und mit 1500 rheinischen Gulden und einer jährlichen Rente für "lange, treue und emsige" Dienste belohnte, hatte beim Abschied noch weitere Arbeiten von ihm erbeten. Dem Wunsch kam Arcimboldo nach und schickte 1591 zwei Bilder, darunter auch das heutzutage berühmteste, an den Prager Hof: eine – wie ich finde – seltsam gespenstisch bleich wirkende Flora und das herrliche Kaiserporträt als etruskischer Gott Vertumnus. Dem Vertumnus hatte Arcimboldo ein hymnisches Gedicht seines Freundes Don Gregorio Comanini beigelegt, in dem der Dichter eine vielschichtige Sicht auf das Bild entwickelt. Er beginnt das lange Poem mit einem Gedanken über Schönheit und Hässlichkeit:
Wer du auch seist, der du beschaust
Mich seltsam mißgestaltet Bild,
Und Lachen auf den Lippen hast,
Das blitzend aus den Augen spricht
Und übers ganze Angesicht
Erneut Heiterkeit ergießt
Im Anblick neuen Ungetüms,
das des Apolls gelehrte Söhne,
die Alten einst in ihrem Dichten
Vertumnus zu benennen pflegten:
So du im Anschaun nicht gewahrst
Die Häßlichkeit, durch die ich schön,
Weißt du auch nicht, wie Häßlichkeit
Noch jede Schönheit übertrifft.
Dem Maler Arcimboldo ging es nicht nur um die Erkennbarkeit der zahlreichen, Natur darstellenden Bildteile und um die Gleichsetzung von schönen Früchten und menschlichem Körper.
Am Hof des Kaisers hatten Künstler sich immer wieder von Texten antiker Dichter zu Kunstwerken anregen lassen, wobei den Metamorphosen von Ovid dabei besondere Aufmerksamkeit zugekommen war. War doch Rudolfs Leidenschaft für Kunst und Wissenschaft mit seiner Sehnsucht nach Verwandlung einher gegangen. Diese Passion des Kaisers muss Arcimboldo immer gegenwärtig geblieben sein. Die durchs Forschungsinteresse von Rudolf II und seinen Vorfahren angehäufte umfangreiche Sammlung naturwissenschaftlicher Studienobjekte war Arcimboldo während seiner Anwesenheit am Hof gewiss Reservoir für seine Kompositbilder gewesen. Auch für Pflanzen und Gartenbau begeisterte sich der Kaiser und dieses breite Interesse des humanistisch gebildeten Monarchen hatte Künstler immer wieder zur Bearbeitungen von Naturobjekten angeregt. In der kaiserlichen Kunstkammer fanden sich Objekte, die eine Synthese von Kunst und Natur anstrebten.
Harald Friedl
Barbara Neuwirth wurde 1958 in Eggenburg geboren. Als Verlegerin im Milena Verlag, vormals Wiener Frauenverlag, und als Herausgeberin der Buchreihe "Frauenforschung" war sie eine der aktiven Vorreiterinnen in der feministischen Publikationswelt. Heute arbeitet sie als Schriftstellerin und Herausgeberin von wissenschaftlichen Sammelbänden und literarischen Anthologien in Wien und bei Retz. Für ihr Schaffen wurde sie u.a. mit dem Anton-Wildgans-Preis ausgezeichnet. Zu ihren jüngeren Veröffentlichungen zählen das Theaterstück "Eurydike" oder der Erzählband "Helden, Heldin, Superheldin" in der Reihe Haymonschwärmt.
Als das Bild des Vertumnus in Prag eintraf, fand es Gefallen beim Kaiser, der den Künstler schon 1580 mit Erbadel und Wappen für seine Leistungen ausgezeichnet hatte. Manche zeitgenössischen Betrachter des Bildes allerdings griffen das Dichterwort von der Hässlichkeit auf und interpretierten die anthropomorphe Physiognomie des der Pflanzenwelt entstiegenen Gottes als Ausdruck von Monstrosität. Den Kritikern war jedes Kompositbild Arcimboldos grotesk, eine Karikatur, so wie nun auch der Vertumnus. Man könne dieses Bild des Herrschers als Majestätsbeleidigung verstehen, empfanden sie. Nicht so Rudolf, der, um seinem Dank Ausdruck zu verleihen, den Künstler nun 1592, ein Jahr vor dessen Tod, noch mit dem Titel Pfalzgraf, "Conte Palatino", belohnte.
Die gemalte Verherrlichung konnte Rudolf nicht missfallen. In der Darstellung des alle Jahreszeiten beherrschenden Gottes verehrte der Maler den kunstsinnigen Kaiser als Regenten über das "Goldene Zeitalter", in dem Frieden und Wohlstand herrschen. Ein Ideal, das in der frühen Neuzeit wahrlich nur durch eine göttliche Figur visualisiert werden konnte. Es war eine Zeit der Inquisition und der religiösen Verwerfungen auf dem Kontinent. Von zahllosen gewalttätigen Auseinandersetzungen und unterschiedlichen Interessenlagen zerrissen, erforderte die politische Lage von den Herrschenden großes militärisches und diplomatisches Geschick. Das religiöse Chaos in den Ländern und Regionen war genährt von widersprüchlichen Bedürfnissen. Christen kämpften auch gegeneinander bis aufs Blut um Autonomie oder Einflusssphären, die Stände mussten zufriedengestellt werden und die Osmanen rückten auf habsburgische Besitzungen vor. Rudolfs Versuche, kriegerische Auseinandersetzungen zu vermeiden, ließen ihn in den Augen vieler Zeitgenossen als schwach erscheinen, ebenso wie seine Toleranz bei den religiösen Fragen seiner Untertanen.
Als ich Jahrhunderte später Arcimboldos Vertumnus in einem Buch begegnete, sah ich zunächst nicht den spannenden, großzügigen, unglücklichen und vielleicht auch schwachen und unfähigen Kaiser, sondern nur die lebensstrotzende, schöne Figur, das strahlende Gesicht mit dem wissenden Blick. Erhaltene Kompositbilder von Arcimboldo in der Gemäldesammlung des Kunsthistorischen Museums, die ich nie als beglückend empfunden habe, die aber mein jugendliches Interesse an Arcimboldo weckten, motivierten mich, Lesestoff zum Künstler zu suchen. So begegnete ich dem Vertumnus. Den meisterlich aus Gemüse und Blumen zusammengesetzten Gott erlebte ich vom ersten Augenblick an als Ernährung von Geist und Emotion. Ich war ohne Halt in seinen Blick gefallen.
Und während mein Blick von dem seinen festgehalten blieb, weitete sich mein Horizont. Ich sah nicht mehr nur die formvollendete Komposition naturalistischer Objekte, sondern spürte vibrierende Neugier an der Welt, den Wunsch, hinter die Oberflächen zu sehen. Meine Liebe zur Wissenschaft erfüllte mich, meine Verbundenheit mit dem Boden und seinen Früchten, meine Freude an der Schönheit der Natur und der Kunst. Was ist die Kraft, die all diese Schönheit geschaffen hat? Auch ich bin ein Teil dieser Schönheit, weil ich ein Teil des Lebens bin, das solch ein Kunstwerk ermöglichte. Dieser Gott der Verwandlung, der damit auch ein bisschen uns Menschen darstellt, die wir in so wenigen Jahren Lebenszeit auch alle Lebensjahreszeiten durchleben, ist Suchender und Wissender, was seine starke erotische Ausstrahlung auf mich begründet.
Ich musste erst lernen, dass Arcimboldo in der Figur des kraftstrotzenden Gottes dem von zahlreichen Krankheiten gezeichneten, körperlich nicht mehr attraktiven Monarchen eine betörende Gestalt verpasst hatte. Wollte er damit die Seele des Kaisers erfassen, der ihm zugeneigt war und seine Wertschätzung vielfach zum Ausdruck brachte? War Rudolf II wirklich ein Mensch gewesen, der zu so einer Darstellung anregte? Oder war es ein bloßes Spiel des Künstlers mit seinen Fähigkeiten?
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Eva Mayer ist gebürtige Grazerin des Jahrgangs 1982. Sie lebt in Wien, wo sie am Konservatorium Schauspiel studierte. Nach fixen Engagements ist sie seit 2017 freiberuflich tätig und in zahlreichen Rollen am Theater sowie in Film und Fernsehen zu sehen, ihre Stimme ist regelmäßig in österreichischen und deutschen Radiosendern zu hören. Als Teil des Trios "Fräulein Blauboad" reüssiert Eva Mayer auch musikalisch.
Meine Verbundenheit mit dem Bild ist in den Jahrzehnten seit der Erstbegegnung gewachsen. In welchem großen Museum ich es finden würde, fragte ich nach meiner Entdeckung und war erschüttert, dass es in keinem zu finden war. Auch die Tatsache bewegte mich, dass es nicht Teil jener kaiserlichen Schätze gewesen war, die nun der Republik gehören und damit allen zugänglich sind.
Ich las über Rudolf und schätzte den philanthropischen Mann, der sich so sehr für die Kunst begeisterte, dass er die Kunstschaffenden beinahe grenzenlos förderte. Der die beginnende Wissenschaft in all ihren Wegen und Irrwegen unterstützte und kriegerische Unternehmungen, so gut es ging, vermeiden wollte. Ich hatte Mitleid mit dem sensiblen Buben, der zur Erziehung ins erzkatholische inquisitorische Spanien geschickt und gezwungen wurde, Verbrennungen von Menschen mitanzusehen. Seine daraus resultierende persönliche Abkehr von der Kirche fand ich nachvollziehbar und klug und bedauerte den Herrscher, der Zeit seines Lebens mit religiösen Auseinandersetzungen und Kriegshändel beschäftigt wurde. Er investierte Gold und Aufmerksamkeit lieber dort, wo der Welt kein Schaden zugefügt wurde, und war doch unablässig gezwungen, das Spiel um die Macht mitzuspielen. Verwandtenhochzeiten missfielen ihm, nicht alle konnte er verhindern.
Trotz seines Reichtums fand der Monarch, der Zeit geschuldet, wenig Hilfe gegen seine Leiden. Es gab noch keine Grenze zwischen Medizin und Magie, und beides war unnütz bei seinen Krankheiten. Die Melancholie des Kaisers mag Ausdruck fehlender chemischer Balance im Körper gewesen sein, die wiederkehrende Konfrontation mit den brutalen Gegebenheiten der Epoche mag einen weiteren Teil dazu beigetragen haben. Der Herrscher musste nicht nur gegen Widersacher von außen agieren, sondern auch innerhalb der eigenen Familie.
Als Sechzigjähriger starb Rudolf II im Jahr 1612, vom eigenen Bruder Matthias entmachtet, aus der Burg vertrieben und nur von zwei Kammerdienern begleitet. Schon während seines Sterbens vergriffen sich Dienstboten an seinen Schätzen. Der Schutz seiner außergewöhnlichen Kunstsammlung war den Nachfahren kein großes Anliegen. Und als am 26. Juli 1648 die schwedischen Truppen unter ihrem Feldmarschall Königsmarck die Prager Kleinseite und Burg eroberten, begann der systematische Raub der von Rudolf II angehäuften Kunstschätze. Gegen drei Uhr morgens, der zunehmende Mond war einen Tag vom Halbmond entfernt, und die Sichel bereits eine Viertelstunde vor Mitternacht untergegangen, überwanden die schwedischen Soldaten die Stadtmauer an einer Stelle, wo wegen Ausbesserungsarbeiten das Übersteigen einfach war. Ein Verräter, sein Name Ernst Odowalsky ist uns bekannt, hatte diese Stelle angewiesen.
Die schwedische Monarchin Kristina erfuhr am 5. August von der verlustlosen Einnahme der Stadt und schrieb an ihren Feldherrn: "Vergesst nicht, Euch darum zu kümmern, mir die Bibliothek und die Raritäten zu schicken, die sich in Prag befinden. Wie Ihr wisst, ist dies das Einzige, was mir wirklich wichtig ist." Bislang ohne bedeutende Bibliotheken und Galerien, gab es im schwedischen Adel großen Hunger nach Kunst. Die Beutezüge im Dreißigjährigen Krieg eröffneten Möglichkeiten, ihn zu stillen, und Prag verfügte über die größten Schätze. Auch in Schweden würde es nun große Buchbestände und wertvolle Kunstsammlungen geben, eine Akademiebibliothek in Uppsala konnte eingerichtet werden und Gymnasien mit Büchern ausgestattet. Die Plünderungen in der Prager Burg, in den Palästen und auch in den Häusern reicher Bürger waren umfangreich und teils kurios: Sogar der alte Löwe aus dem Besitz der Habsburger musste mit nach Stockholm. Die Beute aus der Burg allein umfasste 470 Gemälde, 69 Bronzefiguren, mehrere tausend Münzen und Medaillen, 179 Elfenbeinarbeiten, 50 Gegenstände aus Bernstein und Korallen, 600 Gefäße aus Achat und Kristall, Fayencen, indische Kuriosa, Arbeiten aus Edelsteinen, über 300 mathematische Instrumente und vieles mehr. Da der Friedensschluss kurz bevorstand und danach nichts mehr aus Prag entfernt werden durfte, mussten alle Schätze so schnell wie möglich aus der Stadt abtransportiert werden. Wagen und Schiffe wurden hastig beladen und ins Winterquartier nach Dömitz in Mecklenburg gebracht. Im Frühling beförderte man sie weiter nach Wismar. Sie erreichten im Mai Stockholm, was am 30. Mai 1649 im Schwedischen Reichsrat aufgeregt erwähnt wurde.
Inmitten all dieser tausenden Kunstschätze war, mit der Nummer 351 im Register, Arcimboldos Porträt von Rudolf II als Vertumnus angeführt. Aber Kristina von Schweden fand keinen Gefallen am Bild. Sie verschenkte es und es landete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich im Schloss Skokloster in der Provinz Uppsala. Der Besitzer wollte eine Galerie aufbauen, was offenbar nicht geschah, denn Vertumnus und ein zweites aus Prag geraubtes Bild Arcimboldos wurden in der Bibliothek aufgehängt. Dieses andere Kompositbild Arcimboldos, ein 1565 geschaffenes mit dem Titel "Der Bibliothekar" ist eine Darstellung der Büchergelehrtheit. Es hatte ebenfalls ein reales Vorbild, nämlich Wolfgang Lazius, einen Humanisten und Historiker im Dienste der Habsburger Kaiser. Der papierene Bibliothekar und der göttliche Vertumnus wurden gleichermaßen noch Ende des 19. Jahrhunderts von einem Experten als von minderer Qualität, aber kulturhistorischem Interesse beurteilt. 1967 wurde das Schloss Skokloster an den schwedischen Staat verkauft und zum Baudenkmal erklärt. Die noch immer dort lagernden Beutegüter des Dreißigjährigen Krieges sind nun der Öffentlichkeit zugänglich. Und in der "Der Arcimboldo Effekt" genannten Ausstellung im Palazzo Grassi in Venedig im Jahr 1987, wo man die künstlerische Suche nach dem mehrdimensionalen Menschen thematisierte, wurde Vertumnus endlich einer internationalen Öffentlichkeit gezeigt.
Nach Wien kam Vertumnus zum ersten Mal 2008. Bei der großen Arcimboldo Ausstellung im Kunsthistorischen Museum vom Februar bis zum Juni hing das Original ab März (davor war es in Stockholm im Kontext von Beutekunst ausgestellt) in einem kleinen Nebenraum.
Zuerst, ich hatte nach ihm gesucht, war ich erstaunt, den Vertumnus nicht größer präsentiert vorzufinden. Aber kaum war ich dem Bild näher gekommen, verstand ich den Vorteil dieser intimen Hängung. Ich hatte mich in das Gemälde schon verliebt, als ich nur eine Abbildung davon in einem Buch gesehen hatte, nun erlebte ich die Anziehungskraft des Originals. Die Blumen, das Gemüse, die Feldfrüchte waren Kleid für eine gestaltete erotische Kraft, das Leben in seiner verführerischsten Schönheit, die mich durchdrang und erfüllte. Ich stand dem Bild auf Augenhöhe gegenüber und spürte seine den ganzen Raum erfüllende Ausstrahlung. Fast jeden Tag während der Präsentation ging ich ins Museum, um dem gemalten Gott in die Augen zu sehen.
Wegen des großen Erfolgs wurde die Ausstellung verlängert, das Original des Vertumnus aber durch eine Kopie ersetzt, und man brachte den Gott wieder weg. Die Kopie war ein perfektes Abbild des Gemäldes, schön in allen Aspekten, die es kunstgeschichtlich zu formulieren gäbe. Nun bewegte mich zwar noch immer Bewunderung für die Schönheit des Porträts, aber nicht mehr das aufregende Gefühl der Liebe, das ich gespürt hatte, als ich dem Vertumnus des Originalgemäldes in die Augen blickte.
Text: Barbara Neuwirth