Frau mit Kind im Garten

2023 LEONINE

Rudolf Höß privat

"The Zone of Interest" im Kino

Von Mai 1940 bis November 1943 war Rudolf Höß Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz, in dessen Nähe er auch unmittelbar mit seiner Familie in einem Haus lebte. Ein Haus, das der Film "The Zone of Interest" direkt am Originalschauplatz in Auschwitz an die Lagermauer heranrückt, um das oft banale Privatleben von Höß ins Visier zu nehmen.

Als Vorlage diente dem britischen Regisseur Jonathan Glazer der Roman "The Zone of Interest" von Martin Amis 2015 auf Deutsch unter dem Titel "Interessengebiet" erschienen.

Jonathan Glazer zeigt das Grauen, indem er es nicht zeigt

Wenn Vati, also wenn Rudolf Höß (Christian Friedel) morgens ins Büro geht, dann hat er nicht weit. Er küsst die Kinder zum Abschied öffnet die Gartenzauntür und schon steht an seinem Arbeitsplatz, dem Konzentrationslager Auschwitz. Mutti, also Hedwig Höß (Sandra Hüller), bleibt zu Hause und kümmert sich währenddessen um den Haushalt und die fünf Kinder und pflegt den Garten, das alles unterstützt von Personal, das hin und wieder eine Belohnung bekommt, etwa Aufputz für eigene Garderobe aus geplünderten Kleidungsbeständen von Lagerinsassen. Und die Hausherrin selbst gönnt sich einen Pelzmantel, man muss ja schließlich standesgemäß gekleidet sein: "Der Rudi nennt mich die ´Königin von Auschwitz´", kokettiert Frau Höß im Film einmal nicht ohne Stolz.

"Nicht vorsätzlich als Monster zeigen"

Der Alltag bei der Familie Höß wäre nichts Besonderes, wäre da nicht nebenan eben das größte Vernichtungslager des NS-Staats. Doch genau das bleibt im Film "The Zone of Interest" stets im Hintergrund. Hin und wieder hört man aus der Ferne Geschrei und Schreie, Gebell und Schüsse. Zur Abendzigarre von Höß im Abendrot sieht man schwarze Rauchwolken aus den Gebäuden nebenan aufsteigen. "Ich wollte die Familie Höß nicht vorsätzlich als Monster zeigen", meint Regisseur Jonathan Glazer.

Judenvernichtung und Gute-Nacht-Geschichten

Das Monströse ergibt sich organisch umso drastischer aus der Beiläufigkeit, die heimliche Hauptdarstellerin des Films. Im Kontext der historischen Wahrheit wird aus der gezeigten Familienidylle eine bizarre Farce. Untertags bespricht Höß die Optimierung der Judenvernichtung, abends liest er seinen Kindern Gute-Nacht-Geschichten vor.

Nicht spielen, nicht dramatisieren, möglichst natürliches Verhalten, eine Herausforderung für die Darsteller, auch für Sandra Hüller in der Rolle der Hedwig Höß: "Es gab keine bestimmte Richtung, in die wir spielen sollten, sondern es wurde alles getan, damit wir das Gefühl hatten, wir wären als Familie tatsächlich in unserem Zuhause."

Intensiver Hörfilm

Wer will schon eine KZ-Mauer sehen, wenn rundherum die Bienen summen, die Blumen in Großaufnahme blühen, die Kräuter duften? Also wird auch noch Wein davor gepflanzt. "The Zone of Interest" ist auch ein intensiver Hörfilm. Minutenlanges Schwarz auf der Leinwand zu Beginn soll die Wahrnehmung dafür schärfen, ein fast durgehendes Dröhnen auf der Tonspur sorgt für Irritation. Jonathan Glazer zeigt das Grauen vor allem, indem er es nicht zeigt. Genau dadurch wirkt es aber umso mehr nach.

Gestaltung

  • Arnold Schnötzinger