Karl Kraus

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150 Jahre Karl Kraus

"Ich pariere der Sprache aufs Wort"

Ein Ö1 Schwerpunkt über den viel begabten Karl Kraus.

"Das Ja des Neinsagers" stand auf dem silbrig-grauen Taschenbuch, das meine Eltern ihrem gerade in einer renitenten Pubertätsphase wandelnden Sohn schenkten, um ihn zum Nachdenken zu bringen. Der Untertitel des vom jüdischen Schriftsteller Werner Kraft geschriebenen 'Das Ja des Neinsagers' macht klar, worum es geht: "Karl Kraus und seine geistige Welt".

Heuer jährt sich der Geburtstag von Karl Kraus zum 150. Mal und "Diagonal" heftet sich wieder einmal an die Fersen dieses großen, tja, des großen "Was-eigentlich?". Wikipedia reagiert auf dieses Definitionsproblem mit Überfülle: "Österreichischer Schriftsteller, Publizist, Satiriker, Lyriker, Aphoristiker, Dramatiker, Förderer junger Autoren, Sprach-, Kultur- und Medienkritiker" sei er gewesen. Der "Apokalyptiker, Nörgler, Deutsch-Meister", wie es in einem "Diagonal" im Jahr 1999 hieß, beschäftigt uns bis heute aus vielen Gründen intensiv.

"Man kann über eine Null ein Buch schreiben, aber direkte Anrede (...) erhebt die Null zur Größe", Kraus an Schönberg

Seine Texte, nicht nur jene aus seiner epochalen Zeitschrift "Die Fackel", haben eine nachhaltige Wirkung. Karl Kraus stellt in der "Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog" mit dem Titel "Die letzten Tagen der Menschheit" die Absurdität und Unmenschlichkeit des Kriegs dar - ein Werk, das gerade heute wieder wie eine Mahnung aus der Vergangenheit herüberschreit.

Weil bis 10. Mai im Arnold Schönberg Center in Wien eine Ausstellung über den Briefwechsel von Schönberg mit Karl Kraus zu sehen ist, ein kurzer Schlussschwenk dorthin: Circa um 1909 wendet sich Arnold Schönberg an Karl Kraus. Er möchte sich gegen untergriffige Musikkritiker wehren und schickt einen Text zur Veröffentlichung in der "Fackel".

Schönberg dankt herzlich für die Ablehnung

Kraus antwortet lang, ausführlich und ablehnend und schickt den Artikel zurück. "Ich gebe diesen mit dem vollen Bewußtsein zurück, mich eines interessanten Beitrages zu berauben; aber ich glaube, daß ich dazu verpflichtet bin. Wenn Sie in trockenen Worten die Thatsache feststellen wollen, daß ein Kritiker 56. Ranges in Ihrem Konzert demonstriert hat, und was dann weiter geschah, so steht Ihnen die 'Fackel' offen. Eine Nennung des vollen Namens würde ich nicht empfehlen. Man kann über eine Null ein Buch schreiben, aber direkte Anrede, wenn sie auch noch so kurz und sachlich ist, erhebt die Null zur Größe."

"Ihr Stil, an dem ich schreiben, ja fast denken gelernt habe", Schönberg an Kraus

Schönberg bedankt sich später herzlich für diese Ablehnung. Er hätte es bitter bereut, wäre der Artikel erschienen. Als sein Buch "Harmonielehre" erscheint, das Kraus nicht lesen will und wird, er das Buch aber in der Fackel bewirbt, huldigt Schönberg dem Mann, von dem er "schreiben, ja fast denken gelernt habe": "Sehr verehrter Herr Kraus, ich habe von Ihnen so viel gelernt - in jeder Hinsicht - vielleicht mehr gelernt, als man lernen darf, wenn man selbst dabei bestehen bleiben will. Deshalb muss ich wissen, daß mein Buch bei Ihnen ist, - obwohl Sie es ja leider nicht werden lesen wollen. Das tut mir unendlich leid, daß ich Ihnen damit nicht zeigen kann, was ich gerne hätte, daß Sie es sehen: daß Ihr Stil, an dem ich schreiben, ja fast denken gelernt habe, hier nicht in den Händen jemandes ist, der seiner ganz unwürdig ist."

Postscriptum: Als der eingangs erwähnte renitente Sohn dann mit dem Büchlein "Das Ja des Neinsagers" im Handgepäck zum Studieren nach Wien übersiedelt, wird langsam ein Kraus-Zitat zur Lieblingsstelle, das mit recht wenig Überintellektualität auskommt: "Ich verlange von einer Stadt, in der ich leben soll: Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst."

Gestaltung

  • Christian Scheib