"Mike Kelley. Ghost and Spirit", Ausstellungssujet

KUNSTSAMMLUNG NRW

Friedhof der Kuscheltiere!

Mike Kelley in der Kunstsammlung NRW

Der Underground der US-Westküste war sein Habitat. Die Absage an die Formstrenge von Minimal Art und Konzeptkunst sein Programm. Als Zeremonienmeister des Trash ging der in Detroit geborene Künstler Mike Kelley in die Kunstgeschichte ein. Mit seinen schrillen Installationen sprengte Kelley die Grenzen des so genannten guten Geschmacks. Berühmt wurde Kelley, der 2012 verstorben ist, für seine Arbeiten mit abgegriffenen Stofftieren. Derzeit tourt eine große Mike-Kelley-Retrospektive durch Europa: nach Paris macht sie nun in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf Station.

Sie sind gehäkelt, gestrickt oder genäht, wurden geliebt, geherzt und entsorgt. Auf Flohmärkten und in Secondhand-Läden fand der US-amerikanische Künstler Mike Kelley Plüsch- und Kuscheltiere, aus denen er bizarre, mitunter ausufernde Installationen schuf. Als schrilles Kunstobjekt markieren diese vergessenen Gefährten der Kindheit, den Moment, in dem das Heimelige ins Unheimliche kippt. Mit seinem Friedhof der Kuscheltiere irritierte Mike Kelley seit den späten 1980er Jahren Publikum und Kritik. Dieser Künstler, soviel war klar, verortete sich abseits von Mainstream und Zeitgeist.

„Mike Kelley ist Mitte der 1970er nach Los Angeles gegangen, um am renommiert California Institute for the Arts zu studieren. In der Zeit waren dort Professoren wie John Baldessari, Douglas Huebler, also herausragende Vertreter der Konzeptkunst und Minimal Art. Das war tatsächlich das Umfeld, in dem Kelley studiert hat. Aber man sieht bereits in den frühen Arbeiten, dass er sich von dieser reinen Lehre absetzt und eine gänzlich andere Richtung einschlägt“, so Falk Wolf, der die aktuelle Mike Kelley-Schau in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen kuratiert hat. Er betont, dass der Flirt mit dem US-amerikanischen Underground, die Nähe zu Trash und Pop zur DNA von Mike Kelleys Kunst gehöre.

Mike Kelley, Ghost and Spirit, Installationsansicht

NPI/STUDIO PRAMUDIYA

Musical oder Horrorfilm?

Das Pandämonium der US-Amerikanischen Trivialkultur inszenierte Kelley in seinen Performances als unheimliche Freakshow, die jedes Lächeln gefrieren lässt. Seine Videokunst kann sich oft nicht entscheiden, ob sie Musical oder Horrorfilm sein will. Was auf den ersten Blick harmlos wirkt, bläht sich auf den zweiten Blick zum monströsen Spektakel auf. „Day is Done“ heißt ein Werkzyklus aus den Nullerjahren, in dem sich Mike Kelley mit Ritualen des Verkleidens auseinandersetzt. Ausgangspunkt sind Schulaufführungen, Laientheaterdarbietungen, oder auch Kostümierungen zu Halloween. Die karnevaleske Überschreitung des Alltags wird für Kelley zum Möglichkeitsraum, in dem sich die Kunst in das Leben einschreibt.

Pandämonium der Popkultur

1954 wird Mike Kelley in einem Vorort der Motorcity Detroit geboren. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie und erlebt als Teenager nicht nur den stetigen Niedergang der einst boomenden Industriehochburg, sondern auch jene Rassenunruhen, die in den 1960er Jahren das Gesicht der Stadt binnen weniger Jahre verändern. Womöglich ein Grund, warum der Künstler in seinem Werk immer wieder den Kipppunkt aufsucht, an dem der Amerikanische Traum zum Albtraum wird. Kelley befragt Geschlechterstereotypen und befasst sich bereits in seiner ersten Videoarbeit, einer Hommage an eine Figur im US-amerikanischen Kinderfernsehen, „The Banana Man“ mit seiner Identität als weißer Mann in einer – wie man es heute nennen würde – heteronormativen Mehrheitsgesellschaft. „Er hat besonders auch Stereotypen von Männlichkeit konsequent hinterfragt und unterlaufen. Indem er mit Stofftieren und Textilien gearbeitet hat, also Materialien, die weiblich konnotiert sind, und in seinen Videos, die traditionelle Geschlechterrollen unterlaufen“, betont Kurator Falk Wolf. Er hat für die aktuelle Mike-Kelley-Retrospektive in der Kunstsammlung NRW mit Institutionen in Paris, Stockholm und London zusammengearbeitet. Derzeit ist die Schau in Düsseldorf zu sehen, ab Oktober macht sie in der Tate Modern in London Station.

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