Lisl Wagner-Bacher, 2019

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Menschenbilder

Haubenköchin Lisl Wagner-Bacher

"Wenn du mich heiratest, heiratest du einen Betrieb" - Die Gastronomiepionierin Lisl Wagner-Bacher.

Die Gastronomiepionierin Lisl Wagner-Bacher - in einer Zeit, in der man Frauen nur selten einen Platz im Kocholymp zugestand, wurde sie vom Guide Gault&Millau mit dem Titel "Koch des Jahres" ausgezeichnet. Gegendert wurde damals, 1983, nicht. Erst ein paar Jahre zuvor hatte Liesl Wagner-Bacher, damals 26 Jahre alt und mit dem zweiten Kind schwanger, das Gasthaus der Eltern in Mautern an der Donau übernommen.

Ihr Vater machte sich in den Nachkriegsjahren als "blinder Wirt von Mautern" einen Namen. Trotz eines erlahmten Sehnervs arbeitete er im Service, während seine Frau für die Wirtshausküche verantwortlich war. Lisl, die Jüngste in einem Dreimäderlhaus, wurde 1953 geboren. Schon damals zog das Wirtshaus illustre Gäste an. Heimatfilme aus der Wachau boomten und Stars wie Hans Moser, Peter Weck oder Annie Rosar kehrten nach langen Drehtagen gern beim "blinden Wirten" ein. Auf den Tisch kamen damals häufig Backhendl, Schweinsbraten oder Wildgerichte, erinnert sich die heute 70-Jährige.

Lisl Wagner-Bacher, Tochter Susanne Bacher-Dorfer und Enkeltochter Florentine

Lisl Wagner-Bacher, Tochter Susanne Bacher-Dorfer und Enkeltochter Florentine

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Kulinarische Wende

Als sie 1979 das Bacher - damals noch ohne "Landhaus" - übernahm, hatte Lisl Wagner zwar eine Hotelfachschule absolviert, aber keinerlei formelle Kochausbildung. Was sie von Küchentechniken wusste, hatte sie von ihrer Mutter gelernt. Inspirationen holte sich die junge Köchin von den Wegbereitern des "österreichischen Küchenwunders" wie Werner Matt oder Reinhard Gerer.

Wagner gilt als erste Vertreterin der von der französischen Nouvelle Cuisine beeinflussten kulinarischen Wende. Innerhalb weniger Jahre modelte die Pionierin das elterliche Wirtshaus in der Wachau zum Gourmettempel um. Nicht immer zur Freude des Vaters: »Ihr gehts ja z’grund damit", soll er ausgerufen haben, als er von dem Preis einer frischen Gänseleber erfuhr, die sich die junge Küchenchefin aus Frankreich anliefern ließ.

"Persönlichkeit & Geschmack"

Was die Qualität der verkochten Produkte anbelangte, machte sie keine Kompromisse. Gebratenes Hirn auf Zuccchinischeiben, Jakobsmuscheln auf Blattsalaten, gebratenes Kalbsbries auf Blätterteigpolstern und Kohlrabischmaus, Zwetschkenterrine auf Armagnac-Sabayon mit Zimtparfait - ein Auszug aus jenem Menü, mit dem Lisl Wagner 1981 erstmals im prestigeträchtigen Guide Gault&Millau erwähnt wird.

Ein Jahr darauf erkochte sie die erste Haube, zwei Jahre später schrieb der Guide anlässlich der Verleihung der zweiten Haube und des Titels "Koch des Jahres": "Ohne jemanden auch nur im Geringsten zu kopieren, hat sie eine phantasievolle, moderne Karte geschaffen, auf der jedes einzelne Gericht ihre Persönlichkeit und ihren Geschmack widerspiegeln."

Thomas Dorfer und Lisl Wagner-Bacher, 2015

Schwiegersohn Thomas Dorfer und Lisl Wagner-Bacher

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Loslassen als Lernprozess

Dass sie sich über drei Jahrzehnte an der Spitze des österreichischen Kochhimmels halten konnte, erklärt Lisl Wagner mit ihrem Perfektionismus. Und dem Partner an ihrer Seite, Klaus Wagner, einem gelernten Hochbauingenieur. "Wenn du mich heiratest, heiratest du einen Betrieb", soll Lisl ihn vor 51 Jahren gewarnt haben. Er ist dennoch geblieben und hat sich in den folgenden Jahrzehnten um den Weinkeller des Landhauses gekümmert. Eine ihrer zwei Töchter, Susanne, führt mittlerweile den Betrieb.

Die Leitung der Küche hat deren Mann, der Drei-Hauben-Koch Thomas Dorfer, übernommen. Die Küche loszulassen sei ein Lernprozess gewesen, erzählt Lisl Wagner. Gekocht werde mittlerweile nur mehr privat. Am liebsten für die fünf Enkelkinder.

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