Chico Buarque

PICTUREDESK.COM/AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Spielräume Spezial

Chico Buarque zum 80er

Lyriker im tiefsten Sinn des Wortes.

Das Spinnen und Verweben von Denkmöglichkeiten mit den Mitteln der Sprache mag ein Grundprinzip jeder Literatur sein - bei Chico Buarque ist es Kern seiner schriftstellerischen Meisterschaft, bisweilen auch augenzwinkernd: "Pardon, Madame, wie Sie sehen, ist Musik nicht meine Stärke, wohl aber Literatur", lässt er sein fiktional-autobiografisches Ich namens Francisco de Hollander im Roman "O Irmão Alemão" ("Mein deutscher Bruder") sagen, als dieser Debussy mit Schubert verwechselt.

Im echten Leben wurde Buarque für drei von bislang sechs Romanen mit dem Prêmio Jabuti, dem wichtigsten Literaturpreis Brasiliens, sowie für sein Gesamtwerk mit dem Prêmio Camões, dem wichtigsten Literaturpreis der lusophonen Welt, ausgezeichnet. Und doch kennt man ihn vor allem als Musiker, einen, der seine Poesie in magische Songs verwandelt, künstlerisch-intellektuelle Spitze unter den Singer-Songwritern, Lyriker im tiefsten Sinn des Wortes.

Chico Buarque

PICTUREDESK.COM/AP/LEO CORREA

Kunstvoll versteckte Regimekritik

Francisco Buarque de Hollanda, geboren am 19. Juni 1944 in Rio de Janeiro, kommt aus einer intellektuellen Familie. In der Aufbruchsstimmung der 1950er und 1960er Jahre erlebte er die musikalischen Revolutionen durch Bossa Nova und Tropicalismo aus nächster Nähe. Seine eigene Musik blieb jedoch stärker der Sambatradition verpflichtet als die der zwei Jahre älteren Gilberto Gil und Caetano Veloso, die - ganz im Sinne des "Manifesto Antropófago" von Oswald de Andrade - den Rock’n’Roll in ihre Musik integrierten.

Doch auch im Samba- oder Bossa-Gewand sind viele seiner Kompositionen komplex und unkonventionell, etwa das durch Mark und Bein gehende Arbeiterlied Construção. Mit seinen politischen Texten war Buarque der seit 1964 regierenden Militärdiktatur bald ein Dorn im Auge. 1970 sah er sich gezwungen, für eineinhalb Jahre ins Exil nach Italien zu gehen. Die in den Wortspielen und Metaphern mancher Songs kunstvoll versteckte Regimekritik hatte die Zensur dann doch erkannt.

Durch Schadensweitergabe zum Kollaps

Auch sein erstes Theaterstück "Roda Viva" ("Das lebendige Rad", rückwärts gelesen: a viva dor - der lebendige Schmerz) war 1968 aus dem Widerstand heraus entstanden. Seither ist er regelmäßig auch als Dramatiker in Erscheinung getreten.

1978 brachte er seine an die "Dreigroschenoper" angelehnte "Ópera do Malandro" auf die Bühne. Die "Moritat von Mackie Messer" wird da umgewandelt zu einer symbolischen Geschichte der Kriminalität, in der die geprellte Zeche für ein Glas Schnaps durch ständig überhöhte Weitergabe des Schadens (vom Kellner an den Barbesitzer, vom Barbesitzer an den Lieferanten, vom Lieferanten an die Brennerei etc.) zum volkswirtschaftlichen Kollaps führt. Verantwortlich gemacht und verurteilt wird dann ein unbeteiligter Kleinkrimineller. So läuft es bekanntlich nicht nur in Brasilien.

Liebeslieder

Chico Buarque hat aber auch einige der schönsten Liebeslieder geschrieben, oft auch aus weiblicher Perspektive, etwa "Terezinha", die Geschichte eines Mädchens, das alle Männer ablehnte, weil diese stets etwas taten, was sie irritierte, bis einer kam, der nichts brachte, nichts fragte, nicht schmeichelte und um nichts bat. Das Einzige, was er tat: Er nannte sie (s)eine Frau.

Gestaltung

  • Michael Neuhauser