ORF/JOSEPH SCHIMMER
Literatur
Clemens J. Setz: Poeta Laureatus
Der österreichischen Schriftsteller und Übersetzer Clemens J. Setz ist zum zweiten "Poeta Laureatus" des Literaturfestivals "Literaricum Lech" gewählt worden. Die Verleihung des mit 15.000 Euro dotierten Preises fand zum Abschluss der Veranstaltung am Sonntag, den 21. Juli 2024 statt.
21. Juli 2024, 20:31
Der Preis wurde 2023 auf Anregung des Lyrikers Raoul Schrott erstmals vergeben. Clemens J. Setz sei "ein Geschichtenumsetzer mit weitem Horizont, ein Themenfinder mit Scharfblick, ein Materialumwälzer mit grenzenlosem Interesse. Das hat die deutschsprachige Literatur selten gesehen. Ihm ist nichts Menschliches fremd und alles Fremde menschlich. Klar ist, dass er dabei auch die Grenzen dessen verschieben muss, was heute unter literarischer Sprache verstanden werden kann: Denn dazu gehören notwendig auch Bilder, soziale Medien, Videos und Podcasts", so die Jury in ihrer Begründung.
Der Jury gehören neben Raoul Schrott und dem Vorarlberger Schriftsteller und Initiator des "Literaricum Lech", Michael Köhlmeier, noch Mara Delius (Die Welt), Nicola Steiner (Leiterin Literaturhaus Zürich) und Alexander Wasner (SWR) an.
Monatlich ein Gedicht
Der "Poeta Laureatus" verfasst ab März ein Jahr lang jeden Monat ein Gedicht zu aktuellen Themen. In der Kurzform erweist sich Setz dabei wie in den langen Romanen als begnadeter Beobachter vor allem der traurig skurrilen Momente im Weltgeschehen. So haben etwa die allgegenwärtigen Drohnenkriege und ihre mediale Darstellung Setz zu gleich zwei seiner Texte inspiriert, wie er im Ö1 Interview sagt:
Noch werden Drohnen ferngesteuert von Menschen, aber KI wird das genauso können. Und das wird dann ein neues Lebewesen sein, so eine Handgranate mit Weltbild.
Das aktuelle Gedicht ist jeweils am Anfang des Monats in "Standard" und "Welt am Sonntag" sowie bei Ö1-"ex libris" und SWR2-"lesenswert" zu lesen beziehungsweise zu hören.
Schmetterlingseffekt
März 2024
Kopf eines schwärzlichen Löwen, brüllend
April 2024
Poeta Laureatus Feedback
Mai 2024
Der Soldat, der eine Drohne mit dem Regenschirm abzuwehren versuchte
Juni 2024
Ein Gleiches
Juli 2024
Bei aller Ehre sei das Preisgeld von 15.000 Euro ein wichtiges und notwendiges Einkommen angesichts der latenten Unsicherheit, als freier Autor sein Auskommen zu finden, sagt Setz im Ö1 Interview mit Judith Hoffmann. Mit Büchern könne man gar nichts mehr verdienen, so das abgeklärte Fazit des vielfach preisgekrönten Schriftstellers, der deshalb bereits eine berufliche Neuorientierung in Erwägung zieht.
Kulturjournal | 16 07 2024
SUHRKAMP VERLAG/RAFAELA PRÖLL
Clemens J. Setz
Setz wurde 1982 in Graz geboren und lebt heute als Übersetzer und freier Schriftsteller in Wien. 2011 wurde er für seinen Erzählband "Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes" mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Sein Roman "Indigo" stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2012 und wurde mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2013 prämiert. 2014 erschien sein erster Gedichtband "Die Vogelstraußtrompete". Für seinen Roman "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" erhielt Setz den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2015. 2021 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt.
Nabokov in Lech
Das "Literaricum Lech" rückt jedes Jahr einen Klassiker der Weltliteratur ins Rampenlicht, um dessen Echoraum in der zeitgenössischen Literatur zu erkunden. 2024 ist dies "Lolita" von Vladimir Nabokov. Das Buch, das eine pädophile Liebe aus der Sicht des Pädophilen selbst schildert, ohne Pädophilie irgendwie zu entschuldigen, sei gerade deshalb bis heute so großartig und auch so lesenswert, sagt die Schriftstellerin Nora Bossong, die sich in ihrer Eröffnungsrede vor allem mit dem Begriff“ Bekenntnis“ im Untertitel des Romans auseinandersetzt. „Da geht es immer um die Frage von Sitten, von Moral. Und diese Fragen lassen sich eigentlich nicht ohne die Frage nach dem Bösen stellen“, so Bossong.
Zum Abschluss nimmt dann am Sonntagvormittag Clemens Setz offiziell die Auszeichnung als „Poeta Laureatus“ entgegen.
Text: APA/Red./Hoffmann