Radiokolleg
Hymnen für den Sport
Musik und Sport können vor allem in ihrer Gemeinsamkeit identitätsstiftend wirken. Davon zeugen Fan-Hymnen, Schlager und das Abspielen der Nationalhymne bei sportlichen Großveranstaltungen. Wir spüren einigen motivierenden, provozierenden und politisierenden Aspekten dieser Verbindung nach.
24. August 2024, 02:00
Schination Österreich
Das österreichische Nationalgefühl formierte sich nach dem Ende des zweiten Weltkrieges erst allmählich. In den 1970er Jahren erfuhr es nicht zuletzt durch nationale Erfolge im internationalen Sport eine Festigung. Dabei sind der Ausschluss des Schirennläufers Karl Schranz von den olympischen Winterspielen 1972, der Abfahrtssieg von Franz Klammer im Jahr 1976 und der 3:2 Sieg der österreichischen Fußballmannschaft gegen den zweifachen Weltmeister Deutschland bei der WM 1978 zu nennen.
Vor allem die nationalen Siege im Wintersport, ob im Weltcup oder bei der Olympiade, etablierten Österreich als Schination. Das führte 1972 sogar zu einem spontanen Schmähgesang gegen den Vorsitzenden des Olympia-Komitee, Avery Brundage, der als Single-Platte unter dem Titel: „Der Karli soll leb’n, der Brundage steht daneb’n“ herauskam. Wie steht es um den musikalischen Ausdruck in punkto Identifikation mit Sport, Sportlern und sportlichen Erfolgen in Österreich?
Andere Länder, andere Lieder
Großbritannien und Brasilien gelten als Fußballnationen, Kanada als Eishockey-Nation, Baseball wird in Amerika eine nahezu religiöse Bedeutung zugeschrieben und in Spanien gab es Bestrebungen, den Stierkampf zum Weltkulturerbe erklären zu lassen. Dementsprechend haben sich in einigen Ländern bestimmte Musikstücke oder Lieder als untrennbar mit dem jeweiligen Nationalsport etabliert (wenn man auch den Stierkampf als Sport betrachten will).
Hört man das 1908 im damaligen Machtzentrum der amerikanischen Musikindustrie, Manhattens Tin Pan Alley, entstandene Lied „Take Me Out to the Ball Game“, kann man kaum umhin, sich in ein Baseball-Stadion versetzt zu fühlen. Unzählige amerikanische Prominente haben es vor dem Beginn eines Spieles auf der Tribüne ins Megaphon gegrölt oder gesungen. Fan-Hymnen und andere spezifischer Musik, welche die Bedeutung einer Sportart als Nationalsport herausstreichen oder vielleicht sogar erzeugen, stehen hier im Mittelpunkt.
Popkultur im Fußball
Fußball ist die weltweit am meisten verbreitete Sportart. Das findet in allen Ländern, ob diesbezüglich erfolgreich oder unbedeutend, musikalischen Niederschlag. So haben das österreichischen Musikerduo Pirron und Knapp, die Italienische Rocksängerin Gianna Nannini oder der Schotte Rod Stewart mit den Hits „Ländermatch“, „Un’estate italiana“ und „On the Touchline“ ihre Mannschaften besungen.
Zugleich hat nahezu jeder Fußballclub seine eigene Hymne wie etwa die beiden konkurrierenden Wiener Vereine Rapid und Austria mit „Rapid, Rapid“ und „Nur eines im Sinn“. In der Fußballnation Brasilien sind die einschlägigen Lieder kleinster Regionen unüberschaubar und können auch bei bescheidenen sportlichen Erfolgen zum Ruhm ihrer Mannschaft führen. Die anfeuernde Qualität von Fan-Chören und Fußballhymnen sind Gegenstand dieser Folge.
Politik im Spiel
Während der Weltmeisterschaften und der Olympischen Spiele wird die Nationalhymne der jeweils antretenden Teilnehmer und Teilnehmerinnen gespielt. Das bot Athleten seit jeher die Gelegenheit, politisch Stellung zu beziehen. In Erinnerung geblieben ist etwa, als die afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos während der Siegerehrung zum 200-Meter-Lauf der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko-City ihre Faust zum sogenannten Black-Power-Gruß erhoben oder als der Quarterback Colin Kaepernick 2016 bei einem Trainingsspiel der National Football League demonstrativ nicht aufstand, als die amerikanische Nationalhymne erklang, um damit auf Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze in den Vereinigten Staaten hinzuweisen.
2022 protestierte die iranische Fußballmannschaft in Katar durch Schweigen gegen Repressionen in der Heimat und auch Österreich hatte 2002 im Wiener Ernst-Happel-Stadion seinen Bundeshymnenskandal. Wir gehen der politischen Dimension dieser Verbindung von Hymnen, Politik und Sport auf den Grund.