Ida Kammerloch

THOMAS STEINEDER

Ö1 Talentebörse

Ida Kammerloch, Bildende Kunst - Talentestipendium Shortlist 2024

In Kooperation mit den österreichischen Kunstuniversitäten präsentiert Ö1 junge Künstlertalente Österreichs. Ida Kammerloch studierte Trans Arts an der Universität für angewandte Kunst Wien

Junge Künstlerinnen und Künstler im Porträt

Ein zufälliges Stockfoto in einem Bilderrahmen, eine eBay-Auktion mit Polaroids aus den 1980er Jahren, eine einzelne Schlagzeile aus dem Internet, ein Heimvideoarchiv aus den 1990ern – ausgehend von Found Footage untersuchen meine recherchebasierten Filme und Installationen soziopolitische Mechanismen hinter Produktions- und Zirkulationszyklen. Massenware wird dabei zur Projektionsfläche für Konzepte kollektiver und individueller Erinnerung.

Was ist Kunst?

Ein Tausendfüßler?

Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Die Frage nach dem persönlichen Entstehungsmythos und den Gründen, die uns künstlerisch antreiben, ist sehr spannend. Oft gibt es darauf viele Antwortmöglichkeiten. Ich vermute, dass mich meine Mutter und mein Großvater in ihrer Art, kreativ in den Alltag einzugreifen, in jungen Jahren stark geprägt haben. Dabei spielte die Kamera schon damals eine wichtige Rolle im Familienalltag. Bis heute fasziniert mich das Absurde im Alltäglichen, sei es in Form von Gegenständen, gesellschaftlichen Ereignissen oder Menschen und ihren Geschichten. Seit etwa drei Jahren arbeite ich intensiv mit dem Videoarchiv meines Großvaters, das Hunderte Stunden Material umfasst und all diese Aspekte vereint. Besonders an der Auseinandersetzung mit Familiengeschichte reizt mich die Arbeit an der Schnittstelle zwischen persönlichen Lebenswelten und politischen Entwicklungen. Es gleicht der Untersuchung gesellschaftspolitischer Miniaturen.

Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?

Ein Wechselspiel aller drei Faktoren ist sicherlich hilfreich, wenn es darum geht, Durchhaltevermögen zu entwickeln. Jede meiner neuen Arbeiten haftet der Drang an, meine künstlerische Herangehensweise neu zu denken und diese erfahrbar zu machen. Oftmals versinke ich im Rahmen des Herstellungsprozesses regelrecht im Material, manchmal so tief, dass ich mir für einen gewissen Zeitraum sogar neue Gewohnheiten, Fähigkeiten oder Obsessionen aneigne. Dann entsteht ein regelrechter „Können/Müssen/Wollen“-Sog, der mich mitreißt.

Wo würden Sie am liebsten ausstellen/auftreten/inszenieren?

Ich würde gerne eines Tages ein Theaterstück samt Bühnenbild in einem Raum inszenieren, der kein Theater ist.

Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?

Mit einer Privatdetektivin und einer Person, deren Namen ich hier nicht nennen möchte. :)

Wie viel Markt verträgt die Kunst?

Der Markt als gesellschaftspolitischer Knotenpunkt steht im Mittelpunkt meiner Arbeiten. In den 1990ern betrieben meine Großeltern nach dem Zerfall der Sowjetunion dreizehn Jahre lang als Pendelhändler:innen einen Straßenstand, an dem sie gefälschte Markenkleidung und Spielzeug aus China verkauften. Das daraus resultierende VHS-Heimvideoarchiv meines Großvaters, das seine Chinareisen und das Leben meiner Familie in diesen Zeiten des Umbruchs zeigt, bildet den Ausgangspunkt für viele meiner aktuellen Arbeiten.

Und wie viel Kunst verträgt der Markt?

Das ist eine interessante Frage, der es sich lohnen würde, künstlerisch verstärkt nachzugehen.

Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?

Wahrscheinlich für irgendetwas Schwachsinniges, das mich zum Lachen bringt.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Individuelle Zukunftsvisionen lassen sich in disruptiven und instabilen Zeiten nur sehr schwer konkretisieren. Daher meide ich es, in so etwas wie Fünf- oder Zehnjahresplänen zu denken. Ich mag den Nebel auf dem Weg vor mir, aber einfach auch weil ich mich gerne überraschen lasse.

Haben Sie einen Plan B?

Es gab nie einen Plan A.

Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?

Etwas, das ich möglichst vermeide oder versuchen würde, mit einem persönlichen Gespräch aus der Welt zu schaffen.

Wollen Sie die Welt verändern?

Die Welt verändert mich, uns, stetig. Ich sehe meine Rolle eher im Dokumentarischen, insbesondere bei Projekten, deren Verlauf im Vorfeld nur
bedingt vorhersehbar ist. Im Rahmen des Ö1-Talentestipendiums zeige ich hierzu eine Arbeit, in der man eine mögliche „Welt“ begutachten kann.

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