Wanted: Superassistenz mit Justus Reichl

Marietta Trendl: Willkommen bei Wanted: Super-Assistenz, ein Podcast gestaltet von Franz-Joseph
Huainigg und Marietta Trendl. Mit der Hilfe von persönlicher Assistenz können viele Menschen mit
Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen. Es ist allerdings oft schwierig, Assistent:innen zu
finden. Franz-Joseph Huainigg sitzt im Elektrorollstuhl und wird künstlich beatmet. Auch er lebt und
arbeitet mit der Unterstützung von persönlichen Assistent:innen. Um diese zu finden, lädt er
Persönlichkeiten zum Bewerbungsgespräch. Am Ende entscheidet dann eine Challenge, ob die
Bewerbung erfolgreich ist.

Franz-Joseph Huainigg: Ja, zu Gast hier heute bei mir ist Justus Reichl. Nachhaltigkeitsbeauftragter
der Wirtschaftskammer Österreich. Aber er hat eine lange, große Geschichte und Karriere hinter sich,
und vor sich wahrscheinlich. Und es freut mich besonders, dass du dich bewerben möchtest bei mir
als persönlicher Assistent. Also, da kann ich nur gewinnen und profitieren. Magst du dich vielleicht
kurz vorstellen?

Justus Reichl: Ich danke dir sehr für die Einladung, lieber Franz-Joseph. Die mich sehr gefreut hat und die mich auch schon angesprochen hat, ohne dass wir uns noch kannten, weil mich dein Vorname schon angesprochen hat, Franz-Joseph. Obwohl du mich als Justus vorgestellt hast, habe ich eigentlich auch einen Doppelvornamen, nämlich Franz-Harald. Das ist mein Taufname. Aber nachdem ich in Oberösterreich auf die Welt gekommen und dann in einer mittelständischen Unternehmerfamilie groß geworden, mich mit 18 Jahren entschieden habe, ins Kloster einzutreten, nämlich in ein Benediktinerkloster in Niederösterreich, in Stift Göttweig, habe ich dort auch einen Ordensnamen bekommen, nämlich Justus. Und dieser Ordensname ist mir bis heute geblieben und ich habe ihn sozusagen mit als Teil meiner Geschichte behalten, obwohl ich dann nach 17 Jahren ungefähr wieder aus diesem Kloster ausgetreten bin, in Frieden ausgetreten, einen anderen Weg gegangen bin. Der hat mich dann weitergeführt in den Raiffeisensektor, wo ich jetzt knapp 14 Jahre beruflich tätig war, bevor ich letztes Jahr im Oktober vom österreichischen Raiffeisenverband in die Wirtschaftskammer Österreich gewechselt bin als Sonderbeauftragter für Nachhaltigkeit. Das ist also meine jetzige Position. Aber insgesamt ein buntes Lebens, glaube ich schon, mal schauen was noch kommt. Vielleicht ja bei dir, weil, wie gesagt, wir sind ja in einem Bewerbungsgespräch und ich hab schon gesagt, bin gespannt was du mir womöglich offerieren kannst.

Franz-Joseph Huainigg: Ich glaube, jetzt kommt der berufliche Höhepunkt, der persönliche Assistent.
Ich brauche Unterstützung im Alltag. Meine Arme und Beine, sie sind gelähmt, die kann man nicht bewegen, aber deswegen habe ich Unterstützung der persönlichen Assistenz, die mich anziehen, ausziehen, mich in den Rollstuhl setzen, mir Frühstück geben – das ist die Morgenroutine. Auch
pflegerische Maßnahmen, also Atemkanüle absaugen, eincremen, … Und dann beginnt mein wirkliches Leben. Also, ich habe den Computer geöffnet, arbeite und schreibe Mails und Konzepte, Ideen, Papiere. Ich bin ja einerseits ORF-Beauftragter für Barrierefreiheit, aber ich schreibe auch
Gedichte, Texte, Bücher. Ja, man muss auch viel organisieren, wenn man behindert ist und muss überlegen, wie komme ich hin mit dem Rollstuhl, was tue ich, wenn der Lift in der U-Bahn ausfällt, wie planen wir um, welche anderen Wege gehen wir? Da kannst du mit deinen Managementfähigkeiten mein Leben bereichern. Da bin ich ordentlich dann durchgeplant.

Justus Reichl: Ich denke, ich könnte dein Leben sicher auch mit Managementfähigkeiten bereichern, die habe ich mir in den letzten Jahren, glaube ich, schon auch antrainiert, wurden mir antrainiert, das ist ja immer ein Geben und Nehmen, auch der Umgebung. Aber ich glaube, was noch viel wichtiger ist, und das ist ja in der Berufs-, in der Stellenbezeichnung schon drinnen, die du ausgeschrieben hast: persönlicher Assistent. Es geht ja auch um persönlich. Und bin sehr froh darüber, dass ich in meinen Klosterjahren unterschiedlichste Erfahrungen gemacht habe, also nicht nur mit dem Hirn und studieren, in der seelsorglichen Praxis und in Wirtschaftsbetrieben, sondern auch persönliche Erfahrungen, weil so ein Kloster versteht sich auch als Familie. Wir hatten damals im Konvent, also in der Klostergemeinschaft, an die 70 Mitbrüder, quer durch alle Altersgruppen, also als ich eingetreten war, mit 18, war ich unter den Jüngsten, der Älteste damals war über 90, Bruder Blasius. Und der hatte einen Pfleger, weil der war bettlägerig und war schon ein Pflegefall, aber der Pfleger hatte auch
zwei Tage die Woche frei. Und dann war es ganz selbstverständlich, dass wir Junge, wir hatten immer abwechselnd Blasidienst, hat das geheißen, also Blasiusdienst. Das heißt, man wusste, wenn man Blasidienst hat, muss man in der Früh so gegen halb sechs beim Bruder Blasius im Zimmer auftauchen. Dann wird er einmal geweckt, manchmal wollte er geweckt werden, manchmal nicht. Das hat man dann schon zu spüren bekommen an seiner Laune. Und dann war körperliche Routine angesagt. Das war sein erster Tagesordnungspunkt, in der Früh zum Gottesdienst zu gehen, wo er dann teilnehmen wollte und ihn dann zum Frühstück bringen usw. Ich bin also auch, was eine
gewisse Widerspenstigkeit zu Betreuern betrifft, schon ein wenig erfahren. Könnte vielleicht auch diese Erfahrung einbringen, neben den Managementqualitäten.

Franz-Joseph Huainigg: Ja, toll. Tolle Vorerfahrung, ungeahnt für mich. Wie hältst du es mit Gott? Ich habe als Kind schon sehr gehadert. Warum bin ich behindert? Warum ist das mir passiert? Warum nicht dem anderen? Der ist ja so schlimm, der hat das vielleicht eher verdient, habe ich damals gedacht als Kind. Und da habe ich schon sehr gezweifelt. Aber ich habe dann auch zu Gott gefunden.Ich habe im Laufe der Zeit bemerkt, dass er mir Körperfunktionen zum Beispiel genommen hat, dafür ich was anderes bekommen hab, die Langsamkeit, Dinge zu sehen, die andere nicht sehen. Meine Frau sagt, ich hätte ein Gottvertrauen, wie sie es noch nie erlebt hat. Und es stimmt auch, ich gehe und rolle meinen Weg mit Zuversicht und es gelingt auch vieles. Also mich auf den Weg machen im Gottvertrauen und dann funktioniert es auch. Das ist meine Erfahrung. Was ist deine Erfahrung? Bist du auch in diesem Gottvertrauen bei der Wirtschaftskammer Österreich?

Justus Reichl: Also mal ganz unabhängig von der Wirtschaftskammer, dieses Gottvertrauen begleitet mich von Kindestagen an. Ich habe das Glück – und ich sehe es wirklich als Glück – in eine, ich sage immer dazu, normal österreichisch-katholische Familie hineingeboren zu sein. Glaube hat bei uns
dazugehört. Auch das Gespräch über den Glauben, aber nicht in einer irgendwie sozusagen künstlich aufgesetzten, gekünstelten Form, sondern das gehörte dazu. Ich habe immer im Glauben und in diesem auch Gottvertrauen für mich eine ganz persönliche Zuversicht gefunden. Diese Frage, die
man im theologischen die Theodizee Frage nennt, also so auf den Punkt gebracht, warum kann Gott das zulassen? Und das geht ja von Krieg in der Welt bis zu persönlicher Betroffenheit, Schicksalsschlägen. Warum ist mein Kind bei einem Unfall ums Leben gekommen? Warum bin ich mit einer Behinderung geboren oder habe im Laufe meines Lebens plötzlich eine bekommen? Und, und. Man könnte sagen, der Justus ist irgendwie glücklich, weil der lebt eh ein gutes Leben, ja. Aber umgekehrt, auch ich war immer in persönlichen Situationen, Entscheidungssituationen, wo man, gerade wenn ich mir denke, die Jahre, wo ich dann überlegt habe, aus dem Orden auszutreten, soll man das tun oder nicht? Sind die Gründe ausreichend oder nicht? Darf man das auch sozusagen, vor dem lieben Gott, dem man ja etwas versprochen hat, ewige Gelübde abgelegt hat oder nicht? Oder, oder auch im Persönlichen, wie ich dann meine Frau kennengelernt hab, die nicht der Grund war für meinen Austritt, das ist ein altes Vorurteil, später kennengelernt, wie ich meine Frau kennengelernt hab, soll man diesen Weg gehen? Ich finde mich immer wieder in so ganz persönlichen Gesprächen mit dem lieben Gott, das soll gar nicht kindlich klingen, er ist es für mich, ein mich Liebender nämlich und ich hadere auch mit ihm und denke mir, wenn sich zum Beispiel beruflich etwas ganz anders entwickelt, wie man sich das vielleicht jahrelang vorgenommen und schon schön zurechtgelegt hatte, dann hadere ich ja auch mit ihm, da kommt auch mal die Frage im Zorn, was soll das jetzt wieder, warum tust du mir das an? Aber das Grundvertrauen ist da und diese Zuversicht, die mein
Theologiestudium fünf Jahre damals in Salzburg weder gestärkt noch geschwächt hat, also die ist Studienunabhängig, diese Zuversicht und dieses Gottvertrauen bei mir, das ist irgendwo ins Herz getropft, das ist da. Ich denke mir immer aus Erfahrungen, auch im seelsorglichen Gespräch mit
vielen Menschen, dass ich ja auch hatte in meiner seelsorglichen Zeit, wo Menschen einem gegenübersitzen, die sehr weit aufmachen. Weil du auchdeine Behinderung angesprochen hast und die besondere Situation, in der du bist, ich habe so viele kennengelernt, die auf den ersten Blick überhaupt nicht behindert wirken. Man sieht nichts. Du denkst, es sitzt ein unter Anführungszeichen „normaler Mensch“, Frau/Mann, gegenüber. Und wenn Menschen aufmachen und sehr schnell im seelsorglichen Gespräch zeigen, was sie bewegt, was sie bedrückt, was sie belastet, womit sie kämpfen, da werden oft ganz versteckte Behinderungen sichtbar. Behinderungen, die von anderen ausgelöst werden, weil viele Menschen sich behindert fühlen durch ihre Umwelt, durch Lebenspartner, durch Berufskolleginnen, Kollegen, durch Situationen, in die sie gestellt sind. Immer wieder habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass Menschen es gut schaffen, auch mit solchen Situationen umzugehen, aus einer gewissen Grundüberzeugung, einem Grundvertrauen heraus, es wird schon einen Sinn haben. Ich denke mir, dass immer auch die andere Seite sehen, und so schlimm jetzt manches ist, wo steckt auch wieder ein Stück Licht und Freude und Hoffnung und
Zuversicht drin?

Franz-Joseph Huainigg: Es ist auch spannend, dass ich immer wieder auf der Suche nach Assistenten bin und ich kriege auch immer wieder im richtigen Augenblick Assistenten. Es begegnen mir die richtigen Leuten, also es ist schon irgendwie auch von Gott getragen, glaube ich. Und in diesem Urvertrauen lebe ich auch, und da gelingt auch sehr viel. Wie siehst du das in der Kirche, hat sich da viel verändert gegenüber Menschen mit Behinderungen? Ich erlebe das schon, also früher hat man gesagt, eher kommt ein Mensch mit Behinderung in den Himmel, als in die Kirche. Also ich sehe jetzt schon, dass hier die meisten Kirchen barrierefrei umgebaut worden sind. Ich glaube, die Kirche schafft einen richtigen Weg. Wie siehst du das?

Justus Reichl: Ich traue mir das Bild, das du hier vorgibst, noch ein wenig zu weiten. Ich glaube, es steht der Kirche insgesamt gut an, Menschen mit unterschiedlichsten, unter Anführungszeichen „Behinderungen“, ganz weit mit weiten Armen, ausgebreiteten Armen aufzunehmen und hereinzulassen. Und das sind nicht nur die, die offensichtlich einen Rollstuhl brauchen. Wir hatten jahrelang die Diskussion, wie schaffen wir es in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt. Mittlerweile ist es gelungen, dass man wirklich barrierefrei durch alle Stockwerke bis in die Stiftkirche kommt. Da öffnet sich viel. Aber ich glaube, das Thema geht noch weiter. Wenn Kirche nicht offen ist und zugänglich ist und barrierefrei ist für alle die suchen, für alle die wie auch immer belastet sind, für alle die Heimat, Gespräch, Trost, Barmherzigkeit, was auch immer suchen – ein offenes Ohr, ein ehrliches Wort – wenn Kirche nicht schafft, so offen zu sein, ich glaube, dann wird sie weiter an ihrer Berufung, an ihrer Grundidee vorbeigehen. Und ganz ehrlich, auch da ist die Kirche auf einem Weg. Ecclesia semper reformanda, ja, das ist ein alter Spruch, die Kirche ist immer in Erneuerung. Gott sei Dank! Und Gott sei Dank auch zuletzt wieder mehr, wie man vielleicht Jahre und Jahrzehnte davor den Eindruck hatte. Ich glaube, wenn Kirche kein Platz ist, wo Menschen mit all ihren Lasten, Licht und Schattenseiten Platz haben, dann hat sie sich überlebt. Die Bereitschaft, das auch anzunehmen und sozusagen nicht nur ein elitärer Kreis der Frommen zu sein, sondern auch eine Gemeinschaft von Suchenden, die nicht gleich auf alles eine Antwort haben und die auch belastet, vielfach belastet kommen, ich glaube, das ist Grundvoraussetzung, um überhaupt ehrlich Kirche sein zu können, zumindest in meiner Vorstellung.

Franz-Joseph Huainigg: Du bist ja jetzt Nachhaltigkeitsbeauftragter der Wirtschaftskammer, siehst du
auch Beschäftigung von Menschen mit Behinderung als Ziel der Nachhaltigkeit? Und wie kann man in
Betrieben Stimmung machen, dass Menschen mit Behinderung beschäftigt werden?

Justus Reichl: Ich bin jetzt seit Oktober letzten Jahres in der Wirtschaftskammer als
Sonderbeauftragter für Nachhaltigkeit tätig, und eine wesentliche Erkenntnis ist: wenn man über
Nachhaltigkeit redet, hat zwar jeder das Wort schon zigmal gehört und manchen stellen sich die
Krausbirnen auf, wenn sie das nur hören, weil sie denken, da kommen irgendwie Klimakleber oder
sonst was. Also das Wort polarisiert, ja. Aber vor allem wird es einmal verstanden, Nachhaltigkeit ist
gleich Klima-Themen, Grüne Themen, sozusagen Öko-Themen, und das Verständnis, dass
Nachhaltigkeit mehr ist, dass man von drei Säulen oder drei Kreisen, die so ineinander gehen, der
Nachhaltigkeit spricht, nämlich der ökologischen, ja, aber auch der ökonomischen und der sozialen
Nachhaltigkeit. Das nachhaltiges Wirtschaften, letztlich auch nachhaltiges Leben, nur funktioniert,
wenn diese drei Dinge in einer Balance sind. Das ist eine erste Erkenntnis, die ich schon gewonnen
habe. Diese Überzeugung ist noch weit nicht durchgekommen. Und dass damit auch in den Fokus
kommt, unter anderem das Thema Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, Integration von
Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess. Der Nutzen der Vielfalt der Menschen, auch für
Unternehmen, das ist etwas, was sicher noch Entwicklung braucht, was noch Luft nach oben hat. Ich
glaube aber, dass diese Fragen immer mehr in den Fokus kommen, je mehr der Mensch in der Arbeit
und am Arbeitsplatz geschätzt wird. In einer Zeit, wo immer mehr offene Stellen immer weniger
Bewerberinnen und Bewerbern gegenüberstehen. Ich glaube, dass allein das schon ein Grund ist,
dass viele wirtschaftlich Tätige, Unternehmerinnen, Unternehmer, Betriebe,
Personalverantwortliche, sich schon auch die Frage stellen und sagen, in welchen Reservoirs können
wir denn noch fischen? Wo können wir denn noch Kandidatinnen und Kandidaten gewinnen? Und
dass da dann plötzlich auch Menschen in den Fokus kommen, die man bisher vielleicht zu schnell,
viel zu schnell übersehen hat, und sich gedacht hat, na, wer weiß, haben wir da irgendwelche
Schwierigkeiten? Und dass da schon Bewegung allein durch diese Frage kommt, dass kompetente,
geschickte Menschen heute viel gesuchter sind, vielleicht wie noch vor 10, 15, 20 Jahren, wo es eher
an Arbeitskräften Überschuss gab und im Vergleich zu wenige Stellen.

Franz-Joseph Huainigg: Ich mein, es stimmt. Man muss das die Potenziale erkenne können von Menschen mit Behinderungen, und einige Betriebe haben das ja vorgelebt. Siemens zum Beispiel hat Techniker, gesucht und hat dann gehörlose Menschen entdeckt, die technisch sehr begabt sind und haben dann Kurse in Gebärdensprache angeboten und das sind tolle Techniker geworden. Oder die Firma Kapsch trainiert für das Mautsystem, das elektronische Mausystem, die KI durch Menschen mit Lernbehinderung. Die schauen sich den ganzen Tag Fotos an, von Lastern mit zwei oder drei Achsen und geben das ein. Sie haben eine Freude daran, eine tolle Beschäftigung für sie, auch eine sinnvolleUnd sie machen das mit Freude, wo ein andere sagen würde, ich würde das nicht aushalten, aber durch diese Fokussierung machen sie es gerne. Interessanterweise ist es so, dass viele Betriebe, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, sehr positiv darüber reden und von positiven Erfahrungen sprechen und andere die das nicht machen, die überlegen dann, das könnte schwierig sein und
macht Probleme.

Justus Reichl: Es geht darum Hürden, oft auch Hürden in den Gedanken, in den Gehirnen abzubauen, eigene Behinderungen sozusagen der Behinderung gegenüber abzubauen. Um einmal zu sehen, da steckt so viel Potenzial drin und natürlich auch manches, was man dann extra beachten muss. Aber dieser bewusste Umgang mit Ressourcen und bitte verstehe mich nicht falsch. Ich meine das sehr wertschätzend, dieser bewusste Umgang mit Ressourcen, den ja unsere immer nachhaltiger aufmerksame Welt momentan pflegt. Da geht es nicht nur um Ressourcen irgendwie von
Bodenschätzen bis Wasser und Luft und Wald und Boden, sondern die wesentlichste Ressource, die uns weiterbringt ist ja mal die Ressource Mensch. In aller Wertschätzung ihr gegenüber und da auch mit Ressourcen im besten Sinn wertschätzend umzugehen und die Potentiale zu entdecken, ich
glaube das ist eine Aufgabe letztlich auch für jede Führungskraft.

Franz-Joseph Huainigg: Das sehe ich auch so. Es ist schön zu sehen, wie du das siehst und wie du, wie
ich glaube, auch einige Dinge voran bringen wirst in der Wirtschaftskammer und in der Wirtschaft
generell.

Justus Reichl: Ich habe damals einen Job gesucht. Ich habe diese Erfahrung gemacht, du schickst 100 Bewerbungsschreiben weg, du kriegst zehn Antworten, 90 rühren sich nicht einmal und die 10, die ich bekommen habe, waren großteils negativ. Es hat sich dann doch aber eine Chance ergeben und völlig quer noch eine weitere. Und das war damals das Angebot bei Raiffeisen, in der Raiffeisen Zentralbank damals, in das neu gebildete CSR-Team einzusteigen. Und der damalige RaiffeisenGeneralanwalt Christian Konrad, der mich angesprochen hatte, hat zu mir gesag: Du CSR, das wäre doch was für dich. Und ich habe gesagt, keine Ahnung, was ist das? Ich hatte das in meinem Theologiestudium und im Kloster noch nie gehört, Corporate Social Responsibility, CSR war damals in aller Munde. Also das hatte es noch nicht hinter die Klostermauern geschafft. Also ich habe gesagt was ist das? Und Christian Konrad hat zu mir gesagt, tu dir nix an, das ist das, was du studiert hast,
das heißt jetzt nur anders. Also er hat damit gesagt, Theologie halt irgendwie weiter gedacht. Wenn ich heute von einem Studium herkomme, wo das christliche Menschenbild, Schöpfungsverantwortung, Ethik, Ethos usw. wesentliche Rollen spielen, dann bin ich in der CSR oder
ESG-Thematik mittendrin, sozusagen bewusst oder unbewusst und insofern war es ein guter Umstieg und Einstieg und ich bemühe mich wirklich bei allem wirtschaftlich notwendigen Denken. Also ich habe meinen MBA gemacht, aber ich glaube es braucht auch wieder beide Seiten. Es braucht dieses ökonomische Fundament, aber es braucht genauso diese soziale Orientierung und es braucht diesen weichen, sozusagen menschlichen Zugang. Und beides zusammen, glaube ich, macht's dann aus, dass man auch in der Wirtschaft gut etwas weiterbringt. Nämlich gut im Sinn von nachhaltig.

Franz-Joseph Huainigg: Und es braucht auch eine Haltung und ein Grundfundament, ein menschliches. Ich freue mich, dass du bei mir arbeiten möchtest. Wir sind in einem Bewerbungsgespräch und wir haben immer eine Challenge vorbereitet. Wo wir auch schauen, wie ist es praktisch, wär das was für dich. Und zu meiner Seite sitzt die Marina, eine persönliche Assistentin von mir. Möchtest du dich kurz vorstellen und bitte die Challenge erklären?

Marina: Ja gerne, also ich bin die Marina. Ich bin jetzt seit circa einem Jahr bei Franz-Joseph und es macht mir wahnsinnig Spaß, einfach die unterschiedlichen Bereiche, in die man so Einblick bekommt und mit der Familie zu sein, im Job zu sein. Also es ist eine richtig tolle, abwechslungsreiche Tätigkeit, das mal ganz kurz zusammengefasst. Und die Challenge für heute wird sein, das Schlauchsystem bei Franz-Joseph zu wechseln. Und zwar das beginnt eben hier, bei der Gänsegurgel. Geht dann einmal um den Rollstuhl herum, dann nach unten und dann gibt es noch einen, ja einen anderen kleinen Schlauch. Das ganze System wird dann eben ausgewechselt. Und da würde ich jetzt vorschlagen, dass
wir das einfach alles mal auf den Tisch ausbreiten und wenn das dann alles vorbereitet ist, dann kann man es austauschen.

Justus Reichl: Ich sehe die Dimension des Schlauchs und die Zusatzdinge, die es da noch gibt an größeren Schlauchen, kleineren, einige Anschlüsse und so weiter. Ich hab mir gerade gedacht, gut, dass ich nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch geschult bin. Die Benediktsregel wird ja oft zusammengefasst mit ora et labora. Also nicht nur die geistige, sondern auch die praktische Arbeit gehört dazu. Und ich glaube, es scheint bewältigbar, ich sag mit einem gewissen Grundvertrauen und unter dem kritischen Blick deiner Assistentin wird es gelingen.

Franz-Joseph Huainigg: Ich ersticke auch nicht gleich, wenn ich abgesteckt bin. Ich könnte schon eine Zeit lang ohne Schlauch atmen, also kein Stress. Aber insgesamt brauche ich dann doch Luft.

Marina: Zu lang soll es auch nicht dauern. Genau, also das kann man sich mal anschauen. Da beginnt eben der Schlauch bei der Gänsegurgel, der ist an der Kanüle angesteckt und geht dann da nach hinten, über den Rollstuhl, über die Kopfstütze, da nach unten, am besten vom Rucksack einmal runter, damit man es besser sieht.

Justus Reichl: Und rein praktisch denke ich mir, es wäre sinnvoll, den Schlauch schon parallel, den neuen zu legen, bevor man den alten absteckt. Dann wird die Zeit, die du ohne die Sauerstoffzufuhr auskommen musst, kürzer. Und dann können wir diesen Schlauch, der da vorne ist, sozusagen so einmal verbinden. Unterschätzt nie die praktischen Fähigkeiten eines Theologen. Da muss ich schauen. Dann legen wir das drumherum und hängen es hier in diesen Klammern ein. Das geht mit Klettverschluss. Das heißt, den würde ich hier gleich übernehmen. Ich glaube, das geht sehr gut. Dann soll ich das anstecken. Und dann schließen.

Franz-Joseph Huainigg: Perfekt. Wenn ich einmal wirklich Not habe, darf ich mich bei dir melden. Du
bist ein toller Assistent, du hast den Job.

Justus Reichl: Ich danke dir sehr. Danke für die Möglichkeit, so persönlich ins Gespräch zu kommen.

Franz-Joseph Huainigg: Wunderbar, freut mich!