Wanted: Superassistenz mit Chris Lohner

Marietta Trendl: Willkommen bei Wanted: Super-Assistenz, ein Podcast gestaltet von Franz-Joseph Huainigg und Marietta Trendl. Mit der Hilfe von persönlicher Assistenz können viele Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen. Es ist allerdings oft schwierig, Assistent:innen zu finden. Franz-Joseph Huainigg sitzt im Elektrorollstuhl und wird künstlich beatmet. Auch er lebt und arbeitet mit der Unterstützung von persönlichen Assistent:innen. Um diese zu finden, lädt er Persönlichkeiten zum Bewerbungsgespräch. Am Ende entscheidet dann eine Challenge, ob die Bewerbung erfolgreich ist. Diesmal zu Gast ist die Autorin und Schauspielerin Chris Lohner.

Franz-Joseph Huainigg: Ja, liebe Chris, schön, dass du bei mir bist. Ich möchte kurz erzählen, was dich erwarten würde, also was persönliche Assistent:innen bei mir machen. In der Früh anziehen helfen, waschen, in den Rollstuhl setzen, Frühstück geben, Begleitung zur Arbeit, Mails, beantworten. Ich kann selbst nicht schreiben, ich diktiere die Mails. Und dann Begleitung zu verschiedenen Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen. Aber ich glaube, wenn wir gemeinsam auftreten, dann stielst du mir die Show. Weil, dich kennen viel mehr Leute als mich. Du bist ja meine Lebensbegleiterin geworden. Schon als Kind, als Fernsehansagerin von FS1 und FS2. Wir sehen Sie heute, später. Und bei den Zugfahrten, das war ja auch schon in den 80-er Jahren. Also du bist meine Lebensbegleiterin. Aber diese Erlebnisse sind sehr einseitig. Und als Assistentin hätten wir auch Gelegenheit zu gemeinsam etwas zu machen. Kannst du dir das vorstellen?

Chris Lohner: Das kann ich mir immer vorstellen, weil du weißt, ich bin seit 20 Jahren unterwegs mit Menschen, denen es unter Umständen ähnlich geht wie dir, also ich bin gewohnt anzupacken, ich kenn mich da aus und ich hätte kein Problem. Du bist ja ein bisschen jünger als ich, nehm ich an?

Franz-Joseph Huainigg: Bisschen, 58.

Chris Lohner: Also ich könnte deine Mutter sein, weil ich werde 81 und ich hab ja vor über 50 Jahren hier die erste Ansage gemacht, 1973 im Jänner. Also ich kenne ja den ORF schon ein bisschen, in- und auswendig, und ich bin natürlich für Verschiedene Wegbegleiter. Und ich sehe kein Problem, wenn wir gemeinsam auf die Bühne gehen, das ist ja egal. Ich gehöre ja schon sowieso zum Inventar in Österreich, ich bin sozusagen die Herzeig-Alte und ich kann mir das alles vorstellen, ja. Wieso nicht?

Franz-Joseph Huainigg: Wunderbar. Die erste Erfahrung mit Behinderung hast du ja gemacht bei „Kottan ermittelt“: Da war ja der Kommissar, der mit Krücken gegangen ist, der amputiert war, der die Kaffeemaschine mit Krücken bearbeitet hat. Der aus den Krücken eine Maschinenpistole gemacht hat. Wie war das damals?

Chris Lohner: Das war eigentlich, Kottan war eine sehr mutige Geschichte vom ORF, muss man schon sagen. Denn es war ja erstens einmal eine Persiflage und ein bisschen eine Verarschung der Polizei, es war ja auch ein großer Skandal, es gab ja über 400 Anrufe, wo die Leute sich furchtbar empört haben. Aber wir waren ein tolles Team und Kottan ist ein Meilenstein in der Krimi-Geschichte des Fernsehens, denn ohne Kottan hätte es nie einen Schimanski gegeben und all diese Dinge. Weil vorher war nur der Alte und Derrick und da war die Polizei heilig. Da wurde nie jemand auf den Arm genommen und der Davy hatte ja nur ein Bein und ging auf Krücken. Das ist ja noch aus der Zeit, die ich noch als Kind erlebt habe, dass ich Menschen gesehen habe, denen ein Arm fehlt, ein Bein fehlt. Weil ich bin 1943 geboren, ich habe ja noch die Heimkehrer gesehen, die nach dem Krieg nach Hause kamen, das war ein ganz normales Stadtbild, das siehst du ja heute nicht mehr, wo Menschen eine Gliedmaße gefehlt hat, die aber immerhin zumindest aus dem Krieg zurück kamen und drum, Kottan zeigt auch mit dem Finger auf verschiedene Dinge und das war am Anfang natürlich für viele Menschen, du weißt wie das ist, es muss immer heile Welt sein und alles muss goody goody sein und fein, fein und das hat halt verschiedenen Menschen am Anfang nicht gepasst und dann ist es Kult geworden, also dann ist es Kult geworden und es ist insofern so viel Kult geworden, dass heute noch, nach glaube ich 36 Jahren oder länger, es immer wieder wiederholt wird.

Franz-Joseph Huainigg: Über Behinderung lachen und so, dieser Humor, das war damals bahnbrechend, dass das im Fernsehen gezeigt wurde. Wie hat es sich heute verändert? Kann man leichter damit umgehen, oder gibt es noch immer viele Vorurteile? Gibt es mehr Menschen mit Behinderungen, auf der Straße? Es gibt ja viele Bemühungen mit Barrierefreiheit.

Chris Lohner: Diese barrierefreie Geschichte z.B. gerade in Wien, da gibt es viele Sachen, die nicht barrierefrei sind. Ich meine, ich gehe mal in einen Supermarkt. Das ist lächerlich, das ist alles irgendwo oben. Oft helfe ich jemandem, weil du musst ja nicht nur behindert sein, es reicht ja schon, wenn du nicht besonders groß bist. Du musst so irgendwo hinauf, um irgendetwas herunterzunehmen. Da ist noch viel Arbeit zu tun, es ist besser geworden, aber es ist immer noch nicht so, wie es sein soll, meiner Meinung nach. Ich weiß es ja, weil ich ja sehr lange für blinde Menschen gearbeitet habe. Dass Menschen ja nicht einmal wissen, wie sie mit jemanden umgehen, der nicht sieht, dass du mit jemandem redest, der blind ist, und dann gehst du weg und der weiß nicht einmal, dass du weg bist. Die Menschen wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Du musst jemandem, der nicht sieht, wenn du mit ihm ein Gespräch hast, erstens musst du ihn kurz auf der Schulter berühren, damit er weiß, er wird angesprochen. Und dann musst du ihn kurz berühren, wenn du weg bist. Auf der Schulter, damit er weiß, du gehst weg. Also es sind so viele Kleinigkeiten, weißt du, die man einfach wissen muss und nd das sollte man noch mehr verbreiten, finde ich.

Franz-Joseph Huainigg: Ich finde auch. Du hast dich ja viele Jahre engagiert für Licht für die Welt. Für behinderte Menschen in Ländern des globalen Südens. Bist du dort auch selbst dorthin gefahren und hast erlebt, wie behinderte Menschen dort leben?

Chris Lohner: Ich habe auch immer meine Flüge selbst bezahlt, weil ich nicht wollte, dass die Leute glauben, ich fliege mit ihren Spenden um die Welt. Ich habe es selbst bezahlt. Und ich bin immer mit Schlafsack und Stirnlamme unterwegs gewesen, weil ich natürlich, dort wo ich hingefahren bin, Sudan und Somalia, welches Hotel? Die Leute haben mich gefragt, in welchem Hotel wohnen sie?Da habe ich gesagt, mein Hotel heißt Schlafsack. Ich schreibe gerade ein Buch über diese 20 Jahre, das kommt im Februar heraus. Es heißt „Can I use your toilet, please?“, weil das hat sich wirklich gezogen durch alle meine Reisen. Wenn du durch die Lande fährst in Mosambik, Sudan, Somalia, Kenia, Tansania, du bist ja im Busch. Und du bist froh, wenn du in einem sogenannten Spital bist, oder irgendwo in einer Schule, wenn irgendwo ein Klo ist, weil sonst bist du immer nur unterwegs. Und das zieht sich durch alle Reisen. Und dieses Buch kommt im Februar.

Franz-Joseph Huainigg: Ist so ein Erlebnis in Erinnerung geblieben, das prägend war? Mit einem Kind mit einer Behinderung oder... ?

Chris Lohner: Die Menschen gehen ganz anders um mit Behinderungen. In Afrika muss ich schon mal generell sagen. Man soll nichts verallgemeinern, aber sie gehen ganz anders um damit. Weil die Menschen sind zwar auf eine Art integriert, in einem Dorf wird einander mehr geholfen, weißt du, also das ist schon der Fall. Aber es fehlt natürlich an allem, das ist eh klar. Wir haben immer, gerade bei Lichts für die Welt, ein Outreach-Programm gehabt, wo die Fieldworker in die Dörfer gegangen sind, mit den Kindern geübt und den Eltern gezeigt haben, was sie mit den Kindern machen müssen. Es hat natürlich auch eine dunkle Seite in Afrika, eine Behinderung. Weil die Menschen glauben, wenn sie ein behindertes Kind haben, dann ist es eine Strafe für irgendwelche Sünden, die sie begangen haben. Und dann verstecken sie mitunter auch die Kinder. Und die haben dann natürlich keine Chance. Wenn wir irgendwo unterwegs waren und dann ein Kind entdeckt haben, oder auch einen Erwachsenen, dann haben wir den mitgenommen ins Programm. Und den Eltern erklärt, dass sie nicht zum Medizinmann gehen sollen, sondern wirklich zum Doktor. Und die haben dann auch gesehen, dass geholfen wird. Aber das ist natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber irgendwo muss man anfangen. Man kann nicht einfach sagen, das ist so und aus und fertig. Man kann nicht die ganze Welt retten, aber man kann Einzelschicksale erleichtern. Und in 20 Jahren, denke ich, habe ich schon eine ganze Menge Einzelschicksale erleichtern können. Und das macht einem so ein schönes Gefühl. Weißt du, es ist ja alles im Leben rückbezüglich. Helfen ist ja rückbezüglich. Du freust dich und der freut sich und du freust dich zurück. Es ist ja auch das Böse rückbezüglich. Wenn jemand sehr ekelhaft ist zu mir, dann ist er halt ekelhaft, zehn Minuten, aber er muss ja mit seiner ekelhaften Psyche leben. Das reicht ja. Und ich geh wieder zur Tagesordnung über und bin ein vergnügter Mensch. Also es ist alles, was du tust in deinem Leben, ist rückbezüglich, ganz egal, was es ist.

Franz-Joseph Huainigg: Blinden Menschen zu helfen, grad wenn es so eine kleine Operation ist, die das Leben verändern kann, ist ja auch ganz was Tolles und Großartiges. Und dein Engagement beruht ja auf deiner eigenen Erfahrung mit dem grauen Star.

Chris Lohner: Ja, es ist so, dass jemand in einem Dorf, wenn er nichts mehr sieht, der kann ja weder die Kinder betreuen, noch Holz holen, noch die Tiere betreuen. Der ist meistens verurteilt, am Straßenrand zu sitzen und zu betteln. Dann wird er entweder umgebracht oder die Hyänen fressen ihn oder ich weiß nicht, was. Also das ist so wichtig. Und es kommt ja noch eine Facette dazu, die die Menschen gar nicht bedenken. Durch ganz Afrika zieht sich ja Aids. Das geht ja von Südafrika bis hinauf zum Meer, wo die großen Lastwagen, die durchs Land fahren, am Weg natürlich sich irgendwo anstecken. Und das über das Land verteilen. Und dann hast du die Jungen, die sterben, die haben Kinder, und dann sterben die Jungen an Aids. Und dann müssen die Großeltern natürlich sich um die Kinder kümmern. Wenn die aber nichts sehen, dann können sie sich nicht um die Kinder kümmern. Und dann haben wir lauter Waisenkinder. Also es greift, weißt du, es greift alles ineinander. Also wenn man Menschen, ältere Menschen am Grauen Star operieren kann, dann sind die zumindest für die Jungen da, wenn die Eltern weg sind und so weiter. Das ist alles eine Kettenreaktion.

Franz-Joseph Huainigg: Ja, stimmt, dass man auch über den Tellerrand hinausschauen muss.

Chris Lohner: Gerade jetzt! Wir haben seit der Pandemie eine derartig egomanische Gesellschaft. Mehr als je zuvor. Ich habe gedacht, dass die Menschen wieder mehr zusammenrücken. Ich habe ein Buch geschrieben, ich bin ein Kind der Stadt, Wienerin seit 1943. Er beschreibt die Zeit in Wien. Ich bin ja in Wien geboren, von 1943 bis 1955 hatten wir nichts. Verstehst du, nichts! Es gab nichts zu Essen, alles ausgebombt. Du hast dauernd irgendwas gekriegt, Auftrennpullover von der Mama, wieder gestrickt, der dich gekratzt hat unendlich, irgendeine Tante hat etwas genäht. Mit meiner Großmutter bin ich am Laaerberg gegangen, Brennnessel pflücken, weil mehr gab es halt nicht. Ich habe mir gedacht, damals sind die Menschen sehr zusammengerückt. Weil das bisschen was sie hatten, haben sie schon auch mit dem Nachbarn geteilt. So etwas wie Neid gab es nicht, weil es hat ja niemand mehr gehabt. Es ist allen beschissen gegangen. Und niemand hat gewusst, was wird. Ich habe mir gedacht, wie es mit der Pandemie war, wo alle eingesperrt waren, ich dachte, die Menschen werden es vielleicht wieder näher zusammenrücken im Schock. Am Anfang war es ja der Fall, aber dann ist es auseinandergegangen. Bis heute ist es unfassbar.

Franz-Joseph Huainigg: Das merke ich auch, ich suche immer wieder neue Assistent:innen, die mich unterstützen im Alltag. Es war schon vor der Pandemie schwierig, persönliche Assistent:innen zu finden. Aber nach der Pandemie ist es viel schwerer geworden. Es melden sich weniger Leute. Vielleicht liegt es daran, dass man egomanischer geworden ist, oder mehr online arbeiten möchte. Und die Nähe mit anderen Menschen verlernt hat.

Chris Lohner: Ich glaube, dass durch dieses ganze Internet, was natürlich absolut großartig ist, muss man schon sagen, dass die Menschen mehr vereinsamen, wenn sie dauernd vorm Computer sitzen. Oder nur das Handy vor der Nase haben. Die Leute haben nur das Handy vor der Nase, fotografieren alles, was sie sehen und zu Hause schauen sie dann nach, was sie waren. Und nicht live, wo sie sind. Ich sehe oft junge Leute im Restaurant sitzen, die am Handy herumtun. Ein Pärchen, ein nettes Pärchen, die reden nichts miteinander. Jeder fotografiert das Essen, der einzige, mit dem sie reden, ist der Kellner. Und ich sitze mit meinen Freunden und wir reden miteinander. Und das müsste wieder mehr passieren. Die Menschen reden zu wenig miteinander. Die Menschen loben zu wenig. Es wird sehr viel gemeckert und zu wenig gelobt. Es wird meiner Meinung nach zu wenig umarmt. Weil es ein ganz wichtiger Bestandteil in der menschlichen Kommunikation ist, wenn du ein Kind, das auf die Welt kommt, nicht angreifst, muss es irgendwann sterben. Es liegt vieles im Argen. Ich meine, die ganze Welt hat Probleme. Jedes Land hat andere Probleme und jede Kultur hat andere Probleme. Aber Probleme haben alle. Und man kann das auch gar nicht werten. Bei uns ist es so und dort ist es halt so. Aber prinzipiell ist es doch so entstanden, dass diese Egomanie und diese Ich, Ich, ich einfach sehr überhandnimmt.

Franz-Joseph Huainigg: Du bist ein Vorbild in die Gegenrichtung, engagierst dich für Jugend eine Welt, für Straßenkinder.

Chris Lohner: Man muss was tun, Franz-Joseph. Es ist so, jeder kann was tun. Du musst nicht prominent sein und kein öffentlicher Mensch. Jeder kann was tun. Jeder Mensch der, angenommen in meinem Alter, ich bin ja wirklich eine alte Maus, der aber gesund ist und dem es halbwegs gut geht, der kann ja schauen, braucht die Nachbarin Hilfe für ihre Kinder, soll ich auf den Hund aufpassen, soll ich spazieren gehen mit dem Hund, soll ich jemanden einkaufen gehen? Jeder kann für einen anderen was tun. Es kommt ja niemand vorbei und sagt, tun Sie was! Man muss auch selber eine Initiative setzen und ich hab halt das Glück, dass ich öffentlich bin und kann natürlich dadurch auch mehr bewegen, ich kann mehr Menschen bewegen und animieren und sagen „Kinder, spendet etwas, weil ich komme gerade aus Tansania und schaut her, wie es denen dort geht“, aber man kann auch im eigenen Land was tun, Ich hab immer schon was getan. Ich bin mit 13 in die Altersheime gegangen zu Weihnachten, da habe ich denen Geschichten vorgelesen, weil ich gefunden habe, ich mochte alte Menschen immer sehr gerne. Nicht alle, denn man mag nicht immer alle, aber ich habe immer so das Gefühl gehabt, die alten Menschen, die haben irgendwann mal was gemacht von dem ich profitiere und das habe ich immer gespürt und das ist auch so. Schau, nimm jetzt nur das Wahlrecht, Kinderarbeit, Urlaub, ich denke an all die Dinge, das waren alles Menschen, die dafür gekämpft haben, dass das für uns heute alles selbstverständlich ist. Die haben uns Wege geebnet, die wir gehen, als wären sie immer schon da gewesen und das muss man alles auch klar machen. In unserer Kultur ist ja ein altes Bild, ein alter Schmuck, ein altes Auto, ein alter Teppich ist was Besonderes. Ein alter Mensch nicht und das ist schon interessant, dass tote Gegenstände mehr wert sind als ein lebendiger Mensch. Und das hast du zum Beispiel in Afrika in den Kulturen nicht. Da kann der alte Mann noch so ein Zausel sein, verstehst? Aber er hat Achtung, er bekommt Respekt und man fragt ihn nach seiner Meinung. Und die steckt man nicht weg. Wir stecken alles weg, was ein bisschen kaputt ist, verstehst? Entweder schmeißen wir es weg oder stecken wir es weg. Das ist ein falscher Zugang und das muss sich irgendwann ändern. Es geht uns zu gut, sag ich dir, es geht uns zu gut.

Franz-Joseph Huainigg: Ja das finde ich auch teilweise. Dieses Jammern in der Gesellschaft, darauf bin ich auch ziemlich allergisch. Das relativiert sich auch, wenn man sieht, wie Straßenkinder leben in anderen Ländern. Welche Begegnungen hast du gehabt mit Jugend eine Welt?

Chris Lohner: Ich war bis jetzt nur hier tätig. Ich habe ein neues Knie bekommen, ich habe vier Ersatzteile. Ich habe zwei Knie, zwei Hüften. Seit eineinhalb Jahren ist mein Knie wieder in Ordnung, dadurch kann ich auch jetzt im November wieder weg.

Franz-Joseph Huainigg: Du hast ein Buch geschrieben, das letzte war glaube ich „Zeitzeugin Chris Lohner“. Kannst du vielleicht Anekdote erzählen aus dem Buch?

Chris Lohner: Ja da gibt es 100.000 Geschichten. Ich habe z.B. der Hugo Portisch war ein sehr guter Freund von mir, den ich sehr vermisse, ein wirklich gescheiter Mann, ein lieber Mensch, ein lustiger Mensch. Und er war natürlich der Geschichtspapst der Nation. Ich habe eine Sendung gehabt, die hieß Backstage, auf der anderen Seite lief Derrick oder irgendetwas und die letzte Viertelstunde auf dem anderen Sender war mein Backstage. Und da habe ich etwas gemacht mit Portisch, er war ja bekannt für sein Schwammerl-Wissen. Mit seiner Frau hat er ja zwei Schwammerl-Bücher geschrieben. Und ich habe gedacht, ich dreh mit ihm ein bisschen Schwammerl suchen und so weiter. Und bin dann mit meiner Redakteurin hingefahren und er war damals noch in Neuwaldegg und wir haben gesagt, wir gehen im Wald Schwammerl suchen und der ist zielstrebig, es hat ein bissl genieselt, und dann ist er zu verschiedenen Plätzen gegangen und da waren die Schwammerl! Und ich hab gesagt, warum weißt du wo die Schwammerl überall sind? Er sagt, er war schon ganz zeitig in der Früh da und hat die Schwammerl-Plätze gesucht, hat sie für uns versteckt, damit wir nicht lange suchen müssen. Also das zeigt doch seine Liebenswürdigkeit.

Franz-Joseph Huainigg: Super. Wenn du bei mir Assistentin werden willst, gibt es noch eine Challenge, wo man schaut, wie es in der Praxis ist. Es gibt immer Situationen wo die Leute auf sich schauen z.B. wenn in der U-Bahn die Tür aufgeht, dann stürmen alle rein und da wäre die Challenge, dass du uns hilfst. Also, dass du mir dabei hilfst. Hier ist meine Assistentin, die Ina, und die wird die Situation erklären und wie du helfen könntest.

Ina Siebrecht: Hallo, ich bin die diensthabende Assistentin, die Ina. Wenn ich Dienst habe bei Franz-Josepf, dann geht es oft mit den öffentlichen Verkehrsmitteln irgendwo hin, Franz-Joseph ist ja viel unterwegs, hat viele Termine und dann muss man zum Beispiel U-Bahn fahren oder Bus fahren oder Straßenbahn fahren. Und Assistentin zu sein, stellt einen dann vor gewisse Herausforderungen, unter anderem ist ja in Wien sehr viel los auf den Bahnsteigen zum Beispiel. Dann ist es manchmal sehr schwierig mit diesem Rollstuhl, der zwar sehr cool ist, aber auch sehr groß und wenn man nebendran steht, weil man den Rollstuhl führen muss, dann brauchen wir beide sehr viel Platz auf dem Bahnsteig und dann stehen sehr gerne sehr viele Leute im Weg, auch gerne Kinderwagen und Hunde an der Leine oder eine ganze Schulklasse mit kleinen Kindern. Und dann ist die Kunst dass man sich da jetzt möglichst elegant einen Weg durchbahnen muss. Wir haben uns überlegt, dass Ihre Stimme, die bekannte ÖBB Stimme, eine gewisse Autorität auf dem Bahnsteig hat, also dass die Leute aufhören, wenn sie ihre Stimme hören und dass es deshalb sehr praktisch wäre, wenn wir als Assistent:innen auf eine Durchsage von Ihnen zurückgreifen könnten. Also dass Sie uns jetzt einige Ansagen einsprechen, die wir dann mit Lautsprecher oder so, wenn wir am Bahnsteig sind, durchsagen können.

Chris Lohner: Vorsicht, der Rollstuhlfahrer fährt ein, bitte halten Sie Ihre Taschen und Kinderwagen fest und treten Sie zurück! Bleiben Sie achtsam, Rollstuhlfahrer haben Vorfahrt! Dieser Rollstuhlfahrer hat es besonders eilig und möchte pünktlich im Büro einfahren, bitte lassen Sie ihn den Vortritt beim Lift!

Franz-Joseph Huainigg: Genial, danke!

Chris Lohner: Ja, vielen Dank Franz-Joseph und wenn du wieder etwas brauchst, bin ich zur Stelle wenn es mich noch gibt.

Franz-Joseph Huainigg: Danke, dass du zu Gast warst und es ist schön welches Engagement du hast und welche Lebensfreude du ausstrahlst!